Geschrieben am 19. Februar 2014 von für Musikmag

Tilman Rossmy Quartett: Ich weiß nicht wer du bist

tilmanrossmyquartett_ichweissnichtwerdubist„Umso besser, dass es Gefährten gibt, die dabei bleiben, die immer wieder kommen“

– Sucht man nach den wichtigsten deutschsprachigen Pop-Poeten zwischen Udo Lindenberg in den 1970ern und Andreas Spechtl heute, so fallen einem Namen wie Peter Hein, Nils Koppruch, Andreas Dorau, Christiane Rösinger, Sven Regener oder Jochen Distelmeyer ein. Auch in diese Liste gehört zweifelsohne Tilman Rossmy, der mittlerweile nur noch sporadisch und komplett auf eigene Kappe in Erscheinung tritt.

Eher zufällig bin ich im Netz auf der Seite von Tilman Rossmy auf das neue Album gestoßen. Mit 10 Euro direkt an den Künstler ist man dabei. Eine Stunde später kommt eine Mail von Herrn Rossmy mit dem Link zur digitalen Version der Platte, zwei Tage später liegt das Album im Briefkasten – mehr independent geht nicht.

Im Schnelldurchlauf die Musikkarriere von Tilman Rossmy: Anfang der 1980er das erste Kapitel seiner Band „Die Regierung“, dem ein zweites erfolgreicheres in den frühen 90ern mit dem vierten und letzten Album „Unten“ folgt. Für mich eine der deutschsprachigen Platten überhaupt. Danach zwei Soloplatten und ab Ende der 90er das Tilman Rossmy Quartett mit mittlerweile sieben Alben, das nur online verfügbare Minialbum „Intuition“ mitgerechnet. In den letzten zehn Jahren ist es leider verdammt ruhig geworden um Tilman und seine Band. Ging man anfangs noch auf eine kleinere Tour zur jeweils neuen Platte, sind sie jetzt schon länger nicht mehr unterwegs gewesen.

Das ist sehr bedauerlich, sind doch Rossmy Konzerte von außergewöhnlicher Qualität und haben eine ganz besondere Atmosphäre. Ich habe die Band z. B. mehrmals im formidablen Subrosa in Dortmund oder der legendären Luna-Bar in Münster bewundern können. Tilman, lakonisch und tiefenentspannt, begleitet vom auch nicht als Hektiker bekannten Folke Jensen an der Gitarre und dem unglaublich groovenden Ralf Schlüter am Piano. Schlagzeuger Rob Feigel ist über die Jahre leider abhanden gekommen und wird nunmehr von Flo Kampfer ersetzt.

Die Themen sind auch auf „Ich weiß nicht wer du bist“ die von Tilman Rossmy bekannten: Die gute wilde Zeit, Unterwegssein, Selbstfindung, Suchen. Neu sind die zusätzliche Sängerin Ana Detree und das eine oder andere Soundexperiment. Los geht es mit „Irgendwohin“ einer gut abgehangenen Country-Nummer. Ja, das ist sie, die kleine geölte Landstraßenkapelle, wie Rossmy seine Band auch bezeichnet. Eine entspannte Gitarre, ein perlendes Klavier, etwas Mundharmonika und die sonore Stimme von Rossmy, hier im Duett mit Detree. Danach drei Uptempo-Nummern mit Hitpotenzial: recht rockig in „Beinahe berühmt“, der Vocoder bei „Eigentlich“ ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber doch irgendwie gut. Und schließlich „Jedes Jahr um diese Zeit“ mit der Textzeile „Am frühen Nachmittag treffen wir uns an der Bar und wir trinken Bier aber nicht mehr so viel.“ Spektakulär.

Etwas ruhiger geht es bei den nächsten Nummern mit dem typischen Rossmy-Sprechgesang weiter. Ein weiteres Highlight im mittleren Teil der Platte ist „Schüttel dein Haar und tanz“ mit dem obligatorischen „Ja, ja, ja, ja“. Am Ende franst die Platte leider etwas aus, eine Nummer wird von Ana Detree alleine gesungen, etwas seltsames Gefrickel auf „Sonnenschein“ und der Rausschmeißer „Dieser Weg ist dein Weg“.

Aber egal: Insgesamt endlich wieder ein Lebenszeichen von einem großartigen deutschen Liedermacher und seiner coolen Band, die eine andere Aufmerksamkeit verdient hätten. Aber so ist das nun mal, meinte auch schon der ebenfalls gerade mit einer sagenhaften Platte reüssierende Andreas Dorau. Und so kann man Exklusiv-Fan-Sein mit der vom Künstler persönlich geschickten Platte zelebrieren. Jetzt aber mal wieder ein Gig z. B. im Subrosa wäre das I-Tüpfelchen…

Wolfgang Buchholz

Tilman Rossmy: Ich weiß nicht wer Du bist. Zur Homepage.

Tags :