Geschrieben am 15. Dezember 2016 von für Bücher, Crimemag

Bloody Chops: Dezember 2016

Bloody Chops 3

Bloody Chops im Dezember 2016

Zerlegt und angerichtet heute von: Ulrich Baron (ub), Joachim Feldmann (JF),  Alexander Roth (AR), Frank Rumpel (rum), Thomas Wörtche (TW).

Über: Bogenstahl & Junge, Liza Cody, Michael Connelly, Castle Freeman, Jane Haper, Tom Holland, Paul Mendelson, Quentin Mouron, Manfred Rebhandl, Ross Thomas, Newton Thornburg.

51m1pixg8l-_sx319_bo1204203200_Unbequemes in Südafrika

(TW) Gute Kriminalromane reagieren sehr sensibel auf politische und soziale Verwerfungen. Vermutlich deshalb kommen aus der Republik Südafrika seit den Zeiten des großen James McClure so viele exzellente Versuche, die dort herrschende, sehr unbehagliche Situation erzählerisch zu reflektieren. Zu Autoren wie Mike Nicol oder Andrew Brown hat sich jüngst Paul Mendelson gesellt.

Der McClure´schen Blaupause schon fast zitathaft folgend, lässt auch Mendelson zwei sehr unterschiedliche Polizistentypen agieren: Don February, Warrant Officer beim SAPS Kapstadt und Colonel Vaughn de Vries, sein Vorgesetzter. Der Colonel ist weiß, stammt noch aus dem alten Apartheid-Apparat, ist ein knorriger Rassist, Sturkopf, Säufer, sozial leicht debil. February mag seinen Chef nicht, er steht für das „neue“ Südafrika, aber auch ihm passt die Richtung nicht, in die sich das Land bewegt. Die Strasse ins Dunkel (Rowohlt Polaris) ist der zweite Roman, in dem sich die beiden in den Fallstricken südafrikanischer Realpolitik verstricken.

Die Fronten sind aber bei weitem nicht mehr so einfach, selbst im Negativen nicht. Zwar besteht der schwarz/weiß-Antagonismus weiterhin, zwar ragt die Vergangenheit, in der sich de Vries unverzeihlich schuldig gemacht hat, und dies auch weiß, immer noch in die Gegenwart, aber Mendelson treibt die neue Unübersichtlichkeit auf die Spitze. Die Weißen sind so uneins untereinander wie die Machthaber des ANC – die verschiedenen Fraktionierungen, die jeweils eine höhere Moralität behaupten, prügeln sich um Macht, Einfluss und Profit, die jeweils sehr pragmatischen Koalitionen kennen Hautfarben höchstens noch aus rhetorischen Gründen.

Auf der Strecke bleiben dabei die, die man als Kollateralschaden begreifen kann: In diesem Roman sind es die Frauen – die weiße Erbin eines Industriegiganten wird ermordet, eine schwarze Künstlerin wird für ihre aus eigener leidvoller Erfahrung geborenen radikal-feministischen Bilder von der Kirche und besorgten Bürger attackiert. Den notorischen „höchsten Kreisen“, in die die Ermittlungen der beiden Hauptfiguren führen, sind solche lebensweltlichen Realitäten allerdings höchst egal, sie sind lediglich willkommene Konstellationen für ganz andere Schachzüge. Ein erfreulich unbequemer Roman, der die „bösen Fragen“ stellt, die wirklich wehtun.

Paul Mendelson. Die Straße ins Dunkel. Roman. Rowohlt-TB Verlag 2016. Aus dem Englischen: Jürgen Bürger, 400 Seiten, 16,99 Euro

51zuxnuuwtl-_sx320_bo1204203200_Scheitern in Missouri

(rum) Bob Blanchard ist eigentlich Werbetexter, doch schmiss er alles hin und zog mit seiner Familie aufs Land. In den Ozarks ist er, wie der Autor Newton Thornburg in den 1970ern selbst, vorübergehend zum Rinderzüchter geworden. Doch Blanchards Frau fühlt sich nicht wohl auf dem Land, ihr gemeinsamer Sohn leidet an einer chronischen Krankheit. Als die Familie in Zahlungsschwierigkeiten gerät, verlässt sie ihn und kehrt zurück nach St Louis. Für Blanchard brechen damit einige Gewissheiten gleichzeitig weg. Als ein Veterinär bei seiner Black Angus-Herde auch noch einen Brucellose-Befall feststellt – was die Zwangsschlachtung und den Abverkauf zu Niedrigstpreisen zur Folge hat -, wird es richtig eng.

