Geschrieben am 15. November 2016 von für Crimemag

Frank Göhre über den Tatort-Kommissar Paul Trimmel

trimmelTrimmel in Folge

– Tausend Folgen „Tatort“ in 46 Jahren, da haben wir uns bei CrimeMag nach Folge 001 vom Sonntag, 29. November 1970, gefragt. Der erste Kommissar der „Tatort“-Reihe hieß Paul Trimmel. Dargestellt von Walter Richter in den Jahren 1970 bis 1982, ist er der Leiter der 1. Kriminalgruppe in Hamburg. Zwischen 1969 und 1982 wurden elf seiner Fälle für die Reihe verfilmt, auf  15 Bände haben es die Trimmel-Romane von Friedhelm Werremeier gebracht. Es sind Sittenbilder der Bundesrepublik, auch der allererste „Tatort“ wirkt immer noch erstaunlich frisch. Friedhelm Werremeier ist nicht nur ein Meister lakonischen Erzählens, als gelernter Reporter hat er ein untrügliches Gespür für aktuelle Themen. Wir geben dazu einem anderen Meister das Wort: Frank Göhre stellt uns Kommissar Trimmel und seinen Schöpfer vor.

Es ist an einem Juliabend Ende der sechziger Jahre, als Edmund Frank aus einer Laune heraus einen ihm zum Verhängnis werdenden Fehler macht. Er nimmt auf der Reeperbahn die Dienste einer Prostituierten in An­spruch. Die junge Frau heißt Utta. Sie gefällt ihm und er lädt sie spontan in seine am Rande der Lüneburger Heide gelegene Ferienhütte ein. Dort schwanken die Ei­chen im Sturm: „Den Krähen auf den Feldern vor der Hütte reißt es die Beine weg. Wenn sie auffliegen, werden sie hochgerissen wie welke schwarze Blätter.“ Ein düsteres Bild. Doch Edmund Frank empfindet Freude. Es ist „der Sturm vor der Ruhe, die ich bald haben wer­de.“

Edmund Frank ist Filialleiter einer Hamburger Bank, die er in wenigen Tagen um eine Million berauben wird. Seit zwei Jahren hat er den Coup vorbereitet. Jetzt ist sein Plan perfekt. Nach dem Heideurlaub mit Utta nimmt er seine Tätigkeit in der Bank wieder auf. Die Filiale schließt um fünf. Um 17.45 Uhr öffnet er den Tresor und stopft die Tausender-Bündel in sämtliche Taschen seiner Kleidung und in eine Aktentasche. Der Sorten- und Schalterkasse entnimmt er Handgeld in fran­zö­si­schen Franc und deutscher Mark. Er fährt mit seinem Simca 1500 in ein Parkhaus an der Alster und verschließt die Million in einen wasserdichten Metallkoffer. In die Aktentasche kommt ein Handspaten: „Ak­ten­ta­sche und Reisetasche werden in den schwarzen Kunstlederkoffer verpackt. Mit dem Metallkoffer und dem schwarzen Koffer haste ich zum Bahnhof.“

Edmund Frank liegt gut in der Zeit. Er kauft eine Fahrkarte nach Frankfurt, gibt den Metallkoffer als Reisegepäck auf und nimmt ein Taxi zum Flughafen. Am Lufthansa-Schalter besteht er lautstark darauf, den schwarzen Koffer als Handgepäck mit in die Maschine nach Paris zu nehmen – erfolglos. Aber Edmund Frank hat erreicht, was er wollte. Er ist unangenehm aufgefallen. Man wird sich an ihn erinnern.

51hgysg6e6l-_sx302_bo1204203200_Sicherer mit Pseudonym

Friedhelm Werremeier legt gleich zu Beginn seines ersten Kriminalromans Ich verkaufe mich exklusiv ein rasantes Tempo vor. Einprägsam beschriebene Situationen und knappe Dialoge, nach wie vor beispielhaft für all jene Autoren, die spannend erzählen wollen.

Das Buch erscheint im Oktober 1968 in der „rororo thriller“-Reihe unter dem Autorenpseudonym Jacob Wit­tenbourg. Das hat einen triftigen Grund. Der Zeitschriftenverleger Armand Bleeker nämlich, dem Ed­mund Frank später die Geschichte seines Millionenraubs ex­klu­siv verkauft, steht für Henri Nannen, den Herausgeber des Stern. Für den Stern hat Werremeier damals als Gerichtsreporter gearbeitet. Und sein Ar­mand Bleeker agiert in dem Roman alles andere als ehrenhaft, ist un­term Strich sogar der weitaus größere Gauner als der vom Hauptkommissar Paul Trimmel in die Zange ge­nom­me­ne Filialleiter Edmund Frank.

Paul Trimmel tritt in Werremeiers Debüt erst im zwei­ten Drittel in Erscheinung: „Sein Schädel ist vierkantig. Kurzes, eisgraues Haar. Mitte oder Ende Vierzig mag er sein … nur Hauptkommissar und kein höheres Tier, weil er keine Lust hat, sein kriminalistisches Wissen auf der Polizeiakademie durch Vorlesungen über Beamtenrecht zu verwässern … ein Einzelgänger; ein alter Bulle, der sich von der Herde getrennt hat.“

Mit ihm also hat Edmund Frank es nun zu tun.

Frank hat sich in Paris freiwillig gestellt, will mit dem Millionenraub eine Kurzschlusshandlung begangen ha­ben, sei aber vor der reumütigen Rückgabe des Geldes selbst bestohlen worden und jetzt in jeder Hinsicht am Ende. Den Job verloren, die Ehe in die Brüche gegangen, Verurteilung und langjährige Haft vor Augen.

