Geschrieben am 1. Mai 2022 von für Crimemag, CrimeMag Mai 2022

Robert Rescue: Energie sparen

Jetzt heißt es also Energie sparen. Nicht so halbherzige Maßnahmen wie Energiesparlampen oder Geräte nicht im Stand-by laufen lassen. Die Zeit des hemmungslosen, unbedachten Energiekonsums ist vorbei. Jetzt ist wie nach dem Krieg oder besser gesagt, wie im Krieg. Gegen Putin nämlich. Kein russisches Gas und Öl mehr. Letzteres kann er sich in die Haare schmieren und Ersteres rektal einführen, bis er platzt. 

Und damit jeder Bürger mitmacht, hat der Robert Habeck ein düsteres Szenario entworfen: Wer nicht mitmacht, ist dafür verantwortlich, wenn er, also der Habeck, den Hahn zudreht, also nicht ein bisschen, sondern deutlich, so in Richtung ganz. Und dann ist die deutsche Wirtschaft im Arsch und der Bürger friert im nächsten Winter und für Autofahrer kommt es ganz dicke – ein Tempolimit auf den Autobahnen und wenn der Robert denkt, dass die Bürger sich nicht genug eingeschränkt haben, dann gibt es hin und wieder sonntags Skilanglauf (also falls es überhaupt Schnee gibt) oder die Tour de France auf der A1. Vielleicht auch nicht nur am Sonntag.

Ich habe ja schon viel umgesetzt, schon vor dem Ukraine-Konflikt. Ein Auto habe ich nie besessen, die Lampen schalte ich aus, wenn ich einen Raum verlasse und duschen tue ich nur einmal die Woche. Eine Frau will ich nicht kennenlernen und ich wohne im Wedding. Da fällt es nicht auf, wenn man riecht wie ein toter Biber in einer Biomülltonne, die seit Monaten nicht geleert worden ist. Aber mit dem Duschen verbrauche ich ohnehin nicht viel Strom. Mein warmes Wasser kommt aus einem Durchlauferhitzer, der falsch dimensioniert ist, da wird das Wasser nur lauwarm. Vor Jahren war mal ein Elektriker in der Wohnung, der hat gelacht, als er das Gerät gesehen hat. Als ich ihn fragte, ob man den nicht gegen ein größeres Gerät ersetzen könne, da hat er mit dem Lachen aufgehört und gesagt, dann müssten die Elektroleitungen in der gesamten Wohnung ausgetauscht werden, was die Hausverwaltung natürlich nie genehmigen würde. Wenn ich in Urlaub fahre, besteht mein wesentlichster Anreiz darin, mal heiß zu duschen. 

Heizen tue ich auch nicht volle Pulle. In meinem Arbeitszimmer überhaupt nicht. Der Thermostat ist eingerostet oder kaputt, aber am Wandboden laufen die Rohre für die anderen Heizungen lang, das heizt mit, so lange die Außentemperatur nicht bei -15 Grad liegt. Aber ich betreibe die elendige Kippfenster-Lüftung, weil bei mir immer die Fenster zufallen. Keine Ahnung, ob das an den Fenstern liegt oder daran, dass Berlin in etwa zwischen dem präkambrischen osteuropäischen Kraton und dem känozoischen Alpen-Karpaten-Orogen liegt, oder um es einfacher auszudrücken, in einer Delle der Oder-Elbe Störungszone. 

Aber all die Maßnahmen fruchten nichts, wenn ich mich nicht um den Kühlschrank kümmere. Einen KRISTALL 140 aus DDR-Produktion, den ich vor zwanzig Jahren aus meiner damaligen Bleibe in Friedrichshain mitgenommen habe, wo er vermutlich schon 30 Jahre gute Dienste geleistet hat. Ein langlebiges Produkt mit einem Stromverbrauch, der vor allem hörbar ist. Laut Google hat der KRISTALL 140 einen ungefähren Jahresverbrauch von 255 kWh, bei heutigen Geräten sind 90 bis 125 kWh üblich. Also mehr als 100 kWh, die ich zum einen auf die Stromrechnung einspare und die ich weniger von Russland beziehe. Putin, nimm das!

