Geschrieben am 9. Februar 2011 von für Bücher, Litmag

Lucy Fricke: Ich habe Freunde mitgebracht

Echte Freunde

– In ihrem Debüt „Durst ist schlimmer als Heimweh“ schilderte die aus Hamburg stammende Lucy Fricke die Verhältnisse in einer Jugendwohngruppe zwischen Drogenkonsum und sexuellem Missbrauch. Die Protagonisten ihres neuen Romans „Ich habe Freunde mitgebracht“ befinden sich in den Dreißigern, machen „was mit Medien“ und haben mit ganz anderen Problemen zu kämpfen.

Dabei geht es ihnen aber nur vordergründig besser als den Jugendlichen von damals: Martha ist Radiomoderatorin bei einem Lokalsender und selbst, wenn sie von Entlassungen und Terroranschlägen berichtet, gibt es für den Comiczeichner Henning kaum etwas Schöneres, als ihrer Nachrichtenstimme zu lauschen. Dass sie hin und wieder Abstand von ihrer Beziehung braucht, daran hat er sich gewöhnt. Doch diesmal ist sie geflohen, weil ein Schwangerschaftstest das Ende des Lebens wie sie es kannte eingeläutet hat.

Marthas beste Freundin Betty sorgt als Continuity für korrekte Anschlüsse in Filmen. Ein veritabler Nervenzusammenbruch sorgt dafür, dass sie einem besonders unfähigen Schauspieler nicht nur unverblümt die Wahrheit sagt, sondern auch schreiend mit ihrem Skript auf ihn einschlägt. Jon hingegen, der beste Freund Hennings, ist ein Schauspieler, der mit der Rolle eines Pfeife rauchenden deutschen Literaturnobelpreisträgers den Durchbruch zu schaffen glaubt. Leider deckt sich seine Selbsteinschätzung nicht mit der Meinung des Regisseurs.

Lakonischer Tonfall, trockener Humor

Lucy Fricke springt zwischen den Erzählperspektiven der Figuren hin und her. Ihr Tonfall ist lakonisch, voll trockenem Humor. Sehr köstlich sind die Gedankengänge Marthas zum Elternwerden oder die Schilderungen vom Filmset. Durch diesen Humor erhöht Lucy Fricke allerdings auch die Fallhöhe ihrer Charaktere, wenn sie das Schicksal zum Teil gnadenlos zuschlagen lässt. Wie schon in ihrem Erstling, schont sie weder die Leser noch ihre Figuren. Diesen entzieht sie den Boden unter den Füßen. Nur indem sie sich gegenseitig Halt geben, finden sie einen Weg aus der Lebenskrise.

„Ich habe Freunde mitgebracht“ handelt von gescheiterten Illusionen, zeigt aber auch, dass es Freundschaften jenseits von Facebook-Bekanntschaften gibt, in denen einer für den anderen einsteht, Vorbehalte überwunden werden. Dass das Ende ein wenig dick aufgetragen ist, verzeiht man der Autorin gerne. Bis es endlich eine DVD-Edition der TV-Serie „Um die dreißig“ gibt, dürfte dieser Roman die treffendste Darstellung des Begriffs „Angst vor dem Erwachsenwerden“ sein.

Frank Schorneck

Lucy Fricke: Ich habe Freunde mitgebracht. Reinbek: Rowohlt Verlag 2010. 190 Seiten. 16,95 Euro. Zur Leseprobe (PDF).

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