Unterhaltsame Sprachkunststückchen
– Sie nennen ihn „Monocle“. Ob der Koch, den alle nur „Rassisten-Dave“ nennen, eigentlich das schöne Wort „mortarboard“ meinte, mit dem sowohl ein Mörtelbrett als auch der typische Doktorhut, den sich Absolventen amerikanischer und britischer Unis zum erfolgreichen Abschluss aufs Haupt pflanzen, bezeichnet wird, bleibt ein Geheimnis. Es spielt auch keine Rolle. Mehr als einen blöden Spitznamen hat man nämlich nicht von einem Studium der englischen Literaturwissenschaft, wenn man mangels Alternative als Küchenhilfe arbeiten muss. Und bliebe es bei verbalen Peinigungen, könnte der ansonsten namenlose Ich-Erzähler in Simon Wroes tragikomischen Roman „Chop Chop“ ein halbwegs auskömmliches Leben führen. Doch über Dave thront Bob, ein ausgemachter Sadist, dem es großes Vergnügen bereitet, seinen Angestellten körperliches Leid zuzufügen. Mal verbrennt er ihnen mit einem heißen Löffel die Hände, mal sperrt er sie zur Strafe im Kühlraum ein. Aus diesem Grunde ist der Hass auf den Boss das Einzige ist, was die gemischte Crew in der Küche des „Swan“, einem so genannten „Gourmetrestaurant“ im Londoner Stadtteil Camden, einigt. Ansonsten herrscht Krieg unter den psychisch derangierten Kreaturen, die ein böses Schicksal an diesen Ort des Grauens verschlagen hat.
Im Monocles Fall war die Sache ganz einfach. Mit einem mittelmäßigen Uni-Abschluss fand er keinen Job, die geplante Karriere als Schriftsteller lief er stockend an, und Mrs Molina, in deren Haus der junge Mann ein „kleines Loch mit Trennwand“ bewohnt, will die Miete. Da kann man sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Und entscheidet sich für einen Job an einem Ort, wo die Utensilien zwar an „mittelalterliche Folterwerkzeuge“ erinnern, der aber noch nicht eindeutig als die Hölle auf Erden zu identifizieren ist, als die er sich herausstellen soll.
Momente bösartiger Komik
Der gelernte Koch und heutige freie Journalist Simon Wroe gewinnt dieser Konstellation Momente bösartiger Komik ab, die den Mangel an Handlung in der ersten Hälfte des Romans problemlos kompensieren. Dann kommt es zum Wendepunkt. Bob vermasselt ein groß angelegtes Abendessen für den „Dicken“, eine Art lokaler Crime-Lord mit ausgefallenem Geschmack, und ist erledigt. Das Restaurant wird geschlossen, und Monocle ist arbeitslos. Aber sein Martyrium ist noch nicht zu Ende, denn plötzlich steht sein Vater vor der Tür und begehrt Unterkunft für „ein paar Tage“. Dass daraus nichts wird, wissen erfahrene Leser von Verlierer-Romanen. Nun geht es also um die Familie des Helden und das ist keine schöne, aber durchaus schmerzhaft komische Geschichte. Doch zu viel davon darf Monocle nicht erzählen, denn „Chop Chop“ ist eine Art Gemeinschaftswerk der vormaligen Küchensklaven: Einer schreibt, und die anderen lektorieren.
So vereinigen sich Familienroman, Arbeitsweltreport und Meta-Literatur zu einem vergnüglich zu lesenden Sprachkunststückchen, das von Robin Detje in ein Deutsch gebracht wurde, dem, einigen offenbar unvermeidlichen Anglizismen zum Trotz, die linguistische Virtuosität des Originals anzumerken ist.
Joachim Feldmann
Simon Wroe: Chop Chop. Roman. (Chop Chop. 2014). Aus dem Englischen von Robin Detje. Berlin, Ullstein 2014. 347 Seiten. 18,80 Euro.