Geschrieben am 15. März 2017 von für Bücher, Crimemag

Roman: Oliver Harris: London Stalker

51puWn1zrLL._SX311_BO1,204,203,200_Down and out und suspendiert in Swinging Hampstead

Detective Nick Belsey wird mal wieder seiner Rolle als rebellischer Außenseiter-Cop gerecht: Er ist vom Dienst suspendiert, ist völlig abgebrannt, hat keine Bleibe im schicken Hampstead und ermittelt auf eigene Faust in einem brisanten Fall. Im Dauer-Clinch mit seinen bornierten, korrupten Vorgesetzten ist er sowieso. Oliver Harris zieht in seinem dritten Krimi „London Stalker“ mal wieder  alle Register  Von Peter Münder

Das Ausloten von dubiosen, faszinierenden Grenzbereichen-geographisch und ethisch-moralisch-  ist für den Londoner Krimi-Autor Oliver Harris inzwischen zum Markenzeichen geworden: Seinen Anti-Helden Detective Nick Belsey hatte er in „London Killing“ in der Plutokraten-Villa des verschwundenen Tycoons Devereux mit einer neuen Identität untertauchen lassen; in „London Underground“ wühlte sich Belsey dann durch stillgelegte U-Bahn-Schächte und Depots  aus dem 2. Weltkrieg.

Nun hat sich Belsey in Band drei dieser Hampstead-Trilogie in der stillgelegten Polizeiwache eingenistet, in der er vor seiner Suspendierung noch selbst seinen Dienst geschoben hatte. Belsey ist zwar on the run und erwartet die Häscher, die ihn zur Strecke bringen und aus dem Polizeidient werfen sollen – doch wer kommt schon darauf, den flüchtigen Außenseiter in seiner ehemaligen, völlig maroden Wache zu suchen?

hampsteadDer 38jährige Literat und Psycho-Analytiker Harris weiß, was Leser lieben und bedient diese Erwartungshaltung optimal: Die Schauplätze in Hampstead wirken vertraut, das Verhaltensmuster des gegen den Strich gebürsteten Belsey ist unberechenbar; er wird von einer massiven Autoritäts-Allergie gesteuert und der Plot bleibt erst etwas undurchsichtig, um dann nach etlichen Todesfällen an Fahrt aufzunehmen.

Belsey gerät zufällig in das Schicki-Micki-Umfeld von Pop-und Filmstar Amber Night, die in einer grandiosen Villa in Hampstead residiert. Filmteams wieseln herum, weil Amber ihre Hochzeit mit Hilfe eines millionenschweren Sponsors medienwirksam vermarkten will, ein bombastischer Promi-Ball soll den Hype noch weiter aufblasen, weil ja auch noch eine CD etc. promotet wird und das Rauschen im Blätterwald ist auch unüberhörbar. Das ist ja nicht gerade Belseys Welt, aber er will den ausgerasteten Stalker zur Strecke bringen, der Amber offenbar bedroht und ihre klamottenkostbaren Klamotten klaut. Belsey lässt sich als Ambers Body Guard anheuern, er genießt den reichlich sprudelnden Schampus , obwohl er merkt, dass die prominente Pop-Ikone irgendwie bipolar gestört ist und zwischen aktionistischer Euphorie und finstersten Depressionen schwankt.

Als aus Ambers Umfeld einige Personen verschwinden, umgebracht werden oder Selbstmord begehen, muß sich Belsey schließlich auf eine obskure Sekte konzentrieren, die ihre Mitglieder ausbeutet und mit blutiger Knute zusammenhält – wer aussteigen will aus diesem aberwitzigen Weltverbesserungs-Hokuspokus mit kosmischen Strahlen, dem droht die Höchststrafe.

Diese Plot-Verästelungen, in denen sich Harris zu sehr auf pseudo-philosophische Details dieser Erweckungs-und Erneuerungs-Schaumschläger kapriziert, werden auch mit einer Dosis Paranoia subkutan verabreicht. Sie sind viel zu weitschweifig und werden ohne kritische Distanz abgesondert – ein implantierter Fremdkörper, den man in einem Harris-Krimi nicht vermutet hätte und einem geschickten Chirurgen schleunigst zum Sezieren anvertrauen sollte. Umso schärfer und faszinierender aber die herben Szenen, in denen Belsey seinen profunden Haß auf die höheren CID-Chargen auskotzt, die ihre krummen Deals mit Kriminellen bejubeln und sich in ihren Besäufnis-Ritualen damit brüsten, hübsche Renditen mit dem Verkauf beschlagnahmter Drogen erzielt zu haben.

51b3qo0FVZL._SX324_BO1,204,203,200_Bis auf den irritierenden Sekten-Exkurs funktioniert das bewährte Erfolgsrezept von Oliver Harris immer noch mit beeindruckender Rasanz: Diese Verfolgungsjagden in Hampstead und der Londoner City, der Glamour und Medienrummel rund um die wie eine Marionette manipulierte Pop-Ikone- das alles im düsteren Kontrast zur heruntergekommenen Wache, in der Belsey zwischen allen Stühlen hockt: Darauf dürften Drehbuchschreiber nicht nur in Hollywood sicher längst ganz heiß sein. Vor einer Verfilmung des „House of Fame“ (so der O-Titel) beschenkt uns Harris hoffentlich noch mit einem vierten Band über Nick Belsey in Hampstead!   

Peter Münder

Oliver Harris: London Stalker (The House of Fame) .Aus dem Englischen von Gunnar Kwisinski. Blessing Verlag, München 2017.  448 Seiten, 19,99 Euro.

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