Geschrieben am 14. Januar 2012 von für Bücher, Crimemag

Ken Bruen: Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Sláinte

– Was eine Hard-boiled-Privatdetektivgeschichte ausmacht, ist der Held. Blickt man auf die bekanntesten Gründungsväter dieses Genres (Chandler und Hammett) zurück, wird das Prinzip schnell deutlich. Die Größe ihrer Werke und Helden besteht unter anderem darin, eine Einheit von Heldentum und Misere aufrechtzuerhalten. Sam Spade und Philip Marlowe sind pessimistisch, häufig frustriert und erleben auf dem Weg der Lösung eines Falls persönliche Fiaskos. Eine Präskription des Handwerks könnte lauten: Den meisten Erfolgen wohnt ein Scheitern inne. Roland Oßwald über Ken Bruens „Jack Taylor auf dem Kreuzweg“.

Ken Bruen setzt diese Tradition in sehr klassischer Weise fort. Mit „Jack Taylor auf dem Kreuzweg“. Jack Taylor, die Hauptfigur, ein Exbulle, ist unfreiwilliger Privatdetektiv in Galway. Er ist trockener Alkoholiker, ehemals kokainabhängig, und nun auf dem Kreuzweg entwickelt er eine Tablettensucht. Welcher Art bleibt ungenannt. Der Wirkung nach handelt es sich um ein Psychopharmakon à la Tramadol oder Tavor (hier ist nicht das israelische Sturmgewehr Tavor-TAR 21 gemeint, aber vielleicht entwickelt der Typ in einem der nächsten Bücher ja noch eine Abhängigkeit in dieser Richtung). Die Desillusionierung Jack Taylors wächst von Buch zu Buch. Die äußeren Missstände tragen dazu bei. Ihm werden Zähne eingeschlagen, er verliert ein paar Finger, muss ein Hörgerät tragen, in „Ein Drama für Jack Taylor“ wird er mit einem Hurlingschläger derart verprügelt, dass er fortan hinkt, und mit den Frauen läuft es auch nicht besonders gut. Er ist geschieden, eine kurze Affäre endet im Desaster, die einzige Frau, die in Taylors Leben noch eine Rolle spielt, ist lesbisch. Seine Libido mündet im pharmakologisch leeren Raum. Nachdem er in Jack Taylor und der verlorene Sohn seine letzte Freundschaft in Galway durch einen tragischen Unfall einbüßt und sein Juniorpartner ins Koma geschossen wird, steht der Privatdetektiv fast ganz isoliert da. Das ist die Ausgangsposition im sechsten Jack Taylor-Band.

Scheitern im Erfolg

Ein Junge wird gekreuzigt, und wenig später wird seine Schwester in ihrem Auto verbrannt. Wellewulst, homosexuelle Polizistin und Bekannte Taylors, bittet ihn, sich dazu in Galway umzuhören, weil sie in der männerdominierten irischen Polizei kein Bein auf den Boden bekommt. Sie braucht einen Erfolg, um endlich einmal nicht vergessen zu werden bei den Beförderungen, um das öde Streifegehen hinter sich zu lassen, einfach um vorwärts zu kommen. Taylor macht mithilfe seines ehemaligen Drogendealers die Täter schnell ausfindig. Eine britische Urlauberin war bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Der Fahrer flüchtete, wurde gefasst, kam aber schnell wieder auf freien Fuß. Die Familie der Toten sucht nun Rache. Sie steigern sich in eine Folie à deux, eigentlich à trois und begehen die Morde. Der Täterfamilie soll das gleiche Schicksal widerfahren wie der Opferfamilie. Auge um Auge. Zahn um Zahn. Auflösen lässt sich die Situation nur durch den Tod der Rächer. Und so stößt man wiederum auf das Motiv des Scheiterns im Erfolg.

In einem Nebenstrang soll Taylor dem Verschwinden von Hunden in einem bürgerlichen Teil Galways nachgehen. Der Auftraggeber glaubt nicht an Taylors Ermittlungsergebnissen, dass die Tiere zerhackt in den Dosen eines Lebensmittelherstellers landen, sondern lebt in der festen Überzeugung, dass eine Jugendbande hinter den Tiermorden steckt. Seine Lösung ist die Gründung einer Bürgerwehr. Taylor steht wieder mal als Versager da. Um die Misere zu komplettieren, stirbt sein Juniorpartner aus dem Vorgängerband „Jack Taylor und der verlorene Sohn“, und Taylor beschließt Galway den Rücken zu kehren.

Wie verkaufe ich das nächste Buch?

Ein bekanntes schriftstellerisches Motto lautet: Mit dem ersten Satz verkaufe ich dieses Buch, mit den restlichen das nächste. Ken Bruen verkauft mit dem letzten Satz eines Buches das nächste und mit dem, was dann folgt, das übernächste. Die Jack-Taylor-Reihe entwickelt er zu einem großen Fortsetzungsroman. Genau das und mit Sicherheit die Effizienz der Dialogsprache sind Bruens Stärken. Die Fäden der einzelnen Bände werden verwoben. Die zwei Protagonisten Jack Taylor und die Stadt Galway sind die Wolle. Und irische Begleitmotive wie Literatur, die katholische Kirche (mitsamt ihrer Missbrauchsgeschichte), Alkoholismus und Musik machen das Muster aus. Der Doktor der Metaphysik Ken Bruen beherrscht sein Handwerk. Die Evolution des Helden und der Stadt, von der Euphorie zur Verbitterung zurück zum Hochgefühl bis hin zur Verwaltung der eigenen Misere. Kurz und bündig in einem irischen Sprichwort zusammengefasst: „Mit dem Tod versucht die Natur einem zu sagen, dass man es langsamer angehen lassen soll.“

Roland Oßwald

Ken Bruen: Jack Taylor auf dem Kreuzweg (Cross, 2007). Roman.  Deutsch von Harry Rowohlt. Zürich: Atrium Verlag 2011. 256 Seiten. 16 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Homepage des Autors. Mehr zu Bruen bei CULTurMAG. Zum Blog von Roland Oßwald.

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