Es ist eine vermeintlich durch nichts zu erschütternde Leidensstory.

Die Wahrheit jedoch ist, dass Frank von Paris aus un­ter falschem Namen nach Frankfurt geflogen ist und den per Bahn beförderten Geldkoffer in einem Waldstück vergraben hat. Frank will seine Strafe absitzen und dann als nicht mehr zu Belangender mit der Million ein sorgenfreies Leben führen – der geniale Coup des Bankfilialleiters Edmund Frank.

Doch Trimmel fragt nicht nach dem angeblich verschwundenen Geld.

Hauptkommissar Paul Trimmel ist Leiter der Kriminalgruppe 1, der Kommissariate 201, 202, 203 ein­schließ­lich der ständigen Mordkommission im Hamburger Prä­sidium am Berliner Tor, und er fragt: „Wie geht es eigentlich Utta Grabowski? Wo steckt sie zur Zeit?“

Es ist die erste von vielen weiteren Fragen und ergänzenden unwiderlegbaren Fakten, mit denen Trimmel den in U-Haft sitzenden Edmund Frank konfrontiert. Der „vier­kantige“ Hauptkommissar profiliert sich dabei als hartnäckiger und auch auf eigene Faust agierender Er­mittler, der sein Gegenüber Zug um Zug in die Enge treibt und schließlich schachmatt setzt. Er schließt von einer im Wald nahe bei Paris entdeckten Frauenleiche auf die Ham­burger Prostituierte Utta. Er sagt dem Bank­filial­lei­ter auf den Kopf zu, dass diese Utta Grabowski die Mit­wisserin seines Raubes war, ihm nach Paris ge­folgt ist und ihn erpresst hat. Und dass Frank sie da­raufhin getötet hat.

Trimmel liegt mit seinen Erkenntnissen zwar nur dicht neben der eigentlichen Wahrheit, doch das reicht, um Edmund Frank den Prozess machen zu können: „Es gibt keinen Zweifel daran, dass Herr Frank längere Zeit un­mittelbar an der Stelle zugebracht hat, an der Fräulein Grabowski möglicherweise getötet, mit Sicherheit aber begraben worden ist.“

Mit diesem Auftritt vor Gericht ist der Fall für Trimmel abgeschlossen. Im dritten und letzten Teil des Bu­ches spielt der Hauptkommissar keine Rolle mehr. Aber er hat einen nachhaltigen und im wahrsten Sinne des Wor­tes folgenreichen Eindruck hinterlassen.

Ein erfolgreiches ARD-Projekt beginnt

Der Regisseur Peter Schulze-Rohr bittet Werremeier, ein Trimmel-Drehbuch zu schreiben, und am 6. Oktober 1969 wird der Fernsehfilm „Exklusiv“ mit Walter Rich­ter als Trimmel in der ARD ausgestrahlt.

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Kurz darauf fällt die Entscheidung, den alles andere als liebenswürdigen oder auch nur ansatzweise umgänglichen Hamburger Hauptkommissar als ersten „Tatort“-Ermittler zu etablieren. Mit der Verfilmung von Werremeiers zweitem Krimi Taxi nach Leipzig (noch unter dem Pseudonym Jacob Wittenbourg veröffentlicht) be­ginnt das erfolgreiche ARD-Projekt.

Im Osten wird ein totes Kind neben der Autobahn gefunden. Trimmel wittert – wie bereits bei Edmund Frank – Mörderisches und fährt illegal in die „Zone“ nach Leipzig. Dort deckt er Zusammenhänge mit einem im Westen lebenden Kind auf und stellt den des Austausches Verdächtigen: „Ich habe Bertie getötet …!“, wiederholt Landsberger.  – „Ja, ich weiß.“ – „Ich nehme an, dass das Ihre Absichten ändern wird und insofern auch für mich Konsequenzen …“ – „Ich schreibe keinen Be­richt“, sagt Trimmel. – „Ich habe Bertie getö …“ – „Lands­berger!“, sagt Trimmel und verzichtet auf das ‚Herr‘. „Ich will Ihnen mal was sagen. Von fünf Tö­tungs­de­likten in der Bundesrepublik werden nach An­sicht von Kriminalstatistikern höchstens zwei, wahrscheinlich nur eins der Polizei bekannt. Das hat gar nichts mit Aufklä­rungsziffern zu tun, sondern einfach damit, dass wir von den restlichen drei oder vier Tötungen überhaupt nie etwas erfahren. Es gibt den perfekten Mord, jährlich ein paar hundert Mal, und wenn wir uns den Arsch aufreißen.“ – „Trimmel“, sagt Landsberger, „wenn ich Sie recht verstanden habe, werden Sie also schweigen?“ – „Ja, ich werde die Klappe halten – wegen der beiden drüben, wegen dem Kind, wegen mir selber und meinetwegen auch wegen Ihnen. Aber ich will Sie nie mehr wiedersehen, und diese Entscheidung fällt mir sogar ziemlich leicht.“

