Geschrieben am 4. Oktober 2015 von für Bücher, Crimemag, Non Fiction

Sachbuch: Heike Buchter: BlackRock

BlackRock 26.02.2015.inddCyborg Finance – Sie sind unter uns

Finanzkapitalismus 2.0, was  wissen wir, was wissen Autoren und Leser von Kriminalromanen davon? Klar und verständlich wie selten ist davon in einem Buch zu erfahren, das Alf Mayer sich zu Gemüte geführt hat.

BlackRock ist ein Vermögensverwalter. So wie Versailles ein Sommerhaus ist oder die Pyramiden Grabsteine sind. Mit diesem Bild macht die wunderbar anschaulich und verständlich schreibende Heike Buchter die Dimensionen klar, mit denen man es bei diesem Finanzimperium zu tun hat. BlackRock ist die größte Fondsgesellschaft der Welt, sie verwaltet und spekuliert von New York aus derzeit mit 4.721 Milliarden Dollar an den Börsen der Welt (Quelle: Bloomberg). Keine Bank, keine Fondsgesellschaft hat mehr Macht als sie.

Niemand weiß, welche Folgen so etwas für uns alle hat. Jeweils mehr als sechs Prozent Anteile hält BlackRock an Daimler, BASF, Deutsche Bank, Allianz, Bayer, Deutsche Post, E.O.N., Siemens, ProSieben, von den vielen kleineren Assets alleine bei „Germany Inc.“ zu schweigen. Der Chef von BlackRock, Larry Fink, 62, unscheinbar, Typ Schalterbeamter der Kreissparkasse (so die FAZ), ist einer der ganz Großen des Finanzkapitalismus 2.0. Die unter seinen Fittichen versammelte Macht und wie BlackRock sie nutzt, sehen Finanzexperten als ein systemisches Risiko für die Stabilität der Finanzmärkte.

Abzocken mit Leerverkäufen – im großen Stil

„Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“, warnt Elke Buchters Buch im Untertitel, es ist weit seriöser, als diese Boulevard-Schlagzeile vermuten lässt. Möge die Formulierung helfen, ein exzellentes, geradezu mustergültiges Wirtschaftsbuch, das nebenher eine sehr kritische Geschichte des Finanzmarktes entfaltet, einem größeren Publikum näher zu bringen. Würden doch nur manche Kriminalromane so spannend sein.

Eine Spezialität von BlackRock sind Leerverkäufe. Damit wetten Investoren auf fallende Kurse von Aktiengesellschaften. Sie verkaufen Wertpapiere, die sie sich von anderen Marktteilnehmern nur geliehen haben, weil sie darauf spekulieren, sie am Ende der Leihfrist günstiger wiederbeschaffen zu können. Die Differenz von Verkaufs- und Kaufpreis wird als Profit eingestrichen. Da wo es kriselt, sei der Krisenherd ein Unternehmen, eine Branche oder ein ganzes Land, wirken solche Börsengeschäfte wie Brandbeschleuniger und werden von der Regulierungsinstanz – sollte es sie geben – oft als Erstes verboten. Griechenland zum Beispiel hat schon solche Leerverkäufe (an der Athener Börse) untersagt, China jüngstens auch.

