Geschrieben am 20. Oktober 2012 von für Bücher, Crimemag

Thomas Wörtche zur Neu-Übersetzung der Bond-Romane

Nach dem Nachtisch Mark

– Der Cross Cult-Verlag betreibt Traditionspflege, lässt Ian Flemings James-Bond-Romane neu übersetzen und liefert damit die Bücher zum Film. Von Thomas Wörtche

Im Moment gibt es kein Entkommen vor James Bond. Selbst auf den Türmen am Potsdamer Platz sind Riesenprojektionen von Daniel Craig als 007 in „Skyfall“ zu sehen, dem aktuellen James-Bond-Film, und 007-Product-Placement-Werbung dröhnt aus allen medialen Kanälen. James-Bond-Quiz, James-Bond-Fan-Bücher, James-Bond-Franchising all überall. Ist okay, Brot & Spiele im ironischen Modus, und außerdem sind cineastische Grobmotoriker wie ich immer dankbar, wenn’s im Kino kracht und knallt und boys ihren Spaß mit den toys & girls haben. Für kulturwissenschaftliche Auslegungen wären wir in diesem Fall mal gerne nicht zuständig, aber …

Werbung für den neuen James Bond Skyfall am Beisheim Center

… aber

Verlegerisch gesehen sinnvoll ist es natürlich, ausgerechnet in diesen Hype noch ein Bond-Produkt einzuschießen. Der ansonsten für Comics bekannte Cross Cult Verlag möchte die guten alten James-Bond-Romane von Ian Fleming erstmals ungekürzt und neu übersetzt dem deutschen Lesepublikum zugänglich machen und startet mit „Casino Royale“ (1953), „Live and Let Die“ (1954) und „Moonraker“ (1955) – im November soll es mit „Diamonds are Forever“ (1956) weitergehen.

Die Paratexte setzen keinesfalls auf den „literarischen Fleming“, sondern klinken sich bruchlos in die Film-Schiene ein: Schöne Retro-Cover, die Michael Gillette für die Penguin-Jubiläumsausgabe von 2008 geschaffen hatte und die paradoxerweise mit einer ’60s-Ästhetik aufwarten, die für den Film-, aber nicht den Prosa-Bond relevant sind. Dazu ein ziemlich unfugiger Blurb bei „Moonraker“ („Was James Bond in diesem Roman durchmacht, lässt die Filme im Vergleich dazu zum Kasperle-Theater werden“, Danny Morgenstern, Autor James Bond XXL), der (neben der betrüblichen Tatsache, dass das Bond-Fanbuch und Bond-Akklamations- und Claque-Gewerbe nicht unbedingt von der intellektuellen Speerspitze betrieben wird) ziemlich klar unterstreicht, dass auch ein Bond-Marktauftritt in literaricis heute ohne Film-Dominante vermutlich gar nicht möglich ist.

Warum?

Warum auch? Das Schöne an Bond-Filmen ist, dass man alle Implikationen fröhlich ignorieren kann. Die grundsätzlich ironische, gebrochene, schräge, tongue-in-cheek-Haltung, die märchenhaften Gadgets, der Luxus, die Edel-Marken, das „Weltläufige“, die schönen Frauen und strammen Kerle (mal mit höheren, mal mit niedrigeren Virilitäts-, Charme- und Ironiefaktoren ausgestattet) erlauben einen entspannten Kino-Abend, camp, als habe Susan Sontag das Phänomen gerade eben erfunden.

Die Romane von Fleming jetzt wieder – nach dem sie bei uns in gekürzten, nicht unbedingt beschwingt übersetzten Fassungen ihr Taschenbuchdasein lange gefristet und dann allmählich dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen waren – auszumotten, abzustauben und neu aufzupolieren, ist ein wackeres, hoffentlich wirtschaftlich erfolgreiches, aber ansonsten ziemlich – na ja – rätselhaftes Unternehmen.