Kaum ein Kriminalfall, den Werremeier nicht reportiert hat

Friedhelm Werremeier weiß nur zu gut, was er seinen Trimmel sagen lässt. 1930 in Witten an der Ruhr geboren, ist er bereits mit 17 als Polizeireporter tätig. Er be­sucht die soeben neu gegründete Journalistenschule in Aachen, macht seinen Abschluss und volontiert bei der Neuen Rhein-Ruhrzeitung. Seitdem gibt es kaum einen Kriminalfall, den Werremeier nicht reportiert hat. Schon früh weiß er, wer wie und bei welcher Gelegenheit mit Insider-Informationen herausrückt. Er lernt un­zählige Kripobeamte, Gerichtsmediziner, Gutachter, Psy­chiater und Ärzte, Rechtsanwälte und Richter kennen und viele von ihnen auch schätzen. Nach und nach entsteht ein dichtes Netz von Freunden und Zuträgern, die er immer wieder kontaktiert. Als schon überregional be­kannter Ge­richtsreporter zieht er nach Hamburg und ar­beitet für den Stern. Und Hamburg ist dann auch der Schauplatz seiner nun insgesamt 15 „Trimmel“-Bü­cher, einer „Chro­nique scandaleuse der Bundesrepublik nach­dem das Wirt­schaftswunder sauer geworden war“ (Thomas Wörtche).

tatort-der_richter_in_weiss_-_rowohlt_01Paul Trimmels dritter Fall ist in der besseren Gesellschaft der Freien und Hansestadt Hamburg angesiedelt. Der Tatort ist die „Schöne Aussicht“, eine Straße an der Alster, in der sowohl Alteingesessene wie neu Etablierte zu Hause sind. In einer der am Wasser gelegenen Villen hat die attraktive Brigitta ihren Ehemann, den Chefarzt Dr. Peter Beerenberg, erschossen. Sie will in Notwehr gehandelt haben, in Verzweiflung über den angeblichen Weiberhelden, der nichts mehr für sie übrig gehabt ha­be. Eifersuchtswahn, diagnostiziert der herbeigerufene Amts­arzt: „Sie ist einverstanden, dass wir sie vorläufig einweisen. Am besten nach Rietbrook.“ Rietbrook ist Sitz einer Psychiatrischen Privatklinik, die von Professor Dr. Robert Kemm geleitet wird: „Klein von Statur, aber sein Gehirn wiegt soviel wie das von Albert Einstein. Kemm der Große hat den härtesten, größten und dicksten Schädel der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie. Er kann damit denken, anderen Leuten imponieren und so­gar durch Wände gehen. All das tut er ziemlich häufig.“ Aber Kemm hat auch eine Schwachstelle. Er kann schönen Patientinnen auf Dauer nicht widerstehen. So nimmt das Unheil seinen Lauf. Der „Papst der deutschen Seelenheilkunde“ verfällt der ihn raffiniert in die Liebesfalle lockenden Brigitta und sichert ihr ein sie entlastendes Gutachten zu. Er will Der Richter in Weiß sein, an dessen scharfsinniger Analyse es nichts zu deuteln gibt – von niemandem. Doch der sich auch in diesen Fall hartnäckig verbissene Hauptkommissar Paul Trimmel hat letztlich die bessere Karte, den unwiderlegbaren Beweis nämlich, dass Brigitta Beerenburg ihren Mann bei klarem Verstand kaltblütig ge­tötet hat.

Fortan ein ge­fragter Drehbuchautor

Der Richter in Weiß, im Frühjahr 1971 als Buch veröffentlicht, wird noch im gleichen Jahr als „Tatort“ Nummer 11 (10. Oktober 1971) mit Erika Pluhar als Bri­­gitta Beerenburg, Helmut Käutner als Professor Kemm und dem Münchner Strafverteidiger Rolf Bossi als Brigittas Anwalt ausgestrahlt.

Einen Monat zuvor war schon Friedhelm Werremeiers vierter Trimmel-Fall Ohne Landeerlaubnis auf dem Bildschirm zu sehen (AE 612 – Ohne Landeerlaubnis), gleich nach der nun auch als „Tatort“ eingegliederten Verfilmung von Ich verkaufe mich exklusiv.

In diesem Jahr etabliert sich Werremeier als fortan ge­fragter Drehbuchautor.

Für mehr als 100 Fernsehspiele und Serien schreibt er von 1971 bis 2001 die Bücher, u.a. für „Hamburg Transit“, „Ein Fall für Stein“, „Kläger und Beklagte“, „Es muss nicht immer Mord sein“, „Alles Glück dieser Er­de“, „Peter Strohm“, „Großstadtrevier“ und „Verbrechen, die Geschichte machten“.

Die Fernsehspieldramaturgie übernimmt er jetzt auch für seine weiteren Trimmel-Romane. Sie entstehen ohne­hin zumeist parallel zu den jeweiligen „Tatort“-Folgen.

tatort-ohne_landeerlaubnis_-_rowohlt_01Ohne Landeerlaubnis liest sich dann auch wie ein Drehbuch. Da wird von über Mailand hinweg donnernden Düsenmaschinen auf den Protagonisten Max Bergusson geschnitten, und gleich weiter auf den Libanesen Ra­cadi, der Bergussons Frau auf dem Gewissen hat. Sie ist bei einem von Racadi initiierten Bombenattentat um­ge­kommen. Bergusson will ihren Tod rächen. Er folgt dem Attentäter in den Flieger: „Nach Beirut!, sagt der Lautsprecher im Mailänder Flughafengebäude. Die Bo­ing 727 startet. – Nach Hamburg! sagt der Mann mit der Pistole, der ins Cockpit eingedrungen ist. – Nach Bei­rut! sagt der andere Mann, der sich, mit einer Stewardess als Geisel, gegen seine Entführung wehrt.“

