Geschrieben am 1. Februar 2022 von für Crimemag, CrimeMag Februar 2022

Frank Rumpel zum neuen Mike Nicol

Das große Geld

Der Autor und Journalist Mike Nicol strickt weiter an seiner Erzählung über Südafrika als Dorado für schmutzige Deals und Tummelplatz diverser Geheimdienste. Diesmal nimmt er sich die Privatwirtschaft vor, die sich, wenn sie an die Fleischtöpfe will, auf die Spielregeln korrupter Politiker und Strippenzieher einlassen muss. „Man sollte reich sein, wenn man den öffentlichen Dienst verlässt“, zitiert Nicol den 2020 zurückgetretenen südafrikanischen Generaldirektor des Ministeriums für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei Mike Mlengana. 

Im aktuellen Roman steht für ein südafrikanisches Unternehmen ein gigantischer Auftrag an, bei dem landesweit die Infrastruktur ausgebaut werden soll. Dabei gibt es allerdings interne Schwierigkeiten. Die Geschäftsführerin, deren Mann zwei Jahre zuvor ermordet wurde und die sich erst allmählich wieder ins operative Geschäft einbringt, will den Deal mit Regierungsbeteiligung auf gar keinen Fall. Eingefädelt hat ihn ihr Bruder, ein psychotischer Egomane. Sein Ziel: Die Firma übernehmen, das große Geld machen. Dafür geht er über Leichen.

Finanziert werden soll das Projekt zunächst von Investoren aus den USA. Die Geldgeber wollen an die Förderung des südafrikanischen Black Economic Empowerment-Programms. Dafür haben sie ein gut beleumundetes Unternehmen ausgesucht, das seinerseits Projekte mit vorfinanzieren soll. Die Finanzströme laufen bei einer inländischen Bank zusammen. Dabei sollen nicht nur die Firma, die Investoren und die Bank verdienen. Auch der Bauminister und ein Oberst des südafrikanischen Inlandgeheimdienstes wollen ihren Schnitt machen. Und natürlich geht es um Einfluss. Die CIA hat ihre Finger ebenso im Spiel, wie die State Security Agency (SSA) und Nicols durch alle Romane irrlichternder Geheimdienstmann Mart Velace, der seine Anweisungen von einer Frau übers Telefon bekommt. Er kennt nur ihre Stimme. Doch wofür oder wogegen all diese Agenten arbeiten, bleibt meist ihr Geheimnis. Hier operiert jeder gegen jeden. Und mitten drin sorgen die spielsüchtige, ehemalige SSA-Agentin Vicky Kahn und ihr Freund, der Privatdetektiv und Surfer Fish Pescado, zusätzlich für einige Unordnung. 

Mike Nicol zeigt sich mit dem vierten Teil seiner Kapstadt-Serie (der fünfte soll dieses Jahr in Südafrika erscheinen und dürfte direkt an diesen Band anschließen) mal wieder in Hochform. Es ist ein elegant verwinkelter Polit-Thriller, in dem sich unterschiedlichste Interessengruppen auf verschlungenen Pfaden gegeneinander durchzusetzen versuchen. „The Rabbit Hole“ heißt der Roman im Original, jedes Kapitel ist mit einem Zitat aus „Alice im Wunderland“ überschrieben. Solche Zitate hatte Vicky Kahns ermordeter Geheimdienstmentor, dessen Vermächtnis hier eine wichtige Rolle spielt, zu jeder Gelegenheit parat. Und einmal durch dieses „Rabbit Hole“ geschlüpft, stehen Nicols Figuren knietief in einer durchaus bizarren nachrichtendienstlichen Parallelrealität, in der noch anderes sichtbar wird. Unterlagen über Waffengschäfte mit dem Apartheitregime scheinen eine Menge Leute zu belasten und auch den politischen Ambitionen einer US-amerikanischen Agentin im Weg zu stehen. Eine sehr vielschichtig angelegte Geschichte also. 

Der Wirtschaftsdeal indes, um den es in diesem Roman im Wesentlichen geht, hätte das Volumen, um Südafrika über Jahre in Schulden und Abhängigkeit zu treiben. Das ist jenen, die das Geschäft einfädeln, freilich völlig egal, Hauptsache die Kasse klingelt. Käuflichkeit und Skrupellosigkeit sind da unbedingter Bestandteil der jeweiligen Jobbeschreibung. Und Nicol als gewiefter Geschichtenerzähler zieht die Schrauben gleich an mehreren Stellen an, erhöht den Druck auf einzelne Figuren, so dass die weit aufgefächerte Geschichte um seine schillernden Protagonisten unbedingt spannend bleibt. 

Mike Nicol: Das Schlupfloch (The Rabbit Hole, 2021). Aus dem südafrikanischen Englischen von Mechthild Barth. Btb Verlag, München 2021. 523 Seiten, 11 Euro.

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