Geschrieben am 11. Mai 2013 von für Bücher, Crimemag

Hansjörg Schneider: Tod einer Ärztin

053143270-tod-einer-aerztinSchwyzer Turbulenzen: Hunkeler und die Drögeler

– Unaufgeregt und mit klarem analytischem Blick für den störenden Noir-Faktor hinter der Basler Butzenscheiben-Fassade klärt der eigensinnige Kommissär Hunkeler den Tod einer Ärztin auf: Autor Hansjörg Schneider konzentriert sich in diesem vierten Hunkeler-Fall souverän auf die Marotten und Vorlieben seines sympathischen Helden. Von Peter Münder

Gerade will Kommissär Peter Hunkeler in Ruhe am Büro-PC die neuesten Fußballergebnisse studieren, da soll er einen Mordfall aufklären, der für die meisten Baseler Bürger überhaupt keine Rätsel aufgibt: Natürlich hat einer der süchtigen „Drögeler“, die da tagaus tagein auf dem Platz vor der Praxis herumdröhnen, die Ärztin Christa Erni – ausgerechnet seine Hausärztin – umgebracht, die hat ihnen ja regelmäßig Methadon verabreichte. Und wer sich mit solchen Typen abgibt, da haben die spießigen Stammtisch-Philosophen keine Zweifel, der muss eben damit rechnen, von diesen durchgeknallten Vögeln hart angegangen zu werden.

Aber Hunkeler lässt sich vom aufgeregten Vorverurteilungsgefasel, das vom Staatsanwalt Suter im seidenen italienischen Maßanzug und hohen Polizeichargen beflissen nachgebetet wird, nicht beeindrucken. Suter hatte in Venedig gerade einen Kongress zum ebenso brisanten wie hübsch aufgeblasenen Thema „Sozialpsychologische Segmente des Täterbildes unter besonderer Berücksichtigung des massenpsychologischen Triebschubs moderner Großstadtballungen“ teilgenommen, nun erklärt er den Fall der ermordeten Ärztin zur Chefsache und ist empört, dass „die besten Baseler Köpfe“ nicht mehr sicher vor Verbrechen seien. Der Herr Staatsanwalt kritisiert obendrein noch Hunkeler, weil der nur die Zeit verplempere und erklärt im entschiedenen „Basta“-Imperativ: „Jetzt schlagen wir zu.“

Ein prächtiges Che-Guevara-Poster („Der ist doch längst aus der Mode“, meint ein Hunkeler-Kollege) in der Praxis verweist auf die linksliberalen „Jugendsünden“ der zuletzt eher bildungsbürgerlichen Medizinerin. Wäre die Rache ehemaliger Gesinnungsgenossen an einer Abtrünnigen vielleicht ein Motiv für die Tat? Oder spielt das üppige Erbe der vermögenden Frau Erni eine Rolle?

„Hunkeler. Tod einer Ärztin & Das Paar im Kahn“; Verfilmung nach den Romanen von Hansjörg Schneider, artfilm.ch, 2004

„Hunkeler. Tod einer Ärztin & Das Paar im Kahn“; Verfilmung nach den Romanen von Hansjörg Schneider, artfilm.ch, 2004

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Hunkeler geht diesen Motiv-Verästelungen zwar beflissen nach, aber sein Herz gehört in diesem tropischen Baseler Hochsommer seiner Freundin, die es sich in einem lauschigen elsässischen Grenzgebiet-Flecken gemütlich gemacht hat. Dorthin flüchtet er zum auflockernden Techtelmechtel, er testet nebenher noch die heimische Küche und geht in Ruhe seinen Vermutungen nach. Den Fall hatte er – wir ahnten es schon – längst mental gelöst. Umso unterhaltsamer und spannender, dass wir den Kommissär bis zur Präsentation des letzten schlüssigen Details auf seinen Exkursionen und beim Spinnen seiner spleenigen inneren Monologe begleiten können.

Mag sein, dass dieser vierte Hunkeler-Fall, der schon 2001 (bei Amman) erschien, eher ein Fall für Nostalgiker ist, die sich am behaglichen Ambiente berauschen möchten. Aber wer Schneider liest, weiß auch, dass Schweizer Präzision ohne aufgeregte Effekthascherei geliefert wird: Präzise sezierte Psychogramme werden mit köstlich-ironischen Dialogen kombiniert und kleinere Volten sorgen für erfrischende Minimalüberraschungen im Plot. Fazit: Wo Hunkeler drauf steht, ist auch Baseler Premium-Krimi drin.

Peter Münder

Hansjörg Schneider: Tod einer Ärztin. Hunkelers vierter Fall. Roman. Zürich: Diogenes Verlag 2013. 240 Seiten. 10,00 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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