Geschrieben am 25. Februar 2010 von für Musikmag

Die Sterne: 24/7

Die Sterne: 24/7Tanz das Syndrom

Die Sterne sind immer noch die Garanten für die etwas andere, für die stilvolle Systemkritik. Von Tina Manske

Nur weil man nicht tanzen kann, heißt das noch lange nicht, dass man es bleiben lassen soll. Wer den langen Lulatsch Frank Spilker schonmal auf der Bühne gesehen hat, weiß, was ich meine. Auf dem jüngsten Sterne-Album „24/7“ gibt es jedenfalls jede Menge Anlässe, um zu tanzen. Und je länger und öfter man sich die Platte anhört, desto auffälliger wird, dass der Sound der Sterne sich gar nicht sooo sehr geändert hat, wie man das hier und da behauptet. Funk war schon immer die Grundzutat in den Songs dieser Band, und Stücke wie „Life In Quiz“ oder „Convenience Shop“, aus dem auch der Albumtitel stammt, sind pure Funk-Disco – die Gitarre bleibt die meiste Zeit im Schrank, dafür gibt es jede Menge billige und nicht so billige Soundeffekte, Echos, Hallhallhalligalli …

Wenn man aber Tanzmusik macht, heißt das noch lange nicht, dass man darin nicht auch Inhalte verpacken kann. Die Sterne sind immer noch die Garanten für die etwas andere, für die stilvolle Systemkritik: „Es liegen tausend Leichen in der Stadt der Reichen/ es müssen Berge weichen für die Stadt der Reichen/ aus dem Weg, ich möchte investieren“, groovt es in „Die Stadt der Reichen“, und der schon erwähnte „Convenience Shop“ beschäftigt prekäre Verhältnisse: „Auch wenn du ein Arschloch bist, wir haben für dich auf, 24/7“ – also rund um die Uhr.

Verweigerung und Umarmung

Wie schon bei „Irres Licht“ ist auch hier wieder mindestens ein Gospel-Song unter den Tanzliedern versteckt (wenn man „Gib mir die Kraft!“ noch dazuzählt, sind’s sogar zwei). Er heißt „Ein Glück“, Spilker wird darin von wenig mehr als einer Wandergitarre begleitet, und es spricht für die Unbändigkeit der Hamburger, dass der Refrain, nach der Aufzählung kleiner Glücke („eine Woche ohne Sorgen“) mit einem handfesten sexuellen Wunsch endet.

Auch die richtig großen Momente gibt es immer noch: Wie die auf den ersten Blick unspektakuläre Single „Deine Pläne“ im letzten Teil durch den exzessiven Einsatz von Keyboard-Flächen plötzlich von Nüchternheit in taumelnde Melancholie kippt, das ist fein und überwältigend gemacht, genau wie das Piano in „Neblige Lichter“ oder das albern-geniale, als Zugabe gelieferte „Passwort“. „Erklärt’s euren Kindern/ Ich wechsel den Schritt, ich mache nicht mit“ – Verweigerung hat bei den Sternen immer was von einer liebevollen Umarmung, denn mitmachen tun sie ja eben doch. Sie tanzen nur das gewisse Etwas aus der Reihe. Und der dreiste Klau beim „Pass This On“-Video von The Knife sei ihnen verziehen.

Tina Manske

Die Sterne: 24/7. Materie Records (Vertrieb: Rough Trade).

Homepage