Auch diese Erfahrung hat Thornburg, wie er in einem Interview sagte, selbst gemacht. Ein ehemaliger Arbeitskollege, der bei Blanchard untergeschlüpft ist, schlägt ihm vor, doch die eigene Herde zu klauen und sich über die Versicherung zu sanieren. Sein Kumpel holt einen Kleinganoven mit ins Boot und weil Blanchard beiden nicht traut, stellt er ihnen seine Geliebte zur Seite, mit der er sich seit einigen Monaten trifft. Die allerdings will noch was aus ihrem Leben machen und Blanchard liefert ihr, ohne es auch nur zu ahnen, die Chance dazu.

Für den Protagonisten kommt wirklich alles zusammen, fällt der Traum von einem einfachen Leben auf dem Land innerhalb weniger Tage auseinander. Davon erzählt der 2011 verstorbene Newton  Thornburg mit großer Präzision und Ruhe. Während Blanchard allmählich einsehen muss, dass seine Zurück-aufs-Land-Idee an der Realität zerbrechen und ihn am Ende wohl ruinieren wird, ist er zu allem Überfluss auch noch von Menschen umgeben, die sich selbst am nächsten sind und eine Chance ergreifen, wenn sie sich ihnen bietet. Klasse, wie Thornburg da kenntnisreich, mit fein gezeichneten Charakteren auf kleinstem Raum ein dichtes und ganz unblutiges Drama entfaltet. Und klasse auch, dass der Polar-Verlag nach dem großartigen „Cutter und Bone“ mit einem weiteren Roman dafür sorgt, Newton Thornburg hierzulande vor dem Vergessen zu retten.

Newton Thornburg: Schwarze Herde (Black Angus, 1978). Aus dem Englischen von Susanna Mende. Polar-Verlag, Hamburg 2016..288 Seiten, 14,90 Euro.

51gfmnyrg-l-_sx304_bo1204203200_Abgründig komisch

(ub) Blackway ist ein Schuft. Wer ihm im Weg ist, verschwindet am besten so schnell wie Lillians Freund Kevin. Oder verschwindet spurlos, wie jene kanadischen Holzfäller, die nie wieder aus den Wäldern Vermonts heimgekehrt sind.  Oder trägt die Spuren von Blackways Unmut den Rest seines Lebens mit sich: „Scottys Kiefer war gebrochen, sein Bruder hatte einen Tritt in die Eier gekriegt, der eine Freund war drei Tage bewusstlos“, sagt Conrad. „Bei Blackway kommen Recht und Gesetz nicht so richtig zum Tragen“, sagt Whizzer.

Nun hat Blackway die Scheibe von Lillians Auto eingeschlagen und ihre Katze umgebracht. Aber Lillian will sich nicht vertreiben lassen. Sheriff Wingate meint, er könne da nichts machen. Sie solle sich an Whizzer wenden. Der sitzt mit anderen alten Säcken in der stillgelegten Dead River Schuhfabrik, trinkt Bier, spuckt große Töne und gibt Lillian den hinfälligen alten Lester und den einfältigen jungen Kraftprotz Nate mit. So schreiend komisch die Dialoge hier sind, so finster ist das, was nunmehr geschieht und enthüllt wird.

Der 1944 geborene Castle Freeman nähert sich dem Country Noir von der humorvollen Seite. Aber bald gewinnen seine Worte das Gewicht eines Grabspruchs. Blackway sei ein übler Typ gewesen und habe das jeden wissen lassen, sagt Lester, doch in einem Punkt habe er sich getäuscht: „Er dachte, er wäre der Einzige, der so ist“. — Hinterwäldler in Vermont auf der Jagd nach einem Bösewicht – selten war Country Noir so abgründig komisch wie hier

Castle Freeman: Männer mit Erfahrung (Go With Me, 2008). Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Nagel & Kimche, Zürich 2016. 176 Seiten, 18,90 Euro.

downloadSchlimmer als RTL II

(AR) Die Damenwelt der Wiener Schickeria holt Asylanten aus den städtischen Flüchtlingsheimen und ermöglicht ihnen eine Zukunft als Marketing-Tool, Kleiderständer für Modekollektionen oder toyboy. Als die jungen Männer nach und nach grotesk inszenierte Tode sterben, tritt Kitty Muhr auf den Plan. Zusammen mit ihrem Kollegen, dem zwergwüchsigen Türken Ali, soll die dauerbrünstige Kettenraucherin dem Geheimnis auf den Grund gehen. Stattdessen geht sie uns auf die Nerven.

