Geschrieben am 26. Januar 2011 von für Musikmag

Tu Fawning: Hearts On Hold

Tu Fawning sind der neue Stern am Himmel melancholischer Traurigkeit. Hier brechen keine Herzen, nein, hier zerfließen sie. Das Debütalbum der Band aus Portland, Oregon besticht durch eine zeitlose Wehmut, die am Ende doch glücklich macht, findet Janine Andert.

Tu Fawning: Hearts On HoldHoffnung durch Gesang

Wie lässt sich ein Album beschreiben, dessen Klänge so warm und vertraut daherkommen, dass unweigerlich die Schubladen des Hirns nach Ähnlichkeiten durchforstet werden? Bei „I Know You Now“ öffnet sich unweigerlich das Kästchen „Portishead/Unterkategorie: zweites, selbsbetiteltes Album“. Irgendwie ist da auch Beach House, genauer der über die Stimme gelegte Hall. Das scheint gerade modern zu sein. Trotz der Selbstherrlichkeit solcher Gedanken schließen sich die Schubladen dennoch sofort wieder, verwirrend klappen, surren und tanzen sie im weiteren Verlauf immerfort auf und zu. Tu Fawning benennen eine endlose Liste an Einflüssen: indonesische Gamelan-Musik, afrikanische Tribal-Drums, Tom Waits, die Boswell Sisters, Jay-Z, in der Tat Portishead, die Liars, psychedelischen Folk, Dub, Dancehall, Bigband Jazz, klassische Musik, Musik der 20er- und 30er-Jahre, hawaiianischer Folk… Belassen wir es dabei und sagen einfach kurz: Tu Fawning sind große Musikliebhaber, die für alles offen sind. Das beanspruchen zwar die meisten Musiker für sich, bei Tu Fawning stimmt es aber. So bleibt festzuhalten: Der Sound von Tu Fawning ist einzigartig. Vielleicht trifft es „Musique noire“ am besten – entlehnt dem Filmgenre „Film noir“. Die Band selbst vergleicht ihr Schaffen dann auch mit Filmen: „Wenn wir Musik machen, dann haben wir Filme im Kopf. Es hat was von Magie, wenn dein eigener Song plötzlich so klingt, als würde ein Riese durch ein weites Tal schreiten, als würde ein Piano in einem dunklen Keller in Paris der 20er-Jahre malträtiert werden, als würde man auf einem stürmischen Berggipfel Schlagzeug spielen.“

Gespensterhaft, finster

Höhepunkt, Abschluss und Hymne dieser gekonnt zelebrierten Dunkelheit ist „Lonely Nights“. Ein Duett, welches das klassisches Negro Spiritual durch einen Delay-Effekt verlangsamt und mit todtrauriger Posaune und Zeilen wie „lonely nights, I want more than you can give, swing low“ die Sehnsucht einsamer Nächte auf den Punkt bringt. Es ist das Bild Gefangener, die sich die Hoffnung durch Gesang bewahren. Folgerichtig ließen sich hinter Tu Fawning beziehungsgebeutelte Musiker vermuten, die ihren Enttäuschungen einmal Ausdruck verleihen wollten. Weit gefehlt. Tu Fawning sind erst einmal Joe Haege und seine Freundin Corinna Repp, und laut Joe wurde die Band nur für Corinnas Stimme gegründet. Das hört sich süß und verliebt an, aber ganz bestimmt nicht nach Weltschmerz. Beide machten sich bereits durch verschiedene Soloprojekte, darunter 31 Knots (Haege), einen Namen in Portlands Szene. Haege ist nebenbei noch Tour-Gitarrist von Menomena – wohl auch der Grund, warum die Klaviereinlagen auf „Hearts On Hold“ auf dem Menomena-Klavier eingespielt wurden. So also schließt sich der Kreis.

Weil vier Finger für die musikalischen Visionen nicht ausreichten, wird das Paar Repp und Haege, das sich gleichberechtigt Piano, Drums, Percussions, Gitarre, Samples und den Gesang teilt, von zwei weiteren Multiinstrumentalisten unterstützt. Toussaint Perrault (ob hier eine Verwandtschaft zum großen französischen Märchenerzähler des 17. Jahrhunderts vorliegt?) ist ergänzend zuständig für Trompete, Posaune, Drums, Pauke, Gitarre und Gesang, Liza Rietz für Piano, Violine und Gesang. Böse Zungen mögen an dieser Stelle aufheulen und jammern, wer heute kein Multiinstrumentalist ist, dürfe sich nicht einmal mehr als Popstar versuchen. Selbst Lady Gaga kann Klavier spielen. Aber nehmen wir es positiv: Das Zeitalter des Punk und Garagen-Rocks ist vorbei, und wirkliche Musiker eröffnen dem Hörer neue Blickwinkel auf den Sound einer klassischen Rockband. Momentan geht das offenkundig in Richtung gespensterhafter, finsterer Harmonien, die gleichzeitig auf akzentuierte Rhythmen setzen. Der ewige Herbst scheint eingeläutet, Bands wie Zola Jesus und Beach House haben es bereits angedeutet. Das ist nach Folk und Zuckerpop aber auch mal erholsam.

Janine Andert

Tu Fawning: Hearts On Hold. City Slang (Universal).
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Kostenloser Album-Stream: tufawning.bandcamp.com/album/hearts-on-hold

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