Geschrieben am 12. April 2014 von für Bücher, Crimemag

Sascha Arango: Die Wahrheit und andere Lügen; André Georgi: Tribunal

Die Wahrheit und andere Luegen von Sascha ArangoTatort Buch

– Fernsehdrehbuchautoren gehen in letzter Zeit zunehmend unter die Romanciers. Sascha Arango mit dem Roman „Die Wahrheit und andere Lügen“ und André Georgi mit Tribunal“ liefern solides Handwerk, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Frank Göhre hat beide Romane gelesen.

Beide sind Drehbuchautoren. Der eine ist seit 10 Jahren im Geschäft, der andere doppelt so lang. Sie liefern gute, mitunter sogar überdurchschnittlich gute Arbeit ab, und wenn sie, und letztlich auch wir als TV-Konsumenten, Glück haben (sprich: mutige Redakteure und kluge Regisseure mit dabei sind), wird daraus dann auch ein guter Film. Zumindest aber haben ihre „Bella Block“- und „Tatort“-Geschichten sieben bis neun Millionen Zuschauer. Und doch haben die Autoren Grund genug, sich schmählich ignoriert zu fühlen. Denn kaum eine Programmzeitschrift erwähnt sie namentlich, in der Presse kommen sie bestenfalls am Rande vor und in öffentlich-rechtlichen Statements und Interviews verkünden Fernsehspielchefs und Darsteller zudem noch, die jeweiligen Stoffe quasi im Alleingang realisiert zu haben.

Sascha Arango - ©C. Bertelsmann

Sascha Arango (© C. Bertelsmann)

Ripley revisited

Die jetzt vorliegenden Romane der Drehbuchautoren Sascha Arango und André Georgi sind – nicht ausschließlich, aber sicher auch – eine Reaktion darauf. Sascha Arango, Autor der mit Abstand besten „Borowski“- („Tatort“) Folgen, profiliert sich mit „Die Wahrheit und andere Lügen“ als witzig reflektierender Erzähler einer eigentlich hinlänglich bekannten Geschichte. Er belebt Patricia Highsmith’s grandios „talentierten Mr. Ripley“ neu und lässt ihn als sympathischen Müßiggänger Henry Hayden derart nachvollziehbar (und auch mitfiebernd) Böses tun, dass es ein pures (Lese-)Vergnügen ist.

Der durch die Begabung seiner bewusst anonym bleibenden Gattin als Bestsellerautor zu Geld und Ruhm gekommene Mann gerät nämlich gleich zu Beginn in Not. Seine Affäre mit einer dumm-dreist berechnenden Verlagsangestellten hat zu ihrer Schwangerschaft geführt, und das muss er nun André_Gerogis_Tribunalwirklich nicht haben. Also will er die Frau schnellstmöglich beseitigen, sie tödlich verunglücken lassen. Doch das geht schief und zieht weitere Aktionen nach sich. Die Frage, ob er zu recht oder zu unrecht so handelt wie er handelt, erübrigt sich. Er tut, was getan werden muss. Und der Erzähler streut ein, wie die Polizei in einem solchen Fall tickt, über welche Möglichkeiten der Aufklärung sie verfügt und wie sie sich dennoch austricksen lässt. Henry Hayden wird nicht überführt. Am Ende verschwindet er spurlos, und man wünscht sich, dass er schon recht bald wiederkommt. Es ist ein mit leichter Hand geschriebener Roman, beste Unterhaltung allemal.

Ein kalter Thriller
André Georgi - © Jörg Dieckmann

André Georgi  (© Jörg Dieckmann/Suhrkamp Verlag)

Gänzlich anders der 317 Seiten starke Erstling „Tribunal“ von André Georgi. Georgi schreibt über einen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stehenden serbischen Kriegsverbrecher. Ein Kronzeuge soll aussagen. Doch dazu kommt es nicht. Der ehemalige Gefährte des Massenmörders wird auf dem Weg zum Gericht erschossen. Ein neuer Zeuge muss her.

Was auf den ersten 100 Seiten mit schnellem Szenenwechsel rasant in Gang kommt, geht dann leider nicht tiefer. Es bleibt bei vordergründiger action. Die persönlichen Geschichten der handelnden Personen, ihr Background und ihre Mühen und Zweifel, werden lediglich benannt, aber nicht gefühlt. Sie bleiben blass, haben keine Seele. Man empfindet kaum etwas für sie, selbst wenn sie qualvoll leiden müssen.

„Tribunal“ ist ein in mehrfacher Hinsicht „kalter“ Thriller – ein im schneebedeckten serbischen Grenzland endendes kühl kalkuliertes Buch.

Frank Göhre

Sascha Arango: Die Wahrheit und andere Lügen. Roman. München: C. Bertelsmann 2014. 304 Seiten. 19,99 Euro. Verlagsinformationen zu Buch und Autor.
André Georgi: Tribunal. Roman. Berlin: Suhrkamp 2014. 316 Seiten. 14,99 Euro. Verlagsinformationen zu Buch und Autor.
Zur Homepage von Frank GöhreZu: Hot Stuff. Eine Nacherzählung. CulturBooks Maxi, Oktober 2013. 85 Seiten. 4,99 Euro.

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