Geschrieben am 1. April 2016 von für Bücher, Litmag

Roman: Frank Goosen: Förster, mein Förster

Frank Goosen FörsterEin Hoch auf die Tanzkapelle Schmidt!

– Frank Goosen, das ist für manche womöglich nur der Kabarettist mit dem unerschütterlichen Faible für den VfL Bochum, der seit einer Weile in der zweiten Liga mal dümpelndet, mal kämpft. Der Mann, der gerne gerufen wird, wenn es um das Ruhrgebiet oder um Fußball oder am besten noch die Kombination aus beidem geht. Keine Frage, mit „Liegen lernen“, vor allem aber „Radio Heimat“ und „Sommerfest“ hat sich Goosen als Chronist des Reviers etabliert – und bei manchen in der Schublade festgesetzt. Von Frank Schorneck

Sein neuer Roman nimmt seinen Anfang ebenfalls im Ruhrgebiet, was man an vereinzelten Details erkennt wie etwa der Fahrtstrecke zur Autobahnraststätte Dümmer-Dammer Berge. Der Insider findet zudem Hinweise auf die Bochumer Kulturpolitik. Doch die Region spielt in diesem Roman eine deutlich untergeordnete Rolle – und Fußball kommt sogar nur ganz am Rande vor.

Ein Sextett auf Reisen

Titelheld Frank Förster ist ein Autor mit Schreibblockade kurz vor seinem 50. Geburtstag. Seine Freundin ist beruflich verreist, und sein Freund Fränge macht gerade eine derbe Midlife-Crisis durch. Lehrer Brocki, der mit den Errungenschaften der Moderne auf Kriegsfuß steht, komplettiert das Trio. Weiteres Personal sind der siebzigjährige Nachbar Dreffke, der seinen immer noch durchtrainierten Körper in enger Badehose im Vorgarten zur Schau stellt, der Teenager Finn, dem die Freundin vom eigenen Vater ausgespannt wurde, ein Hamster, der auf den Namen Edward Cullen getauft wird, und vor allem Frau Strobel, die in die Demenz abgleitende Nachbarin Försters, die zuweilen Nachts Saxophon spielt. Als Frau Strobel zu einer Reunion ihrer früheren Band, der „Tanzkapelle Schmidt“, an die Ostsee eingeladen wird, macht sich das ungleiche Sextett gemeinsam in Fränges Bulli auf den Weg (der Hamster fährt dann doch nicht mit).

(c) Sandra Schuck

(c) Sandra Schuck

Das literarische Roadmovie macht – wie sollte es anders sein – ein paar ungeplante Umwege. Erzählt wird das Ganze im typisch pointierten Goosen-Tonfall, der insbesondere in den Wortgefechten zwischen den Jugendfreunden Fränge und Brocki zum Tragen kommt. Doch in den altbekannten Witz mischt sich eine gewisse Melancholie, eine Grundstimmung, wie sie bereits in Goosens zweitem Roman „Pokorny lacht“ anklang, jenem Blick hinter die Maske des Komödianten. Bei aller Leichtigkeit ist hier der Tod, die Frage nach dem Ende und dem Sinn des Lebens in vielfacher Hinsicht präsent. Nicht nur bei Dreffke, der zu überspielen versucht, was er ins Taschentuch hustet, nicht nur bei Frau Strobel, die bei einem Zwischenstopp sich selbst in jünger gesehen zu haben glaubt – auch bei Förster selbst, dem die Marke des halben Jahrhunderts nur vordergründig nichts anhaben kann, der aber vor allem einen Termin zur Gewebeentnahme verdrängt und vor seinen Freunden verbirgt.

Ein Kapitän wider Willen

In die Prosa flechtet Goosen zudem kurze Theaterszenen ein. In der Schilderung einer Lesung in Berlin nimmt er den Litera-Tourbetrieb vortrefflich aufs Korn. Als Leser, der Erfahrung als Veranstalter hat, zuckt man bei bekannten Floskeln wie „wir gucken mal. Bei manchen Lesungen kommen die Leute erst kurz vorher“ zusammen und auch mancher Autor wird ähnliche Situationen schon erlebt haben. Ebenfalls aus dem Leben gegriffen sind diverse E-Mail-Konversationen („Ups, jetzt auch mit Anhang“) oder SMS-Dialoge zwischen Förster und seiner Freundin.

Goosen hat einen Romantitel gewählt, der viele an den „Club der toten Dichter“ erinnern wird, doch der Autor bezieht sich explizit auf das der berühmten Filmszene zugrunde liegende Gedicht „O Captain, my Captain“ von Walt Whitman. Dieses beschreibt die siegreiche Rückkehr eines Schiffes aus dem Krieg, an Deck der tote Kapitän. Auch Förster führt seine zusammengewürfelte Mannschaft durch so manches nicht nur verbale Scharmützel, verdrängt dabei seine eigenen Ängste. Ein Kapitän wider Willen, jemand, der beinahe ohne eigenes Zutun das Ruder in die Hand nimmt. Nach dieser Reise wird vieles anders sein – aber nicht unbedingt so verloren wie in Whitmans Gedicht.

Frank Schorneck

Frank Goosen: Förster, mein Förster. Kiepenheuer & Witsch, 2016. 336 Seiten. 19,99 Euro. eBook 17,99 Euro.

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