Geschrieben am 3. Dezember 2011 von für Bücher, Crimemag

Pete Dexter: Deadwood

Western, noir?

– Ein Western auf der Krimi-Zeit-Bestenliste – Country Noir? Oder gibt es ganz andere Verwandschaften? Joachim Feldmann über „Deadwood“ von Pete Dexter …

Seit die letzten kommerziellen Leihbüchereien geschlossen haben, ist der Wildwestroman hierzulande fast nur noch in Heftchenform präsent. Das war mal anders. Ich erinnere mich noch gut an ein Schuhgeschäft in meinem Heimatort, das in den sechziger Jahren ein umfangreiches Sortiment an Western, Krimis und Liebesromanen gegen eine Gebühr von 20 Pfennig zur Ausleihe bereit hielt. Dummerweise gab es für mich damals höchstens ein Lurchi-Heft zum Mitnehmen, denn für die Lektüre der dicken Bücher mit den faszinierenden Bildern von wilden Cowboys und entschlossenen Revolverhelden auf dem Schutzumschlag war ich, zumindest in den Augen meiner besorgten Eltern, noch viel zu jung. Das Niveau dieser Literatur dürfte sich nicht sehr von dem der so genannten „Groschenhefte“, die ebenfalls tabu waren, unterschieden haben. Und hinter den zünftigen englischen Pseudonymen verbargen sich ebenfalls in der Regel hiesige Lohnschreiber.

Dass der Western in seinem Mutterland durchaus ein angesehenes Genre darstellt, hat sich allerdings, sieht man von den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Western einmal ab, kaum herumgesprochen.

Wild Bill Hickok

Die Leonard-Tradition

Ein Autor wie Elmore Leonard genießt zwar inzwischen aufgrund seiner Arbeiten im Krimigenre das ihm zustehende Ansehen, dass er aber auch ein profilierter Verfasser von Wildwestromanen ist, dürften nur wenige seiner deutschen Leser wissen.

Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, dass „Deadwood“, Pete Dexters historischer Roman über die gleichnamige Stadt im Dakota Territorium, sowohl auf der Krimi-Bestenliste auftauchte, als auch an dieser Stelle vorgestellt wird. Ist sein Autor doch bei uns vor allem als Autor von Büchern bekannt geworden, die man weitgehend diesem Genre zurechnen kann (u. a. „Train“, „Paris Trout“).

„Deadwood“ entstand Mitte der achtziger Jahre, also vor diesen Romanen, und diente, Gerüchten zum Trotz, nicht als literarische Vorlage für die gleichnamige HBO-Serie, die natürlich trotzdem überaus sehenswert ist. Gemeinsam sind dem Neo-Fernsehwestern und Dexters Roman allerdings das Figurenensemble und der Anspruch auf eine realistische Darstellung des Westens. Also nicht „Rauchende Colts“ oder „Bonanza“, wo die Helden immer gut rasiert und gewaschen waren und höchstens mal ein bisschen Staub vor dem Saloon aufgewirbelt wurde, sondern Goldgräber, Kopfgeldjäger und andere ehrbare Halsabschneider in einer Stadt, die jeder Regenguss in ein Schlammloch verwandelt. Hier lassen sich im Jahre 1876 der Revolverheld Wild Bill Hickok und sein Freund Charley Utter nieder. Und geraten sofort in einen Konflikt mit den ansässigen „Geschäftsleuten“, dem Bordellbesitzer Al Swearingen zum Beispiel oder dem Sheriff und Ladenbesitzer Seth Bullock, der hier eine erheblich schlechtere Figur macht als in der Fernsehserie. Wir erleben den Wilden Westen, wie er wohl wirklich war, und nehmen gleichzeitig teil an der Entstehung seiner Legende, aus der sich das Genre bis heute speist. Denn die Heldengeschichten, mit denen sich die Leser in den großen Städten schon damals gerne unterhalten lassen, entstehen hier.

Dass Dexters nüchtern-poetischer Stil nicht unerheblich zur Wirkung dieses Romans beiträgt, versteht sich von selbst. Und die Tatsache, dass die deutsche Übersetzung von „Deadwood“ bereits in der zweiten Auflage vorliegt, spricht für das hiesige Lesepublikum, dem man offenbar gelegentlich auch ungewohnte Kost zumuten darf.

Joachim Feldmann

Pete Dexter: Deadwood  (Deadwood, 1986). Roman. Deutsch von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt.. München. Liebeskind 2011. 447 Seiten. 22,00 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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