Ich schalte das Gerät aus und bin sicher, dass in diesem Moment russische Techniker in einem Kontrollzentrum aufschrecken und einen Alarm auslösen. Dann schicken sie ein Fax in den Kreml und Putin liest mit versteinerter Miene die Nachricht. Die sichere Einnahmequelle, der KRISTALL 140 im fernen Wedding, wurde vom Netz genommen!

Ich öffne den Kühlschrank. Lauter Bier, Bier, Bier, eine Packung abgepackter Käse, eine Packung Butter sowie ein Glas Gurken, das ich vor zehn Jahren reingestellt habe. Ob die noch gut sind? 

Ich stelle das Bier in einen Eimer kaltes Wasser und die Butter, den Käse und die Gurken schmeiße ich weg. Das Frühstücksbrot kann man ja auch ohne alles essen.

Mein Blick fällt auf den Herd. Da rätsele ich schon seit Jahren, wie lange der hier schon in der Wohnung steht. Ich schätze, seit den achtziger Jahren. Ähnlich wie der Kühlschrank ein Gerät, mit dem ich mindestens einen russischen Panzer finanziere. Wenn ich den Stecker abziehe und wieder reinstecke, gibt es irgendwo in einem Kraftwerk eine Überspannung und in einem Atomkraftwerk beinahe eine Kernschmelze.

Braten tue ich mit dem Gerät inzwischen nicht mehr, aber das liegt eher am Mangel an Rapsöl. Ich benutze nur noch den Backofen und mache mir Tiefkühl-Pommes und diese dreieckigen Rösti. Dazu Ketchup. Manchmal mache ich mir Pommes mit Rösti und eine halbe Flasche Ketchup obendrauf. Köstlich.

Ich schaue aus dem Küchenfenster. Was machen die Nachbarn im Vorderhaus? Leisten die einen Beitrag? Die im Vorderhaus, 1. Stock lassen in der Küche stundenlang das Licht brennen, obwohl sie sich dort nicht aufhalten und die im 2. Stock die ganze Nacht. Na toll, wie sollen wir uns so aus der Abhängigkeit lösen? Sind wir hier in Norwegen, oder was? Dort lassen die Tag und Nacht das Licht brennen und angeblich, so wurde es mir erzählt, werden seit 20 Jahren bei Neubauten gar keine Lichtschalter mehr eingebaut. 

Bei den Norwegern kann ich das ja verstehen mit dem Anlassen des Lichts. Bei denen ist es ja immer duster. Außerdem haben die Öl und Wasserkraftwerke und windig ist es da in den Fjorden auch, die kommen meistens ohne irgendwelche Energieimporte durchs Jahr. 

Aber das mit den Nachbarn ärgert mich. Wenn der Winter naht und die Lage nicht besser geworden ist, wird die Bundesregierung bestimmt ein Online-Portal schalten, wo man Leute denunzieren kann. Das werde ich dann sofort machen, darin sind wir Deutschen schließlich gut und ich noch besser. 

Ich habe ein gutes Gewissen. Ich habe Putin schon ordentlich in den Arsch getreten. Ich hole die Kerzen und stelle sie auf. Gibt ohnehin ein schöneres Licht als diese kalten Lampen. Dann setze ich mich an den Küchentisch und lutsche an einer gefrorenen Pommes. Kühlschrank aus, Herd aus, Licht aus, Durchlauferhitzer aus, und Wasserkocher aus. Mit einem Klecks Ketchup lutscht sich die Pommes besser. So lässt es sich leben, zwar nicht gut, aber immerhin.

Ich muss an die Oder-Elbe-Störungszone denken. Geologische Probleme gibt es hierzulande ja nicht, aber wenn da mal was passiert, dann würde das eine Menge der aktuellen Probleme lösen, um nicht zu sagen, alle.

Robert Rescue bei CrimeMagZu seiner Webseite mit Terminen, Veröffentlichungen etc. geht es hier, einen einschlägigen Beitrag von ihm finden Sie in der Anthologie „Berlin Noir“ und beim Talk Noir im Neuköllner Froschkönig ist er regelmässig unser Stargast.

Im Herbst 2020 Corona zum Trotz erschienen: Robert Rescue: Das Leben hält mich wach. Berlins müdester Lesebühnenautor trotzt dem alltäglichen Wahnsinn mit Humor. Edition MundWerk, Berlin 2020. 146 Seiten, 12 Euro.