Geschrieben am 15. Oktober 2016 von für Bücher, Crimemag

Roman: Daniel Silva: Der englische Spion

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Schon David Silvas erster Roman “Double Cross” schrappte haarscharf an einem Plagiatsverdacht vorbei, seit dem lief er unter „eher uninteressant“. Mal wieder Zeit, zu schauen, was mit seinem neuen Werk „Der englische Spion“ los ist – auch nicht viel, wie Mike Wuliger zeigt.

Neunzehn Jahre ist es her, dass Lady Di ums Leben kam. Jetzt lässt der amerikanische Autor Daniel Silva in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Thriller “Der englische Spion” eine der einstigen britischen Kronprinzessin nachempfundene Figur wieder sterben: diesmal nicht in einem Pariser Autotunnel, sondern auf einer explodierenden Yacht in der Karibik.

Die Bombe, mit der das Boot und die Prinzessin in die Luft gejagt wurden, hat ein ehemaliger führender IRA-Kader gelegt, der inzwischen als hoch bezahlter freischaffender Terrorist für diverse Schurkenstaaten arbeitet. Eamon Quinn heißt der Mann. Ihm auf die Fersen macht sich Gabriel Allon, Topagent des Mossad und designierter neuer Direktor des israelischen Geheimdienstes. Allon, der Held von mittlerweile 15 Romanen Silvas, hat mit Quinn noch eine Rechnung offen: Ein von dem Iren im Dienst arabischer Terroristen gebauter Sprengsatz hat vor Jahren Allons kleinen Sohn getötet.

Unterstützt von dem ehemaligen britischen Elitesoldaten Christopher Keller, jetzt Agent des britischen Dienstes MI 6, verfolgt Allon Quinn quer durch die Welt. Denn er will nicht nur den Killer kriegen, sondern, wichtiger noch, herausbekommen, wer den Auftrag zur Ermordung der Prinzessin erteilt hat und warum. Die Spur führt über Nordirland, Venezuela und den Iran schließlich nach Russland, direkt in den Kreml zu Wladimir Putin. Ihren Weg schießen, hauen und stechen sich Allon und Keller gegen jede Menge IRA-Killer, iranische VEVAK-Agenten und russische FSB-Spione frei. Obwohl nur zu zweit, überwinden sie die feindliche Übermacht immer wieder. Schließlich ist Gabriel Allon eine Mossadlegende: Nicht nur war er an allen großen Operation des israelischen Dienstes führend beteiligt und hat unter anderem im Alleingang vier iranische Atomanlagen ausgeschaltet. Er ist auch ein weltweit berühmter  Kunstrestaurator, der, wenn er nicht gerade Feinde Israels erledigt, fast unrettbar zerstörte Werke Raffaels und Carravaggios wieder  instandsetzt, dass sie so gut wie neu aussehen.

Langeweile und Holzschnitte

Sehr glaubwürdig ist das alles nicht. Daniel Silva ist kein John Le Carré oder Robert Littell. Die realistische Beschreibung der Arbeit von Geheimagenten ist seine Sache nicht. Vielleicht, weil er sie nicht wirklich kennt. Authentizität versucht er stattdessen durch enzyklopädische genaue Orts- und Personenbeschreibungen zu simulieren, die in die erschöpfensten Einzelheiten gehen – erschöpfend vor allem für die Leser. Was den holzschnittartigen Figuren an Charakterisierung fehlt, wird durch Adjektive der simpelsten Sorte ersetzt: Die Stimme von Allons Frau ist “sanft”, seine Arme, in die er sie schließt, sind “stark”.

So holzschnittartig wie die Protagonisten sind auch die politischen Hintergründe dargestellt. Daniel Silvas Welt ist einfach: Die Guten (Israel und der Westen), die Bösen (Araber, Russland und Iran) sowie die Dummen (die USA unter Obama). In den Grundzügen mag das sogar stimmen. Doch wird es nicht analytisch hergeleitet, sondern, wie im Kasperletheater, postuliert.

Vor allem aber: Das Buch ist langweilig. Ständige Orts-, Zeit- und Perspektivenwechsel können die fehlenden Spannungsbögen nicht ersetzen. Die Drehs im Plot sind weit hergeholt und arg konstruiert. Und weil “Der englische Spion” mehr Märchen ist als Thriller, ist auch der Ausgang vorhersehbar: Am Ende der 416 Seiten siegt natürlich das Gute. Die Schurken sind tot, Allon kehrt heim nach Tel Aviv, rechtzeitig, um seine Frau in den Kreißsaal zu begleiten, wo sie Zwillinge zur Welt bringen wird. Wär’ die Welt doch nur so schön und einfach. Für Israel kann man nur hoffen, dass der wirkliche Mossad besser spioniert als Daniel Silva schreibt.

Mike Wuliger

Daniel Silva: Der englische Spion (The English Spy, 2016) Roman. Deutsch von Wulf Bergner. Hamburg: Harper Collins, 416 Seiten,  15 €; Zu Buch und Autor

Dieser Artikel erschien am 12. Oktober in der Jüdischen Allgemeinen

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