Big business
Der Drogenhandel generiert Giga-Profite. So wie Hamburger, koffeinhaltige Brause, Waffen, alkoholhaltige Getränke und Technologie. Aber Drogen sind böse und müssen deshalb bis aufs Messer bekämpft werden, koste es was es wolle. Aber man kann sich dem Thema auch viel pragmatischer annehmen. Tom Wainwrights Buch „Narconomics – Ein Drogenkartell erfolgreich führen“ bietet ein paar Vorschläge an. Thomas Wörtche kann dem Ansatz einiges abgewinnen.
Oft wird das Primat des Ökonomischen vor allen anderen gesellschaftlichen Parametern wie dem Sozialen, dem Ethischen, dem Politischen beklagt. Im Falle des weltweiten Drogenhandels mit seinen milliardenschweren Profiten jedoch, dem man mit den üblichen Instrumenten der Prohibition nicht beikommt, kann es ein Schritt der praktischen Vernunft sein, die rein ökonomischen Aspekte des Drogengeschäfts sozusagen „wertneutral“ zu analysieren. Das schlägt der englische Wirtschaftsjournalist Tom Wainwright in seine Studie „Narconomics“ vor. Der Untertitel: „Ein Drogenkartell erfolgreich führen“ ist natürlich blanke Ironie.
Es geht Wainwright darum, den Punkt zu finden, an dem man den Drogenhandel effektiv angreifen kann. Und dafür ist seine wirtschaftliche Struktur und die berühmten „Gesetzmäßigkeiten des Marktes“ allemal vielversprechender als der ideologische, Leichenberge und Unheil produzierende strafverfolgungsbesessene War on Drugs. Allerding fokussiert sich Wainwright zur sehr auf Lateinamerika und die USA, weswegen man parallel zu Narconomics die einschlägigen Bücher von Johan Hari, Moises Naim und Misha Glenny zur Kenntnis nehmen sollte.
Business as usual
Anyway, Wainwright seziert methodisch, den Problemen von weltweit operierenden Konzernen wie Coca-Cola etc. analog, die Schwierigkeiten und die Erfolge, die Drogenkartelle mit ihrem Personal haben, mit der Erschließung neuer Märkte, mit dem Auftauchen neuer Produktgruppen wie den Designerdrogen, mit dem Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit, dem Franchising und dem Online-Handel. So entsteht ein sehr konkretes, mit Zahlen, Fakten und Statistiken unterfüttertes Gesamtbild des jeweiligen Produkts (Kokain, Heroin, Marihuana etc.) von den Herstellungskosten bis zu den Profitraten. Und gleichzeitig zeigen solche Ketten, wo Staaten eingreifen, wo sie wirklich Schaden für die Narcos anrichten könnten, wenn sie nur wollten.
Die Ökonomen, schreibt Wainwright, sind vermutlich die besseren Polizisten. Ökonomen könnten herausfinden, dass man nicht die Angebotsseite angreift, sondern durch geschickte Sozialpolitik etwa, die Nachfrage vermindert. Oder dass es wirtschaftlich unsinnig ist, Riesensummen für Strafverfolgung auszugeben, statt vernünftig in Prävention und Therapie zu investieren: „Behandlungsangebote sind bis zu zehnmal kosteneffizienter als Strafverfolgung“, stellt Wainwright nüchtern fest. Das alles läuft, rein wirtschaftlich gesehen, auf einen „gesetzlich regulierten Drogenmarkt“ hinaus, auf Kontrolle statt auf Verbot. Also alles in allem auf ein „radikales Umdenken“, denn alle prohibitiven, oppressiven und kriegsähnlichen Ansätze haben „den Preis für ein paar billige landwirtschaftliche Erzeugnisse derart in die Höhe getrieben, dass daraus eine hässliche, gewalttätige … globale Industrie entstanden ist.“
Süffisant stellt Wainwrights fest, dass „die Zeiten nie besser waren, um erfolgreich ein Drogenkartell zu führen.“ Und wenn etwas so auf den Punkt genau zugespitzt ist, sieht man deutlich das Gegenmittel, das in Wainwrights Methode liegt. Wenn man dem Primat des Ökonomischen folgt, dann sind sinnvolle und kluge Legalisierung plus flankierende Maßnahmen das, was kriminelle Profite am meisten schmälert. Und natürlich: Nationalstaatliches Denken hat keine Chance gegen ein globales Geschäft.
Aber …
Bleibt allerdings die unbehagliche Frage, warum solche Ansätze politisch deutlich nicht gewünscht sind und oft wider besseres Wissen, das nicht unbedingt ideologisch bedingt sein muss, an der Prohibition festgehalten wird. Betrachtet man, was Wainwright leider nicht tut, das War-on-Drugs-Business unter seinen eigenen ökomischen Strukturen (Arbeitsplätze, Material, Profitinteressen, cash flow etc.), betrachtet man dessen Profiteure und deren monetären und ordnungspolitischen Interessen, könnte man vermutlich nachdenklich werden.
Thomas Wörtche
Tom Wainwright: Narconomics. Ein Drogenkartell erfolgreich führen. (Narconomics – How to Run a Drug Cartel, 2016). Sachbuch. Dt von Henning Dedekind. München: Blessing 2016, 351 Seiten, € 19,99
Überarbeitete Fassung eines Beitrags für Deutschlandradio Kultur vom 12.10. 2016.