Geschrieben am 8. April 2015 von für Bücher, Litmag

Teju Cole: Jeder Tag gehört dem Dieb

Cole_24772_MR1.inddZwischen den Kulturen

– Der 1975 in New York geborene und in Nigeria aufgewachsene Teju Cole hat sich mit dem avancierten New York-Roman „Open City“ in die erste Riege der jungen amerikanischen Literatur geschrieben. Er gehört wie Ngozi Adichie, Junot Diaz oder Mohsin Hamid zu einer neuen Generation von Kosmopoliten und „Weltliteraten“, die zwischen den Kulturen pendeln und daraus einen scharfen Blick für die Differenz schöpfen. Von Karsten Herrmann.

In „Jeder Tag gehört dem Dieb“ kehrt Teju Coles namenloser Protagonist nach fünfzehn Jahren aus den USA zurück in seine (Zweit-) Heimat Nigeria und erlebt ein desolates Land voller Korruption, Vetternwirtschaft, Betrug, Armut und Gewalt – aber auch ein Land von „elementarer Anziehungskraft“.

Schon beim Visa-Antrag im nigerianischen Konsulat in New York muss der mit einer doppelten Staatsbürgerschaft ausgestattete Ich-Erzähler das erste Schmiergeld zahlen. Nahtlos geht es nach der ersten „Ekstase der Ankunft“ in Lagos mit korrupten Staatsbeamten auf dem Flughafen und auf den Straßen weiter. „Jeder hier ist käuflich, die allgemeine Resignation und Hilflosigkeit ist überall spürbar“.

In den folgenden Tagen registriert er die unzähligen Internet-Cafés, die Nigeria aus der Isolation geführt haben und nun für massenhaften Betrug genutzt werden. Er erlebt unfassbare, kalte Gewalt, als auf einem Markt ein Elfjähriger Dieb bei lebendigem Leib verbrannt wird. Und er trifft in Nigeria, einem Hot Spot des Sklavenhandels im 19. Jahrhundert, auf ein erschreckende Geschichtsvergessenheit: „in Lagos schlafen wir traumlos den Schlaf der Unschuldigen“.

Die fremd-vertraute Stadt Lago ist aber auch voller alter Freundschaften, „durchwebt von Erzählungen“ und „eine Stadt der Scheherazade“. Die überzeugendsten Lebenszeichen nimmt der Ich-Erzähler in der inmitten des Molochs punktuell überraschend kraftvoll blühenden Kunst und Kultur wahr.

„Jeder Tag gehört dem Dieb“ ist ein ganz offensichtlich stark autobiographisch gefärbtes Buch, das mehr essayistische Reisereportage denn Roman ist, als das es vom Verlag deklariert wird (wohl auch aus Marketing-Gründen). Teju Cole zeichnet in seiner eleganten Prosa ein ebenso faszinierendes wie schonungsloses Bild Nigerias und zeigt die Zerrissenheit des in seine Heimat Zurückgekehrten. Denn bei aller Kritik und moralischen Empörung wird zugleich dessen tiefe innere Verbundenheit mit dieser Stadt und diesem Land deutlich: „Hier ist das Leben, in all seinen stinkenden Details.“

Karsten Herrmann

Teju Cole: Jeder Tag gehört dem Dieb (Every Day is for the Thief, 2014). Aus dem Englischen von Christine Richter-Nilsson. Hanser Berlin, 2015. 175 Seiten. 18,90 Euro.

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