Anfangs klang es ja ganz witzig. Die unangepasste, durchsetzungsstarke Frau, der sanftmütige, gebildete Migrant, der absurd-komische Fall. Aber leider hat Manfred Rebhandl es so richtig vergeigt. Seine Protagonistin ist nicht mehr als eine Penisbilder sammelnde Libido auf zwei Beinen, die jeden zaghaft an die Hirnrinde klopfenden Gedanken an Selbstreflexion mit Alkohol hinunterspült. Sidekick Ali aka der menschgewordene Zeigefinger tritt anfangs noch als Gegengewicht zu dieser offensichtlichen Männerfantasie auf, offenbart aber irgendwann im Laufe der Geschichte seinen Ödipus-Komplex und verwandelt sich daraufhin – na logisch – in einen naiven Idioten. Figurenentwicklung gleich Evolution rückwärts.

Den Tiefpunkt erreicht die Geschichte an der Stelle, an der Kitty Muhr bewusstlos und mit einem bis zur Taille hochgerutschten bunten Kleid auf einer Beerdigung herumliegt, nur um sich nach dem Aufwachen direkt wieder erotischen Gedanken hinzugeben. Kritik an übertriebener political correctness hin oder her – „König der Schweine“ ist ein dummes Machwerk voller dummer Charaktere, ein Buch, das einem Zeit und Geduld raubt und nebenbei auch noch Gehirnzellen abtötet. Das ist das eigentliche Verbrechen.

Manfred Rebhandl: Der König der Schweine. Ein Kitty Muhr Krimi. Taschenbuchausgabe. Haymon, Innsbruck/Wien 2016. 277 Seiten, 12,95 Euro.

51ixmht-mvl-_sx333_bo1204203200_Fremdes verstehen

(TW) Für Menschen, die meinen, die Welt werde immer schlechter, empfiehlt sich hin und wieder ein Blick in die Geschichte. Vor allem das alte Rom hat eine Menge zu bieten an Grausamkeiten, fiesem Denken, Gewalt, Intrigen, Macht- und Profitstreben und Scheußlichkeiten aller Art.

Wenn Giancarlo de Cataldo und Carlo Bonini in ihrem großartigen Roman „Suburra“ vom finsteren Herzen Roms erzählen, und dass sich dieses seit der Antike gehalten hat, dann haben sie allzu recht: In Tom Hollands brillantem Sachbuch Dynastie. Glanz und Elend der römischen Kaiser von Augustus bis Nero (Klett-Cotta) finden sich sehr anschauliche Passagen über jenes Viertel, genannt Suburra, das schon damals ganz demokratisch Laster und Verbrechen für jedermann, ob Plebs oder Adel, im Angebot hatte. Holland montiert zeitgenössische Quellen (durchaus quellenkritisch) und heutige Erzähltechniken zu einem extrem unterhaltsamen, klugen und lehrreichen nicht-fiktionalen Polit-Thriller, der an ausgefuchsten Machinationen, hinterhältigen Ränken, barbarischen Gräueln, überraschenden Toden und einer Atmosphäre allgegenwärtiger Gewalt leicht „Game of Thrones“ toppt.

Das Buch demonstriert intelligent die Relationen zwischen Realpolitik und deren Umsetzung in verklärende Erzählungen. Dabei belässt Holland das antike Rom in seinen eigenen Parametern, das heißt, er verzichtet trotz moderner Begrifflichkeiten auf a-historische Analogien, lässt also die Alterität der geschilderten Ereignisse und Persönlichkeiten bestehen. Das macht die Angelegenheit umso spannender, weil man so Fremdes in seiner Fremdheit verstehen kann. Und das haben wir sowieso bitter nötig.