Zaubern mit „Aladdin“

Erst seit Ende 2012 gilt in der EU eine Transparenzverordnung, nach der ein „Marktteilnehmer“ melden muss, wenn er mehr als 0,2 Prozent des Aktienvolumens eines Unternehmens für Leerverkäufe in Beschlag nimmt. Klingt wie ein kleiner Wert, ist es nicht. In Europa ist Blackrock Investment der größte Leerverkäufer. Hedgefonds insgesamt nutzen dieses Abzock-Instrument systematisch. Und immer mehr mit Software von BlackRock. „Aladdin“ heißt das hauseigene Risikoanalyse-System. Es gilt als so gut, dass Blackrock es gegen Gebühr anderen Anlegern und sogar Notenbanken vermietet, was die Gefahr verstärkt, dass Großanleger in einer Krise gleich reagieren und Börsenabstürze so noch heftiger ausfallen können. Im August 2015 hat Blackrock nun den „Robo-Advisor“ Future Advisors aus San Francisco gekauft, ein führendes Unternehmen der so genannten Anlageroboter, mit denen Anlageentscheidungen auf Basis von Computerprogrammen getroffen werden (Colin Crouch lässt grüßen, siehe die CM-Besprechung in „Notizen vom alltäglichen Wahnsinn“). Blackrock sieht hier gigantische Wachstumsraten voraus.

Dieser Firma geht es nicht um bleibende Werte, sondern um Finanzsurrealismus: Kapitalismus ohne Kapitalisten. „Aladdin“ (ausgeschrieben: Asset Liability and Debt, Derivate Investment Network) ist auch kein harmloser Märchenonkel, schreibt Heike Buchter, „er ist Larry Finks Paranoia in Sachen Risiko, umgeschrieben in 25 Millionen Zeilen Computer-Code. Das sind etwas so viele Code-Zeilen wie die, die Facebook braucht, um seine Milliarde Nutzerprofile zu verwalten.“ Sie hat das Superhirn in Wenatchee am Columbia River besucht, wie auf den anderen Feldern ihres Buches auch hier weitreichend recherchiert. Ihr Ergebnis: „So etwas wie Aladdin hat es noch nicht gegeben.“ Dieses Programm überwacht Hunderte Milliarden an Transaktionen und Daten des Finanzmarkts, in jeder Mikro- und Nanosekunde.

Natürlich, muss man sagen, ist davon auch Ray Kurzweil fasziniert. „Aladdin“ ist ein Meilenstein auf dem Weg zur von ihm wie das Gelobte Land gepriesene „Singularity“ – das ist der Zeitpunkt, an dem die künstliche Intelligenz die menschliche überholen wird. Übrigens hat John von Neumann, einer der Miterfinder der Atombombe, den Begriff in den 1950er zuerst verwendet. Breiter bekannt wurde er durch den SF-Autor Vernor Vinge. Tja, und Marc Goodman, der bestens vernetzte Autor von „Global Hack“ (CM-Besprechung ebenfalls in den „Notizen vom alltäglichen Wahnsinn“), hat einen Lehrstuhl an der Singularity University. So schließen sich die Neuronen rund.

michael_lewis_flah_boyVielleicht bald auch in Washington. Mit den Clintons, ihrem entspannten Verhältnis zur „Moneyed Class“, die Tochter verbindungsträchtig mit einem Hedgefond-Manager verheiratet, wird möglicherweise Larry Fink, dem genau das noch fehlt und der seine Ambitionen dafür öfter schon spendengebend artikulierte, auf Hillarys Ticket der nächste Finanzminister der USA. Insider halten das nicht für ausgeschlossen.

PS. Ebenfalls im Campus-Verlag erschienen, ebenso wichtig und ebenso gut auch von Laien lesbar ist Michael Lewis Sachbuch-Thriller „Flashboys. Revolte an der Wallstreet“ über den Hochfrequenzhandel und seine Auswirkungen auf die Börsen.

CrimeMag veranlasste das zu einer Trilogie, die mit einem vor 40 Jahren noch in Tagen zu beziffernden Informationsvorsprung in „Fette Ernte“ von Altmeister Ross Thomas begann und mit Warren Ellis und seiner „Gun Machine“ in die Jetzt-Zeit führte.

Hier geht es zu den Teilen eins, zwei und drei.

Heike Buchter: BlackRock. Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld. Campus Verlag, Frankfurt 2015. Hardcover. 280 Seiten, 24,99 Euro.
Verlagsinformationen zum Buch hier, über die Autorin hier

Tags : , , , , ,