Der Rückseitentext umreißt den Plot des heute wieder neu aktuellen Thrillers, der die Aktivitäten einer arabischen Terrorzelle in Hamburg zum Thema hat und darüber hinaus Spotlights auf die damalige Szene wirft: „Schließlich gibt es diesseits der Elbe, in einer der Seitenstraße der parallel zur Außenalster laufenden Sierichstraße, in einer ehema­ligen hochherrschaftlichen Villa, Sex, Hasch und Whisky à Gogo. Jede Menge Fleisch, jede Menge Rausch. Eine richtige Orgie, für jedes Temperament etwas. Auf einem Tischchen tanzen vier Flaschen und ein Mädchen. Das Mädchen hat es sich in den Kopf ge­setzt, sich zu den Klängen von ‚Soft Maschine‘ nackt auszuziehen.“

Lang­jährig in Hamburg Ansässige nicken bei dieser Passage versonnen und murmeln Adresse und Etage – nicht im­mer die gleiche, aber das Viertel stimmt schon. Und sie erinnern auch das reale Geschehen, das Werremeier seinem Trimmel als raffinierten Trick zu­schreibt, um den Attentäter Racadi auf deutschem Bo­den festnehmen zu können: 1967 verwechselt ein Pilot eine Landebahn des Internationalen Flughafens in Fuhls­büttel mit der zum damaligen Zeitpunkt nur 1360 m langen Landebahn von Hamburg Finkenwerder und bringt die Maschine ge­rade noch vor dem Ende der Bahn zum Stehen. Trimmel resümiert: „Eine nicht mal zur Hälfte besetzte Boeing 727 kann ohne allzu großes Risiko in Finkenwerder landen … Aber wenn er (Bergusson) den Captain zwingt, bis zur äußersten Ecke der Landebahn zu rollen – dann kann sie vermutlich nicht wieder starten!“

Friedhelm Werremeier wohnt seit vielen Jahren in Bad Bevensen. Das Haus macht von außen den Eindruck ei­ner Festung. Links ein turmähnliches Gebilde, beim Näher- kommen bemerkt man, dass sich das Gebäude dahinter noch zur Seite hin fortsetzt. Nach rechts erstreckt sich eine lange Front mit nur einem Eckfenster, bei dem die Jalousie heruntergelassen ist. An einigen Stellen rankt Grün an der hellweißen, grob verputzten Fassade em­por. Ein dunkelblauer und ein hellblauer Streifen verlaufen dicht nebeneinander, bilden Winkel und gehen über in ein Vordach, unter dem die Eingangs­tür liegt. Innen ist alles Licht durchflutet, hell. Die Räu­me sind mit küh­ler Eleganz eingerichtet. Weiße Marmorfliesen, wert­volle Teppiche und ein großzügig und übersichtlich gestalteter Arbeitsplatz. PC, Drucker, Telefon, gestapelte Ma­nuskripte und eine Handbücherei. Sein Archiv hat Werremeier im Parterre des Hauses gelagert. Es sind weit über 1500 Akten – Gerichtsprotokolle, Gutachten und Aussagen von Tätern und Zeugen. Aber auch Berichte und Reportagen über spektakuläre Vorfälle. Es sind Ma­terialien für die Trimmel-Romane.

tatort-noch-ein_ekg_fuer_trimmel_-_rowohltDer erste deutsche Organspenden-Kriminalroman

Trimmels fünfter Fall, Ein EKG für Trimmel, beginnt mit einem Gang zum Arzt. Trimmel hat beim „99. Zug aus einer schwarzen Zigarre“ ein „Herzstolpern“ regis­triert. Dr. Frerichs, den er „auf einer Party seines Freundes, des Biologen Dr. Georg Lippmann, kennen ge­lernt“ hat, macht ein EKG und präsentiert ihm das Ergebnis: „Ex­trasystolie – davon gehen wir aus. Aber außerdem, hier – links unter den Zahlen: Linkshypertrophie. Grö­ße – und Gewichtszunahme Ihres Herzens. Übermä­ßige Inanspruchnahme. Ihr Bier, Sie Saufpolizist. Und wenn ich dazu noch Ihre geschwollene Leber nehme … Also ehrlich, auch wenn ich mich wiederhole, den Saufpolizisten können Sie wörtlich nehmen!“ – „Schönen Dank auch für Ihren Charme“, sagte Trimmel. „Hamse den von Ihrem Computer?“ … „Er gehört nicht mir, sondern der Gesundheitsbehörde, und er steht in der Fontenay.“ – „Aber so schnell kann doch …“ Dr. Frerichs resignierte. „Löchern Sie mich nicht ewig, ich hab zu tun … Ihr EKG wird von hier aus in die Fontenay überspielt, per Telefon; der Computer wird mit Ihren Werten gefüttert. Ihre wichtigsten Daten und Herzschläge. In ein paar Se­kunden hat er dann seine Diagnose gestellt und hämmert sie über Telefon zurück hier in die Spezialschreibmaschine …“ – „Verrückt!“, stotterte Trimmel.“ Aber er weiß nun zumindest von der Existenz eines solchen Com­pu­ters und wird im Verlauf eines dann aufzuklä­renden Mor­des auch erfahren, was dieser „Mike“ genannte Apparat sonst noch gespeichert hat – unter anderem, wo todgeweihte Menschen auf eine Nierentransplantation warten und welche Faktoren hinsichtlich der Gewebeverträglichkeit jeweils gegeben sind.