Tom Holland. Dynastie: Glanz und Elend der römischen Kaiser von Augustus bis Nero. Sachbuch. Klett-Cotta Verlag 2016, Übersetzung: Susanne Held, 510 Seiten, 26,95 Euro

51gooovebal-_sx301_bo1204203200_Nicht ausgedient

(JF) Eine der traditionsreichsten deutschen Krimireihen ist im digitalen Jetzt angekommen. Das Dortmunder Fernsehteam Pegasus, seit den späten achtziger Jahren im Einsatz, sieht sich in seinem jüngsten Fall mit den gefährlichen Auswüchsen moderner Informationstechnologie konfrontiert. Dass Ermittlungen im virtuellen Raum ebenso spannend sein können wie handfeste Recherche in den dunklen Ecken des Ruhrgebiets, beweist „Datengrab“, der neue Roman um den in die Jahre gekommenen Amateurschnüffler Klaus-Ulrich Mager und seine Crew,  auf überzeugende Weise. Krimiveteran Reinhard Junge, der die erfolgreiche Serie 1988 gemeinsam mit dem Journalisten Jürgen Pomorin (als Leo P. Ard) erfunden hat, arbeitet nach einigen im Alleingang verfassten Büchern wieder im Team. Mit der gelernten Informatikerin Christiane Bogenstahl steht ihm eine sachkundige Partnerin zur Seite.

Gleich zwei Fälle sind es, mit denen sich die Pegasus-Leute dieses Mal herumschlagen müssen. Am Informatikinstitut der Uni Duisburg-Essen verschwindet eine Doktorandin, und im ehemaligen Kleingarten von Magers Eltern taucht ein Skelett auf. Ein intrikater Plot verknüpft die beiden Rätsel auf elegante Weise, während der verantwortliche Bösewicht in kräftigen Farben unter gelegentlichen Anleihen bei einschlägiger Psychoware porträtiert wird. Das ist nicht zwingend, aber durchaus unterhaltsam. Und zeigt wieder einmal, dass auch in digitalen Zeiten die seit 150 Jahren bewährten Motive und Techniken literarischer Kolportage nicht ausgedient haben.

Bogenstahl & Junge: Datengrab. Kriminalroman. 445 Seiten. Dortmund: Grafit 2016. € 12,00.

41eocnnxldl-_sx318_bo1204203200_Menschenliebe, Solidarität und Respekt

(TW) Sehr wohlig um´s Herz wird es einem bei Liza Codys Miss Terry (Ariadne). Jemand musste Nita Tehri verleumdet haben, denn ohne etwas Böses getan zu haben, wurde sie eines Tages von der Polizei verdächtigt. Dabei ist Nita nur eine harmlose Lehrerin mit indischem Background, die im Dissens mit ihren Eltern, vor allem ihrem Vater, versucht, ihr eigenes Leben zu leben. Aber dann taucht im Müllcontainer vor ihrem Haus eine Babyleiche auf – und hatte Nita nicht jüngst deutlich an Gewicht verloren? Die sozialen Sanktionen in der völlig durchschnittlichen englischen Wohnstraße werden grimmig, Unheil droht von ihrer eigenen Familie.

Was so kafkaesk beginnt, dreht sich zunehmend ins Herzige: Denn die Außenseiter der Nachbarschaft beginnen sich peu à peu mit der armen Nita zu solidarisieren, Hilfe kommt aus Ecken, aus denen Nita nie welche erwartet hätte. Liza Cody fährt wunderbare Szenen aus dem alltäglichen Wahnsinn auf, skizziert mit satirischem Blick Bürokraten, Spießer, Schurken und Polizisten, die einem freundlichen Wesen das Leben zur Hölle machen können. Und formuliert ein trotziges „Dennoch!“.

Früher hätte man so etwas einen „Verständigungstext“ genannt – ein rührendes Plädoyer für Menschenliebe, Solidarität und gegenseitigen Respekt.

