Geschrieben am 1. Dezember 2019 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2019

Frank Göhre: Abschied von Friedhelm Werremeier

Der Beginn einer langen, schönen Freundschaft

Eine Erinnerung und ein Salut von Frank Göhre

Es war eine lange Pokernacht, und als der Morgen graute, stand ich mit 700 DM Miesen da, zahlbar an den damaligen Lektor der Blauen Krimis bei Heyne, Bernhard Matt, dem Winner der Runde. Ich ging aus dem Tagungshotel rüber zum Bankomat. Spielschulden sind Ehrenschulden und direkt zu begleichen. 

Matt sackte die Kohle ein. Aber nach der zweiten Tasse Kaffee am Frühstückstisch sagte er: „Ich geb dir die Chance, das Zehnfache zurück zu bekommen.“ – „Mit was?“ – „Werremeier“, sagte er. „Werremeier hat bei der ARD einen Riesencoup gelandet. Eine neue Serie mit einem knallharten Klaus Löwitsch, „Peter Strohm – Agent für Sonderfälle“, konzipiert und geschrieben von ihm und einigen Kollegen, realisiert von den besten Action-Regisseuren. Auftakt ist ein Zweiteiler „Tod eines Freundes“. Wir wollen das Buch dazu.“ – Er machte eine kleine Pause. „Werremeier will es nicht schreiben. Ich geb dir einen Vertrag über 7.000 DM wenn du es auf Grundlage seines Drehbuchs schreibst. 

Das Buch zur Serie.“ – „Das klingt gut“, sagte ich und dachte: Komplett dramatisierter Stoff und Dialoge vom Großmeister Werremeier, da kann nichts schiefgehen, das läuft wie geschmiert. Ich war bereit, den Deal zu besiegeln. 

Matt aber hielt sich noch zurück. „Eine Bedingung“, sagte er „Du hast nur 14 Tage Zeit, dann muss das Ding in den Druck, lektorieren kann ich es ohnehin nicht mehr.“ 

Vierzehn Tage – ich winkte ab, kein Problem. Ich hatte 7.000 DM in Aussicht. 

Doch das Problem hatte ich, als ich das Drehbuch in den Händen hielt und es gelesen hatte. Es war ein Script, das fast ausschließlich aus Dialog bestand, keiner genauer beschriebene Location und keinerlei Atmosphären, obwohl die Geschichte in Hamburg spielte, der Stadt, in der Werremeier über Jahre zuhause gewesen war. Da musste viel hinzu „gedichtet“ und ausgeschmückt werden, um auf die vom Verlag geforderten 150 Seiten plus zu kommen. Ich legte los. Gepuscht mit Kaffee, Coke und Lucky Strike gab ich den Personen ein stark ausgeprägtes Sex-Leben, brachte jede mit jedem in Beziehung und ließ sie Lust und Leidenschaft austoben, ohne Scham und ohne Grenzen. Es würde ja eh keinen Lektor geben.

Termingerecht lieferte ich ab. Pünktlich zum Start der ARD „Peter Strohm“-Serie erschien das Buch. Und nur wenige Tage später erhielt ich einen Brief von Friedhelm Werremeier: „Sie, werter Herr Göhre, sind zweifellos einbegabter Autor, ein wirklich guter aber wären Sie, wenn Sie Ihre Sexphantasien zu zügeln wüssten.“

Es war der Beginn einer bis zu seinem Tod anhaltenden Freundschaft – kollegial und persönlich, bei Kaffee und Schnittchen und auch bei Aal und Hummer.

Fips, ich danke Dir für all die gemeinsamen Stunden!

Frank Göhre

Über Friedhelm Werremeiers Trimmel-Romane und den ersten „Tatort“ schrieb Frank Göhre ausführlich hier. Frank Göhre bei CrimeMag.
Friedhelm Werremeier bei CrimeMag zu 1000 Mal „Tatort“.

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