Ein EKG für Trimmel, 1972 veröffentlicht, ist der erste deutsche Krimi, der den illegalen Handel mit Trans­plantaten thematisiert.

tatort-noch-platzverweis-1887169f71„Ich war ja mehrfach aktueller als aktuell“, sagt Werremeier in einem Gespräch mit dem damaligen Herausgeber von Ullsteins Gelben Krimis, der Schwarzen Serie und der Polit-Thriller bei Bastei, Kritiker und TV-Autor Martin Compart. „Das beste Beispiel ist Platzverweis für Trimmel (Trimmel Nummer 6) – irgendwann hab’ ich mal mit einem Sportredakteur zusammen gesessen und gesagt, wo derartig viel Geld umgesetzt wird wie in der Bundesliga, müssten ja eigentlich auch krumme Din­­ger laufen. Und dann haben wir die Story entwickelt, ich hab’ den Roman geschrieben und unmittelbar vor seinem Erscheinen (Oktober 1972) kam als erstes diese Riesenschweinerei mit Kickers Offenbach und danach der ganze Skandal hoch.“

Sport oder Umweltschutz, Skandal überall

Zur Erinnerung: In der Fußball-Bundesligasaison 1970/71 sichern sich die Klubs von Rot-Weiß-Oberhausen und Arminia Bielefeld aufgrund manipulierter Punkt­spiele einen Tabellenplatz in der 1. Bundesliga. Bei den vom DFB-„Chefankläger“ geführten Er­mittlungen wird festgestellt, dass unter anderem auch das Bundesligaspiel Arminia Bielefeld – Schalke 04 vom damaligen Schalker Vorstand und von den Spielern „verkauft“ wor­den ist. Die Mannschaft von Hertha BSC ist mit 15 involvierten Spielern der am meisten betroffene Verein. Insgesamt wurden 52 Spieler, zwei Trainer (Arminia Bielefeld, und Rot-Weiß Oberhausen) sowie sechs Vereinsfunktionäre bestraft. Außerdem wird den Vereinen Arminia Bielefeld und Kickers Offenbach die Bundes­ligalizenz entzogen.

Einen Monat vor der Ausstrahlung der „Tatort“-Fol­ge Platzverweis für Trimmel im August 1973 – der norddeutsche „Bullerkopp“ ist nach den bis dato fünf Auftritten trotz oder gerade we­gen seiner ständigen Übel­lau­nigkeit zum beliebtesten Fern­seh-Kommissar der Nation geworden – legt Werremeier schon einen weiteren, hoch­brisanten Roman vor: Trimmel macht ein Fass auf. Er wird in der Zeit von dem damaligen Filmkritiker Hans C. Blumenberg ge­priesen: „Das Fass, das Trim­mel aufmacht, erweist sich bald als veritable Büchse der Pandora. Auf einer Müllkippe findet die Kripo neben einer barfüßigen Leiche einen Haufen von vorschriftswidrig deponiertem Industrieabfall; genug Gift, um die gesamte Bevölkerung von Hamburg auszurotten.

Zwei Firmen kom­men ins Spiel, eine in Kiel, eine in Hamburg, die mit der doppelten Um­weltverschmutzung zu tun ha­ben. Bei einer Leiche bleibt es nicht, der bärbeißige Trim­mel und seine Mannen bekommen allerhand zu tun. Wie Ross McDonald in seinem schönen neuen Buch ‚Sleeping Beauty‘ begreift auch Werremeier die Zerstörung der Natur als brutalstes aller Verbrechen. Doch während dem gro­ßen amerikanischen Erzähler eine Ölpest vor der Küste von Südkalifornien zum An­lass einer düsteren End­zeitvision wird, bleibt Werremeier ganz der Un­schein­­bar­keit seiner garstig banalen Alltagsgeschichte verpflichtet. Die präzise Lakonie seines Stils, angesiedelt irgendwo im Nie­mandsland zwischen Alfred Döblin und Mickey Spillane, suggeriert immer wieder die fatale Wirklichkeits­nähe der Intrige. Trimmel bleibt bei der Sache: konkret, plastisch und eindrucksvoll realistisch geht der Fall über die Bühne.“

Kollege Beileid

Nach wie vor ist Trimmel derjenige, der die Morde und Intrigen, die Vertuschungen aufdeckt und dabei wei­t­ge­hend allein arbeitet. Von seinen Ermittlungen in Leipzig zum Beispiel weiß niemand im Präsidium, und auch den Fall Brigitta Beerenburg hat er ohne Mithilfe seiner Mann­schaft gelöst. Aber natürlich hat er als Leiter der Kriminalgruppe 1 einige Mitarbeiter, die sich von Fall zu Fall mehr profilieren.

Am längsten ist Petersen in seiner Abteilung, ein küh­ler Hanseat mit randloser Brille, in den „Tatort“-Folgen dargestellt von Ulrich von Bock. Petersen ist ein guter und geduldiger Arbeiter mit einem phänomenalen Ge­dächtnis. Er ist jedoch bei allem ausgesprochen pingelig und zweifelsfrei völlig humorlos. Letzteres macht ihn zum idealen Überbringer von Todesnachrichten. Gelegentlich nennen ihn seine Kollegen „Herr Beileid“ oder auch „Leichenbitter“.

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Ganz anders ist Kriminalhauptkommissar Edmund Höffgen (in den „Tatort“-Folgen kongenial von Edgar Hoppe verkörpert). Er ist Trimmels Stellvertreter, und Trimmel hält große Stücke auf ihn. Höffgen übernimmt zumeist die „Laufarbeit“. Mit ihm ist man in ganz Hamburg unterwegs und quer durch sämtliche Bevölkerungs­schichten. Höffgen hat für jede Spezies Mensch ein offenes Ohr und einen flotten Spruch parat.

Doch später, im zehnten Trimmel-Roman, dreht Höff­gen durch.