Liza Cody. Miss Terry. Roman. Aus dem Englischen: Martin Grundmann. Argument/Ariadne-Verlag, Hamburg 2016. 320 Seiten, 17,99 Euro

613pkoihigl-_sx350_bo1204203200_Eingeschneite Träume

(rum) Notre-Dame-de-la-Merci heißt das abgeschiedene kanadische Dorf in den Wäldern Québecs, in dem der heute 27-jährige, im schweizerischen Lausanne geborene Quentin Mouron seine Kindheit verbrachte und dem er in seinem zweiten Roman ein nicht eben schmeichelhaftes Denkmal setzte. Es schneit und das Dorf mit seinen weit verstreuten Häusern ist bei ihm ein trostloser Ort. „Ehrlich gesagt, hier gibt es nichts, das als Kulisse für ein Verbrechen dienen könnte. Es ist ein Rentnerdorf“, lässt er seinen, sich immer wieder kommentierend einmischenden Ich-Erzähler gleich zu Beginn konstatieren, als die Leiche eines alten Mannes  gefunden wird, der sich in seinem Wohnzimmer erhängte.

Einen langen Tag folgt der Erzähler drei Dorfbewohnern. Da ist der geistig etwas zurück gebliebene Daniel, der ganz für sich im Stillen die Koksdealerin Odette liebt. Nur um ihr nahe zu sein, wird er zum Drogenkurier, liefert die kleinen Tütchen im Ort aus. Die  schöne Odette hingegen hat keinen Blick für Daniel. Sie fühlt sich zu Jean hingezogen, dessen Vater sich eben erhängte. Jean nahm der Leiche vorsorglich die goldene Uhr und das Bargeld ab, um nicht mit seinen Geschwistern teilen zu müssen. Er ist ein koksender Ignorant mit autistischen Zügen, der gern ein Gangster wäre und von einem besseren Leben in Mexiko träumt.

Keine guten Voraussetzungen also für ein gedeihliches Miteinander. Hier spricht keiner Klartext, alles brodelt vor sich hin. Und so treibt Mouron sein  bizarres Figurenensemble auf einen Punkt zu, an dem ein Verbrechen aus Verzweiflung immer wahrscheinlicher wird. Mouron arbeitet mit Andeutungen, skizziert, tupft in präziser Prosa und schafft damit eine reichlich frostige Atmosphäre, die gelegentlich allerdings etwas sprödes, kammerspielartiges hat. Mouron lässt manches holzschnitthaft stehen und vertieft anderes in einem Satz. Es ist eine kleine, düstere Welt voll eingeschneiter Träume, Verbitterung und Sprachlosigkeit, auf die er da blickt und zu einem Kondensat in Sachen Tristesse macht. Nur gelegentlich ist da ein mattes Leuchten.

Quentin Mouron: Notre-Dame-de-la-Merci (Notre-Dame-de-la-Merci, 2012) ). Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. Bilger-Verlag, Zürich 2016. 104 Seiten, 18 Euro.

61bnet12tml-_sx322_bo1204203200_Hommage an Eric Ambler

(TW) Eine kühle Temperaturskala bedient wie immer Ross Thomas. Mit Protokoll für eine Entführung schreitet die Werkausgabe im Alexander Verlag wacker voran. Philip St. Ives, was uns sagt, dass der Roman früher unter Thomas´ Pseudonym Oliver Bleeck erschienen ist, wird auf den Balkan geschickt, um im damaligen Jugoslawien die fingierte Entführung des US-amerikanischen Botschafters zu handeln, die eine größere Geheimdienstoperation im Kalten Krieg übertünchen soll. Spaß macht das nicht gerade, aber St. Ives wird von einem sehr dubiosen Mitarbeiter des Außenministeriums wenig subtil unter Druck gesetzt.

Also muss er eher subtil versuchen, aus der Nummer herauszukommen. Der Roman ist möglicherweise nicht der allerstärkste Ross-Thomas-Roman, aber das heißt bei der grundsätzlichen Qualität des Gesamtwerkes relativ wenig. Und vor allem ist Protokoll für eine Entführung die deutlichste Hommage von Ross Thomas an den von ihm so bewunderten Eric Ambler („Ambler, immer wieder Ambler“, pflegte er auf seine literarischen Inspiratoren angesprochen, zu sagen). Ambler´sch ist der Schauplatz, die Szenerien, die zwielichtigen Figuren, das gesamte Setting. Plus die Ross Thomas´schen coolen Zynismen, seine einzigartige Poetik der Äußerlichkeiten – das reicht für einen ziemlich sehr guten Roman bei weitem.