… enthält den 52-seitigen Beitrag von Umberto Eco: „Die erzählerischen Strukturen in Flemings Werk.“

Die Ideologiekritik an Bond & Fleming haben Umberto Eco und Hans Christoph Buch in den Jahren 1969 und 1965 längst erledigt. Buchs treffender Aufsatztitel „James Bond oder der Kleinbürger in Waffen“ sammelt hübsche Beobachtungen zu den Romanen (und wirft mit viel dummem, borniertem Zeug über Genre-Literatur um sich) und Umberto Eco klambustert die Bauteile von Flemings schlichter Prosa vorbildlich auseinander, wobei den Zeichen-Theoretiker die Romane nicht so sehr interessieren wie ihre Funktionalisierbarkeit für eine Semiotik regelhaften Erzählens (auch kein Ansatz, mit dem man später allzu viel anfangen konnte und kann).

Was Buch und Eco so wie auch die zeitgenössische Rezensionslandschaft in den Romanen Flemings herauslesen, „Good living, sex and violent action“ (so das Times Literary Supplement), ist derart krass evident, dass auch die neuen Ausgaben daran nichts korrigieren oder feiner justieren könnten, au contraire, sondern nur noch unterstreichen: Bond-Romane sind aggressive Kalte-Kriegs-Bücher, rassistisch bis zum Anschlag, misogyn, sadistisch, ideologisch, homo- und xenophob, nationalchauvinistisch und bei allem angeblichen Glamour zutiefst spießig und kleinbürgerlich. Also die 1950s pur, egal, wie sehr realpolitische Kontexte eingeflossen sind, die gar nichts entschuldigen. Fleming ist ein naher Verwandter des McCarthy-Lautsprechers Mickey Spillane – und anscheinend gibt es ein für die widerwärtigen Aspekte dieses Typus von Autor gleichermaßen indolentes Fandom, was vermutlich mit der Wertewelt der Romane zu tun hat: Kleinbürgerlicher Mainstream nicht nur jener Zeit, ohne Brechungen, ohne Polyvalenzen, ohne jede Art von (gar subversiver) Komik.

Cover der Erstausgabe von Casino Royal

Langeweile

Sichtbar an den neuen Ausgaben wird aber auch: Flemings Texte sind grauenhaft langweilig. „Casino Royale“ hat einen derart schlichten Plot, dass ein Regio-Grimmi komplex sein kann, dagegen. „Live and let die“ quält mit ellenlangen, unerträglichen Ausführungen über die Psyche und Mentalität des „Negers“, so wie „Moonraker“ Seiten um Seiten damit verbringt, Feinheiten irgendwelcher Kartenspiele zu erklären, bis man gähnend auf die nächste als kultiviert ausgegebene kulinarische Grässlichkeit wartet. An solchen Stellen allerdings werden die Romane immerhin unfreiwillig komisch: Wenn Bond das englische Essen als das beste der Welt (!!!!!) deklariert und sich sein Chef M als Höhepunkt eines mehrgängigen Dinners nach dem Dessert noch einen Markknochen zum Auslöffeln bestellt. Das sind die großen Momente der Romane …

Ansonsten hat man nach der Lektüre dieser Bücher immerhin wieder vor Augen, wie wichtig und großartig Leute wie Eric Ambler, Graham Greene, John Le Carré, Len Deighton, Ted Allbeury, Gavin Lyall. Brian Freemantle und Co. (um nur die Brits zu nennen) waren, die den Polit-Thriller zu großer und wichtiger Literatur des 20. Jahrhunderts gemacht haben – intellektuell und künstlerisch.

Für Ian Fleming bleibt die Rolle, die Vorlage für eine globale, populärkulturelle Ikone geschaffen zu haben, deren ideologische Implikationen völlig ent-semantisiert sind, die niemand ernstnimmt, die man ganz und gar altmodisch postmodern gucken kann.

Für Fans und Erstleser ist die Cross-Cult-Ausgabe ein nettes Accessoire, die Ur-Texte zusagen als Franchise-Produkt der aktuellen Bond-Industrie.

Thomas Wörtche

Hier geht’s zur Verlagsseite mit den Neu-Übersetzungen der Romane. Für das Foto vom Potsdamer Platz bedanken wir uns für die freundliche Genehmigung bei Johannes Bönisch. Cover-Collage: Cross Cult Verlag.

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