Vorerst aber hat Trimmel einige Fälle zu lösen, deren Aufklärung sich über ein Berufsjahr erstreckt. Treff mit Trimmel (März 1974) beinhaltet fünf jeweils in sich ab­geschlossene Geschichten – Eine Leiche schreit um Hilfe, Bitte lügen Sie wie folgt, Ein Todesfall in der Fa­milie, Mörder auf dem toten Gleis und die Titelstory –, die „nur ganz gelegentlich zwanglos miteinander verzah­nen“. Es ist Friedhelm Werremeiers erster Story-Band, vermutlich auf Bitte des Verlags zusammengestellt, um sowohl im Frühjahr wie im Herbst einen „Trimmel“ im Programm zu haben.

Im Oktober 1974 erscheint dann auch wieder ein Roman: Trimmel und der Tulpendieb. Um was es geht, kann mit wenigen Sätzen erzählt werden. In Hamburg wird ein Geldtransporter überfallen. Die Täter flüchten auf eine holländische Insel. Als die Polizei sie dort aufspürt, nehmen sie Insel-Besucher als Geiseln.

tatort-noch-tulpendieb-172e227782Friedhelm Werremeier schreibt zu diesem Krimi ein Vorwort: „Trimmel, sagen mir seit langem holländische Kollegen, hat im Land der Grachten und Tulpen so viele Freunde, dass es möglich sein sollte, gelegentlich einen seiner Fälle auch nach Holland hinüberspielen zu lassen. – REM, sagten mir, unabhängig davon, holländische Fernsehleute, ist ein ehemaliger Fernseh-Privatsender in der Nordsee, der einzige in der Welt offenbar – ein Un­ter­neh­men mit einer ‚unbewältigten Vergangenheit‘. Ob es nicht aus von hier aus möglich sein sollte, vor dem Hintergrund dieser Vergangenheit, dem Hintergrund des dort wie bei uns heftig umstrittenen privaten Fernsehens, und mit REM als Kulisse, einen Roman mit Paul Trimmel in den Niederlanden anzusiedeln? – Doch, es war möglich. Und mir zumindest hat es Spaß gemacht, Trimmel bei der Aufklärung eines ursprünglich in Hamburg geschehenen Verbrechens auf die Reise nach Ams­terdam und Noordwijk zu schicken, mit Dienstreisegenehmigung natürlich, und ihn zeitweise sogar in ein Boot und auf die Nordsee verfrachten zu lassen. Natürlich habe ich dabei versucht, ihm nach Kräften zu helfen, sich auf dem für ihn fremden Territorium gut zu schlagen und zurecht zu finden, und ich hoffe von Herzen, dass es ihm und mir gelungen ist, – auf jeden Fall ist auch dieses Buch ein Roman, ein Roman immerhin vor einem realen Hin­tergrund aus Stahl und Beton. Insofern sind dann auch Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen nur dann zufällig, wenn sie nicht gerade – und augenscheinlich – beabsichtigt sind. – Bei der Realisierung dieser meiner Arbeiten schließlich hat mir mein Freund Peter Schulze-Rohr, der bisher sämtliche Romane mit Paul Trimmel für den Norddeutschen Rundfunk verfilmt und jeweils auch gemeinsam mit mir die Drehbücher ge­schrie­ben hat, sehr geholfen. Gleich von der Grenze an.“

1975 gibt es keinen neuen „Trimmel“ – nicht als „ro­roro thriller“ und auch nicht als „Tatort“. Trimmel und der Tulpendieb wird erst im Oktober 1976 ausgestrahlt.

Stattdessen veröffentlicht Friedhelm Werremeier das in der Tradition von Truman Capote („Kaltblütig“), Nor­man Mailer („Gnadenlos“) und Ed Sanders („The Fa­mily“) geschriebene 399-seitige Faction Buch Der Fall Heckenrose.

Es ist die Geschichte des 1952 in Eberswalde geborenen Kochlehrlings Erwin Hagedorn, der im Mai 1969 zwei neunjährige Schüler und im Oktober 1971 einen zwölfjährigen Jungen im gleichen Waldstück in Eberswalde auf grausame Weise ermordet. Nach groß angelegten Ermittlungen wird Hagedorn im November 1971 festgenommen und vom 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Frankfurt (Oder) zum Tode verurteilt. Ein von Hagedorns Eltern eingereichtes Gnadengesuch lehnt der da­malige DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht ab. Der 20-jährige Erwin Hagedorn wird im September 1972 in der Strafvollzugseinrichtung Leipzig durch ei­nen „un­erwarteten Nahschuss“ mit der Pistole in den Hinterkopf hingerichtet. Die Exekution ist die letzte Hinrichtung nach zivilem DDR-Strafrecht.

Werremeiers Interesse an diesem „sadistischen Kinder­mörder“ hat mit seiner ersten größeren Recherche Mitte der Sechziger Jahre zu tun, dem „Fall Jürgen Bartsch“, den er als Reporter beinahe noch vor dem Zugriff der Kripo aufgeklärt hat. Auch darüber hat er ein – heute als Standardliteratur geführtes – Buch ge­schrieben: Bin ich ein Mensch für den Zoo? (1968). Die Biografie des pädophilen Serienmörders Bartsch weist gespenstische Parallelen zum Eberswaldener Egon Ha­gedorn auf.