Ross Thomas. Protokoll für eine Entführung. Roman. Alexander Verlag. Berlin 2016. Aus dem Amerikanischen:  Wilm W. Elwemspoek, 245 Seiten. 14,99 Euro

51gtkm0lmgl-_sx319_bo1204203200_„Auf einer Skala von eins bis Gefängnis, wie viel Scheiße haben Sie gebaut?“

(AR) Bundesagent Aaron Falk reist von Melbourne ins ländliche Kiewarra, dem Ort seiner Kindheit, um an der Beerdigung seines ehemals besten Freundes Luke Hadler teilzunehmen. Luke hat angeblich erst seine Frau und seinen Sohn erschossen, bevor er die Waffe letztendlich gegen sich selbst richtete. Erweiterter Selbstmord. Aaron ist sich nicht sicher, was er glauben soll. Da ist die Stimme in seinem Hinterkopf, die an der offiziellen Version zweifelt und ihn dazu bringt, gemeinsam mit Provinz-Cop Raco den Fall neu aufzurollen. Da ist die Stimme der Erinnerung, die ihm zuflüstert, dass mit Luke immer schon etwas nicht gestimmt hat. Und da ist der Tod eines Mädchens, der lange zurückliegt, und der Aaron jetzt in Form von feindseligen Blicken, vor allem aber in Gestalt eines verbitterten alten Mannes wieder einholt.

Nachdem Suhrkamp mit Candice Fox vorgelegt hat, schickt nun auch Rowohlt eine Autorin aus down under ins Rennen. Debütantin Jane Harper, hauptberuflich Journalistin bei der Herald Sun, legt mit „The Dry“ einen Thriller vor, in dem die Vergangenheit ihre Krallen Richtung Gegenwart ausfährt und ein zutiefst verunsicherter Protagonist sich in der Hitze des Gefechts mit alten Wunden herumschlagen muss. Einziges Manko: Die nicht nur im Titel versprochene Gluthitzen-Atmosphäre will sich nicht so recht einstellen – Jane Harper arbeitet zu stark mit Behauptungen und zu wenig mit sinnlich Erfahrbarem – und auch der Plot-Twist am Ende hätte ruhig etwas tiefer in der Erzählstruktur verscharrt werden können, so sieht man ihn nämlich etwa ab der Hälfte des Textes fröhlich winken.

Sei’s drum. Ein Debüt ist ein Debüt ist ein Debüt. Und Luft nach oben wird schließlich irgendwann Luft zum Atmen – vorausgesetzt man wächst noch.

Jane Harper: The Dry. Thriller. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Rowohlt Polaris, Reinbek 2016. 379 Seiten, 14,99 Euro.

download-1Schlicht, aber okay

(TW) Etwas schlicht ist Scharfschuss von Michael Connelly (Droemer) gestrickt – der neue Roman mit Harry Bosch. Der steht inzwischen ein Jahr vor der endgültigen Pensionierung vom LAPD, wo er tapfer in der Cold Case Unit für Gerechtigkeit und Recht sorgt. Ein knorziger Cop, very old school, mit einem Hang zu Schusswaffen, der zwar auch mit politischen Opportunisten im Department und fiesen Politicos zu kämpfen hat, aber letztendlich doch polizeifromm rüberkommt.

Zudem wird Connelly nicht müde, akribisch polizeiliche Verfahren, Institutionen und Zuständigkeiten zu referieren, als ob sein Roman ein Infoblatt des LAPD wäre. Aber nichtsdestotrotz: Die Geschichte von anscheinend sinnlosen Attentat auf einen Mariachi-Musiker, der vor zehn  Jahren angeschossen wurde und in der Jetztzeit den Spätfolgen der Schusswunde erliegt und zwischenzeitlich als Politikum missbraucht wurde, liefert eine Menge Stoff für eine Stadtgeschichte von Los Angeles, die wunderbar gelungen ist. Bosch und seine neue Untergebene, Lucia Soto, sind ein Ermitttlerduo mit hohen Identifikations- und Sympathiewerten für ein Publikum, das sowas zu schätzen weiß. Ein bisschen kritisch, ein bisschen eigen, ein bisschen robust.

Wohlfühllektüre, ganz auf der sicheren Seite. Is´ schon okay.

Michael Connelly. Scharfschuss. Roman. Droemer 2016, Übersetzung: Sepp Leeb, 464 Seiten, 22,99 Euro

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