Unaufgeregte Musikalität
– 15 Jahre, 7 Studioalben, was kann man von einer derart etablierten Band bei Studioalbum Nr. 8 noch erwarten? Nur das Beste, wie Tina Manske feststellt.
Der Opener „Art Of Almost“ beginnt mit einem synkopierten Beat, ist im Mittelteil melancholischer Popsong, um am Ende in einem Noise-Giterrengewitter zu enden – genau so hat man sich den Start in das neue Wilco-Album gewünscht. Von einer Band wie Wilco, die es nach fast zwanzig Jahren nicht mehr nötig hat, irgendjemandem irgendetwas zu beweisen, erwartet man dann natürlich doch eben immer auch das: dass sie einen wieder Mal umhaut.
Und ja, es klappt: Wilco breiten in zwölf Songs einen Klangteppich aus, der so ziemlich alles abdeckt, was man als Rockband machen kann, wenn man es kann: vom erwähnten noisigen Beginn über Balladeskes, über den grundanständigen College Rock („Born Alone“, das im übrigen mit einer sehr schönen Abwärtsfahrt der Gitarren endet, die leider ausgefadet wird), über den ehrlichen Sound des Alternative Country („Black Moon“, „Open Mind“) und Alternative Rock („Standing“) bis hin zum verträumten „One Sunday Morning (Song For Jane Smiley’s Boyfriend)“, das die Platte beschließt.
Dieser Song ist überhaupt ein schöner Blueprint für die Meisterschaft dieser Band: Wie hier eine ganz einfache, locker-leichte Gitarrenmelodie zu einer Hookline wird, das ist wunderbar gemacht, mit leichter Hand, nicht aufdringlich, aber handwerklich perfekt. Überhaupt die Gitarren: Wer würde bestreiten wollen, dass man es hier mit Jeff Tweedy und Nels Cline mit zwei der besten Rockgitarristen zu tun hat? Veröffentlicht wird „The Whole Love“ auf dem bandeigenen Label dBpm (= dezibel per minute), produziert hat Tweedy zusammen mit dem Keyboarder Patrick Sansone und Tom Schick, der auch bereits bei Rufus Wainwright und Norah Jones hinter den Reglern stand.
Nichts an all diesen Songs ist überraschend oder extrem ausgefallen, nichts versucht sich in den Vordergrund zu spielen, hier herrscht vielmehr eine niemals ins Stolpern geratende Selbstsicherheit und eine unaufgeregte Musikalität.
Tina Manske
Wilco: The Whole Love. Anti/dBpm (Epitaph). Zur Homepage.