Katastrophaler Abstieg und Ende eines Kollegen

Dann aber tritt Paul Trimmel wieder in Erscheinung – am ersten Freitag eines schwülen Juli: „Natürlich wird ausgerechnet in dieser Stunde auf hamburgischem Bo­den eine Leiche gefunden, und die lieben Kollegen, die nicht ganz so präzise wie Höffgen auf die Uhr gesehen haben, sind die Gelackmeierten. Petersen, der seinen seit drei Tagen überfälligen Bericht über einen abgeschlossenen Fall endlich vom Tisch haben wollte, schreibt ihn auch heute nicht zu Ende, und Trimmel sagt, so­bald er Einzelheiten am Telefon erfahren hat, dass sich diese Leiche auch noch am Montag hätte finden lassen können. – ‚Jeder Mensch hat ein Anrecht auf pünktliche Be­erdigung‘, gibt Petersen zu bedenken. Aber Trim­mel, noch die Hand am Telefonhörer, teilt ihm mit: ‚Es ist eine Art Skelett …‘ – ‚Dann allerdings‘, gibt Petersen zu.“

tatort-noch-haende-hoch-aad3dd8b30Hände hoch, Herr Trimmel (April 1976) erzählt vom katastrophalen Abstieg und Ende des Kollegen Höffgen. Er ist einer Betrügerin hörig, die selbst zur Betrogenen geworden ist und nun völlig blank dasteht. Um ihr zu helfen, das ihr abgeluchste Geld wieder zu beschaffen, wird Trimmels Stellvertreter kriminell. Er besorgt sich eine nicht registrierte Pistole, er lügt und fälscht Berichte und will nur noch eins: Die heiß Geliebte für immer an sich binden. Trimmel wittert, was bei Höffgen Sache ist. Er spioniert ihm nach, und der letztlich von ihm in die Enge getriebene Höffgen richtet die Waffe auf seinen Chef: „Hände hoch, Herr Trimmel!“

Zwar kommt Trimmel mit heiler Haut davon, aber Höffgen macht sich vom Acker.

Es ist der Roman eines „klassischen Vater-Sohn-Kon­flikts“, schreibt der Krimikritiker Rudi Kost in seinem „Kabinett der Detektive“ Buch „Was ist los mit Trimmel? – „Höffgen fühlte sich von Trimmel, der seine Zuneigung nur unbeholfen zeigen konnte und es deshalb lieber gleich unterließ, in der Hoffnung, dass der Junge seine, ja doch: seine Liebe spüren musste – Höffgen fühlte sich schikaniert und misshandelt und er hatte das Empfinden, er könne sich mit seiner wahnwitzigen Aktion an diesem widerwärtigen Trimmel rächen. Ir­gend­wie war also doch Trimmel schuld, der Mensch Trimmel mit seinen Unzulänglichkeiten, und fortan häuften sich bei ihm die depressiven Phasen …“

Im elften „Trimmel“ hat er aber dennoch genügend Biss.

Ein Sexualmörder hält Hamburg in Atem. Vier junge Frauen werden am Rande der Stadt überfallen und müssen sterben. Alle unter ähnlichen Umständen. Mit Con­ny Schiefelbeck, der nach dem letzten Mord ins Netz der Polizei läuft, scheint der Täter gefunden zu sein. Aber so leicht ist Schiefelbeck durch Indizien nicht zu überführen – zumal der Staranwalt Roland Zanck die Verteidigung übernimmt.

tatort-trimmel_haelt_ein_plaedoyer_-_rowohlt_01Es knirscht mit dem Verlag

Trimmel hält ein Plädoyer erscheint im Oktober 1976 wie alle bisherigen „Trimmel“ in der von Richard K. Flesch („Leichen Flesch“) herausgegebenen „rororo thriller“-Reihe. Doch diesmal fällt Werremeier, der vorher seine gedruckten Romane immer nur flüchtig durchgeblättert hat, zufällig etwas auf. In dem Taschenbuch fehlt eine Dialog-Passage: „Sie erinnern sich, dass da einer Ihrer Kollegen gefeiert worden ist, weil er einen glatten Freispruch erzielt hat? Weil er eins von diesen typischen überzogenen In-dubio-pro-reo-Gerichten ge­funden hatte, das dusselig genug war, um ihm seine idiotischen letzten Zweifel für den Angeklagten abzukaufen? Oder haben Sie mal von dem Fall gehört, wo drei Rocker einen Limonadenhändler so gepiesackt hatten, dass er daran zugrunde ging – zu deutsch, dass sie den Mann zu Tode gefoltert hatten?“ – ‚Den Fall‘, sagt Zanck, ‚hat ein lieber Freund von mir gemacht. Der Freispruch war berechtigt.‘ – ‚So, war er?‘, fragt Trimmel erregt. – ‚Er war‘, sagt Zanck entschieden. – ‚Er war nicht!‘, schreit Trimmel. ‚Und das wissen Sie so gut wie ich!‘ – Zanck bleibt direkt vor ihm stehen. ‚Kennen Sie vielleicht den Fall, in dem die Polizei zwei Jugendliche festgenommen hat, die angeblich ihre Schule samt Hausmeister verbrannt hatten?‘ – ‚Das war nicht in Hamburg!‘ – ‚Nein, nein, das war in Stuttgart! Aber die Jungs waren es nicht gewesen, nachweislich nicht, wenn Sie sich recht erinnern … Da gab’s am Ende einen ganz anderen Täter …‘ – ‚Na, und?‘ – ‚Den Fall habe ich ge­macht‘, sagt Zanck. ‚Und wenn ich diese Lauselümmel nicht frei gekriegt hätte, säßen sie heute unschuldig und außerdem viel zu lange im Knast, was einem gerade in Stuttgart sehr leicht passieren kann, und der richtige Strolch würde heute noch frei herumlaufen.‘ – ‚Tatsache ist doch‘, behauptet Trimmel, ‚dass es Ihnen völlig egal ist, ob’s einer gewesen ist oder nicht – Hauptsache, Sie kriegen Ihr billiges Urteil.‘“

Zwischen Werremeier und dem Verlag kommt es fortan zu sich mehr und mehr verschärfenden Konflikten – nicht allein aufgrund gestrichener Textstellen und auch nicht autorisierter Neuformulierungen.

