Geschrieben am 1. Juni 2023 von für Crimemag, CrimeMag Juni 2023

Hazel Rosenstrauch über „Superyachten“

Obszöner Reichtum

Wir wissen ja schon viel über das “Kapitalozän”, aber so schön in einer Nussschale zusammengefasst habe ich es noch nirgends gelesen. Einst waren es 40 Meter lange Yachten, inzwischen sind sie über hundert, bald 200 Meter lang, mit Tanzsaal, Schwimmbad, sauteuren Armaturen, Champagner, der aus den Duschköpfen fließt und prunkvolle Reelings. Die Besitzer – ob Emir, russischer Oligarch oder US-amerikanischer Milliardär – konkurrieren, wer die längste hat. 

Grégory Salle, Soziologe und Politikwissenschaftler, nennt Zahlen, nicht nur, was die Dinger kosten, auch wie viel Benzin oder Diesel sie verbrauchen (und ins Meer ablassen), wie viele Gäste in luxuriösen Kabinen wohnen und mit gekauften Girls feiern können. Die Mannschaften, die so ein Trumm braucht, werden allerdings schlecht bezahlt, sie werden auch schlecht behandelt, und wenn so ein schwer arbeitender Mensch des Bordpersonals verschwindet oder verletzt wird, gibt es Möglichkeiten, das zu vertuschen. 

Superyachten sind eine Boombranche, man kann diese Dinger für eine Million pro Woche mieten, und es gibt offenbar genügend Interessenten, die Pandemie war eine gute Gelegenheit für einige Superreiche, die auf so einem Schifferl ganz unter sich bleiben konnten. Dass sie unter den Flaggen von Steuerparadiesen durch die Gewässer sausen, ist eh klar. Man erfährt in dem dünnen Bändchen auch, wie ökologisch wertvolle Pflanzen zerstört werden, wie sich die Milliardäre die bescheidenen Gebühren für die Hafenaufsicht ersparen, wie schwierig es für die wenigen schlecht ausgestatteten Behörden ist, irgendwelche Verantwortliche überhaupt zu sprechen – so nicht ohnehin die Interessen der Lobbys genauere Nachfragen verhindern. 

Sie sind mächtig, sie sind reich, ignorant und ein “leuchtendes Beispiel” dafür, dass nicht nur immer mehr Menschen immer ärmer werden, sondern auch einige so ungeheuer reich sind, dass man sich auch als Pazifistin ein Maschinengewehr wünscht. Aber, wie eine Freundin richtig bemerkte, sie würden nicht verschwinden, sie haben Personenschützer, Erben und tüchtige Nachlassverwalter. 

Salle schreibt ohne Schaum vor den Tasten, er hat lange recherchiert, genau hingeschaut und: er (bzw. die Übersetzerin) kann schreiben. Man liest das schnell weg, das Büchlein ist nur 170 Seiten kurz, und sollte es Leser geben, die sich schon über die Verhältnisse auf unserem Planeten beruhigt haben, können sie hier noch einmal Wut tanken. Sollten Sie Freunde haben, die an der Côte d’Azur, an der portugiesischen Atlantik-Künste oder vor Kroatien Urlaub machen, wäre dieses Büchlein ein passendes Geschenk für Genießer. 

Hazel Rosenstrauch

Grégory Salle: Superyachten – Luxus und Stille im Kapitalozän (Superyachts – Luxecalme et écocide, 2021). Aus dem Französischen von Ulrike Bischoff. Edition Suhrkamp, Berlin 2022. Broschur, 170 Seiten, 16 Euro.

Siehe auch bei Wikipedia: Megayacht
Liste der längsten Motoryachten
Liste der längsten Segelyachten

  • Hazel E. Rosenstrauch, geb. in London, aufgewachsen in Wien, lebt in Berlin. Studium der Germanistik, Soziologie, Philosophie in Berlin, Promotion in Empirischer Kulturwissenschaft in Tübingen. Lehre und Forschung an verschiedenen Universitäten, Arbeit als Journalistin, Lektorin, Redakteurin, freie Autorin. Publikationen zu historischen und aktuellen Themen, über Aufklärer, frühe Romantiker, Juden, Henker, Frauen, Eitelkeit, Wiener Kongress, Liebe und Ausgrenzung um 1800 in Büchern und Blogs.  Ihre Internetseite hier: www.hazelrosenstrauch.de

Ihre Texte bei CulturMag hier. Ihr Buch „Karl Huss, der empfindsame Henker“ hier besprochen. Aus jüngerer Zeit: „Simon Veit. Der missachtete Mann einer berühmten Frau“ (persona Verlag, 112 Seiten, 10 Euro). CulturMag-Besprechung hier.

Tags : ,