Geschrieben am 19. Oktober 2013 von für Bücher, Crimemag

Horst Eckert: Schwarzlicht

U1_978-3-8052-5057-3.inddEinzelkämpfer im Haifischbecken

Kommissar Vincent Veih, gerade als neuer Leiter der Düsseldorfer Mordkommission eingesetzt, soll einen brisanten Todesfall im politischen Umfeld lösen: Kurz vor der Wahl war der NRW-Ministerpräsident unter dubiosen Umständen gestorben. Mit „Schwarzlicht“ ist Horst Eckert ein brisanter, flotter Politthriller gelungen. Von Peter Münder

Kaum ist er zum neuen Leiter des Dezernats KK 11 für Tötungsdelikte befördert worden, da registriert Vincent Veih auch schon, wie die Netzwerke der pensionsberechtigten Intriganten um ihn herum glühen, die Nadelstiche und die Häme neidischer Kollegen heftiger und die Turbulenzen im Düsseldorfer Haifischbecken quirliger werden. Veih ist zwar ein sportlicher Typ, der selbst gut austeilen und wegstecken kann. Seine täglichen Zehnkilometerläufe absolviert er mit Gewichten an den Armen und einer übergezogenen Bleiweste: „Gelobt sei, was hart macht“ ist sein Motto. Und trotzdem nervt ihn diese geballte Power von Indolenz, Intrigantentümelei und Verlogenheit, die da auf ihn hereinbricht.

Gleich sein erster Fall erweist sich als knallharte Nagelprobe: Kurz vor der Wahl wird der Ministerpräsident von NRW, Walter Castorp, in einem noblen Penthouse ertrunken im Pool aufgefunden. Doch die Umstände sind äußerst merkwürdig, man findet Blutspuren, dann noch Indizien für einen Schusswechsel. Castorps Sekretärin und Geliebte entpuppt sich als ehemalige Edelnutte. Sie hatte ihn kurz zuvor auf einen Trip in die Schweiz begleitet, zwei Mitarbeiter aus dem Kanzleramt hatten sich mit dem Ministerpräsidenten vor dessen Tod gestritten, zwei auffällige Luxuskoffer sind plötzlich verschwunden ‒ wie passt das alles zusammen? Der akribisch ermittelnde Veih geht allen Spuren nach und nimmt keine Rücksicht auf kungelnde Vorgesetzte, die dem Druck von oben nachgeben wollen und kurz vor der Wahl die CDU-Politkaste nicht brüskieren möchten. Warum kann er sich nicht einfach mit der Selbstmordvariante zufrieden geben, fragt die oberste Führungsriege. So gerät auch Veih unter Druck, bis sich ganz neue Perspektiven ergeben und die Hintergründe dieses Falles immer skandalöser werden.

Baukasten

Horst Eckert, 53, mit dem „Glauser“ und dem „Marlowe“ für „Schwarzer Schwan“ und „Die Zwillingsfalle“ ausgezeichnet, scheint mitunter in einem bunten Baukasten zu kramen, aus dem er dann diverse Versatzstücke holt, die er geschickt montiert und mit Spannungsbögen zu einem rasanten Plot verbindet. Das war ihm schon im Wirtschafts- und Politkrimi „Schwarzer Schwan“ gut gelungen; hier hat der Soziologe und ehemalige TV-Reporter ein noch breiteres Spektrum aus unterschiedlichen Milieus abgedeckt und mit einer kompakten Schnitttechnik zu dynamischen Action-Szenen komprimiert. Eckert hat ein Faible für Ambivalenzen, die ein hübsches Potential für konfliktreiche Kontraste entfalten und über Assoziationsketten funktionieren: Zum Stichwort Abhörskandal, Tablettensucht oder „großes Ehrenwort“ fällt einem natürlich sofort der dubiose Nordlichtpolitiker Barschel ein, der offenbar das leuchtende Vorbild für den NRW-Ministerpräsidenten Castorp war.