Werremeier und weitere Krimiautoren des Rowohlt Verlags fordern eine bessere Honorierung. Sie vereinbaren ein „konspiratives Treffen“: „Hansjörg Martin muss da federführend gewesen sein, denn in dessen Haus fand das erste Treffen statt. In Wedel, in Holstein, traf man sich. Da haben wir gesagt, unser Verlag bescheißt uns: 3.000 DM, 5.000 DM für einen ganzen Roman, das ist viel zu wenig – inzwischen waren ja auch ein paar Auflagen ein bisschen höher gekommen –, jedenfalls wollten wir Hardcover und mehr Geld haben. Wir haben diese Forderungen kodifiziert, eine Delegation trug das im Verlag vor, dann gab es ein Treffen, wieder in Wedel, wo die versammelten Autoren Herrn Dr. Wegner (Verlagsleiter) und Herrn Flesch zum Essen eingeladen hatten. Und wer nicht kam, war Flesch, der hatte einen Ha­sen tot gefahren und lag in der Badewanne und kühlte seine Wunden. Also der Wegner kam allein. Und nach der Suppe sagte der Wegner: ‚Also, Freunde‘ – so richtig Kumpel – ‚Freunde, ihr habt ja recht, und wir haben beschlossen, wir machen jetzt Hardcover und ihr kriegt erstmal 7.500 DM, dann wollen wir mal weitersehen. Können wir jetzt zum Hauptgang übergehen?‘ Ja. – Da wurde der Hauptgang aufgetragen und ich sagte zu meinem Freund Philipp (Hansjörg Martin): ‚Philipp, der Arsch geht an die Theke und bezahlt.‘ Und er: ‚Wir ha­ben den doch eingeladen.‘ – Ich nochmals: ‚Der geht an die Theke und bezahlt.‘ Und Philipp: ‚Dann soll er doch bezahlen.‘ – ‚Nee‘, sag ich, ‚dat nu nich.‘ Ich bin an die Theke gegangen, Wegner schrieb gerade einen Scheck aus, und da hab ich gesagt: ‚Herr Dr. Wegner, Sie erlauben?‘ Hab ihm den Zettel aus der Hand genommen und hab ihn zerrissen und gesagt: ‚Nehmen Sie doch bitte wieder Platz! – Das war der Anfang vom Ende zwischen Werremeier und Ro­wohlt.‘“

Bis zum endgültigen Bruch aber verstreicht noch ei­nige Zeit.

tatort-trimmel_hat_angst_vor_dem_mond_-_rowohlt_01Werremeiers letzter Titel in der „thriller“-Reihe er­scheint: Trimmel hat Angst vor dem Mond – drei Storys (Ein Psychiater auf dem Kriegspfad, Der Mann, der die Sonne anhielt und die Titelstory), in denen Trimmel sei­ne heimliche Liebe zur Psychiatrie beruflich zu nutzen versucht, mit dem Erfolg, „den ihm auch menschlich sym­pathischen Psychiater Dr. Walter Lorff um Hilfe bei der Aufklärung kapitaler Verbrechen zu bitten.“

1980 kommt schließlich das zugesagte Hardcover auf den Markt: Trimmel und Isolde. Die Tochter eines be­rühmten Wagner-Interpreten wird tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Auf dem eingeschalteten Plattenspieler liegt „Tristan und Isolde“. Trimmel ist sich anfangs sicher: Nur ihr Exmann Bothüter kann es gewesen sein. Doch der Fall ist wesentlich verzwickter. Er endet – wie viele andere Trimmel-Fälle – im Gerichtssaal: „Unten auf der Straße steht ein schlaksiges, zehnjähriges Mäd­chen in Jeans und mit roten Rosen. Isolde Bothüte

Frank Göhre, 2009

Dieser Text erschien als Nachwort in dem inzwischen vergriffenen Buch: Friedhelm Werremeier: Trimmels letzter Fall.  Bielefeld: Pendragon 2009. 232 Seiten. 9,90 Euro. Hierzu  CrimeMag-Kritik von Joachim Feldmann.

Am 28. November 2016 kommt eine Tatort-Trimmel-Box mit 4 DVDs auf den Markt. Infos hier. Viele Einzelheiten zu den Tatorten und auch zu Trimmel versammelt der Tatort-Fundus.

tatort-kommissar-trimmel-box-dvdDie Trimmel-Tatorte bei Tatortfans:

Tatort Folge 141: Trimmel und Isolde

Tatort Folge 112: Hände hoch, Herr Trimmel!

Tatort Folge 086: Trimmel hält ein Plädoyer

Tatort Folge 067: Trimmel und der Tulpendieb

Tatort Folge 042: Gift

Tatort Folge 032: Platzverweis für Trimmel

Tatort Folge 021: Rechnen Sie mit dem Schlimmsten

Tatort Folge 011: Der Richter in Weiß

Tatort Folge 010: AE 612 ohne Landeerlaubnis

Tatort Folge 009: Exklusiv

Tatort Folge 001: Taxi nach Leipzig

 

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