Und Castorps parasitäre Mitnehmerqualitäten, seine Affinität zum spendablen Großunternehmer Osterkamp ähneln gewissen niedersächsischen Gepflogenheiten während der Ägide Wulff. Wenn der Kommissar sich an seine wildbewegte Punkperiode erinnert, als sein Vater abgetaucht war, und er von seiner RAF-Mutter auf die Straße gesetzt wurde, dann fällt ihm auch wieder eine Sozialarbeiterin ein, die ihn in dieser zugedröhnten Phase betreute: Wollte sie sich wirklich nur um ihn kümmern oder die gesamte Gang an die Behörden ausliefern? Dieses leicht paranoide Ausloten seiner Umwelt ist eine Maxime des misstrauischen Kommissars ‒ aber es ist natürlich auch seine Lebensversicherung. Mit der Bewältigung seiner eigenen Biographie hat Vincent Veih zwar große Probleme, aber es würde ihm nie einfallen, sich deswegen selbst zu mitleiden. So muss er auch noch die Schatten der Vergangenheit verjagen, zu denen der großväterliche Nazi-Polizist gehört, der in seinen Briefen den erfolgreichen Vernichtungsfeldzug gegen polnische Partisanen bejubelt hatte.

Düster

Diese düsteren Memory-Patches mit Nazi-Opa, RAF-Mutter und der eigenen Punkperiode werden durch eine Fotoausstellung wiederbelebt und Vincent Veih kann sie nicht so leicht abschütteln. „Als Sohn einer Terroristin war ich einiges gewöhnt. Aber Enkel eines Nazis zu sein hat dem die Krone aufgesetzt“, meint er zur Reporterin Saskia, die ihn tröstet, nachdem sich seine Freundin aus dem Staub gemacht hat. Einsamkeit und Schmerz der frühen Jahre haben ihn zwar geprägt und belasten ihn so sehr, dass eine Aussöhnung mit seiner Mutter ‒ die ihn ja als Kind einfach verlassen und weggegeben hat ‒ unmöglich wird. Aber sie haben ihn eben auch immunisiert gegen plumpe Bestechungsversuche und hinterhältige Intrigen, mit denen ihn Kollegen beim Beförderungs-Rat-Race überholen wollen.

Veih will einfach einen guten Job machen ‒ aber es läuft vieles aus dem Ruder und die profanen Niederungen einer komplexen, chaotischen Realität behindern ihn meistens. Als der Unternehmer Osterkamp Veih für seine eigene Firma als Sicherheitsberater anheuern will, gehen ihm die erstaunten Fragen von Bekannten und Freundinnen („Bulle, ausgerechnet du?“) durch den Kopf und enden in einem kurzen inneren Monolog:

„Man tat nicht das, was man für richtig hielt. Man passte sich an. Kollegen achteten darauf, dass man nicht aus der Reihe tanzte. Vorgesetzte benutzten die Karriere als Mittel, um einem das Rückgrat zu brechen. Das Ministerium erfand den Polizeidienst alle paar Jahre neu, und als Beamter machte man jeden Schwachsinn mit“.

Diesen Schwachsinn macht der sensible Mann fürs Grobe eben nicht mit. Aber Vincent Veihs schwierigen Weg in diese Position des Außenseiters mit der weißen Weste beschreibt Eckert in spannenden Szenen, die moralische Grauzonen ebenso subtil ausleuchten wie das Schwarzlicht-Milieu der Düsseldorfer Politkaste. Mag sein, dass der Plot stellenweise überfrachtet ist mit dem abrupten Eintauchen in unterschiedliche Milieus.

Aber mit seinem neuen, einsamen Wolf Vincent Veih hat Eckert einen faszinierenden Ermittler geschaffen, der an mehreren Fronten kämpfen muss und dem es trotzdem gelingt, seine Prinzipien, die sich von denen der guten alten amerikanischen Hard-Boiled-Fraktion kaum unterscheiden, nicht zu verraten.

Peter Münder

Horst Eckert: Schwarzlicht. Roman. Hamburg: Wunderlich Verlag 2013. 384 Seiten 19,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr zu Horst Eckert.

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