Geschrieben am 23. Februar 2011 von für Musikmag

Soundcollage

Große Bands von der Insel und ihre Neuen

– Was für eine Freude, dass gerade viele neue Alben von großen Bands aus UK erscheinen, z. B. die von Radiohead, The Streets, Mogwai und Seefeel. Tina Manske hat sie sich angehört.

Radiohead: The King Of LimbsUnangefochten

Mit ihrem achten Album haben Radiohead einmal mehr bewiesen, dass sie die Gesetze des Internet besser verstehen (und noch dazu treuere Fans haben) als die meisten anderen Bands. Erst einige Tage zuvor war bekannt geworden, dass mit „The King Of Limbs“ demnächst die neueste Platte der Briten zum Download erhältlich sein sollte. Am Freitag letzter Woche war es dann soweit, und nicht nur bei Twitter war „Radiohead“ das Buzzword der Stunde. Wie aber klingt sie nun, die neue Radiohead? Nun, Thom Yorke und seine Mitstreiter haben das Rad nicht neu erfunden, und auch nicht sich selbst – und das ist schön. Zunächst könnte man den Eindruck gewinnen, Radiohead ruhten sich auf dem aus, was sie können: atmosphärisch dichte Songs an der Grenze zwischen Elektronik und Akustik zu schreiben und durch Yorkes Stimme veredeln zu lassen. Und tatsächlich erkennt man manches wieder, was schon Alben wie „In Rainbows“ oder in Ansätzen auch „Kid A“ hörbar war, und auch im Solowerk „The Eraser“ von Thom Yorke – viel Percussion, eine Hinwendung zum elektronischen Sound und wenig bis gar keine Gitarren, stattdessen Piano und sogar Bläser („Codex“). „Slowly we unfurl, as lotus flowers“, singt Thom Yorke auf der Single „Lotus Flower“, mithin eines der eingängigsten Stücke der Platte und ebenso wie „Codex“ ein kommender Klassiker. Und so ist eben auch mit Radiohead-Alben: ganz langsam muss man sie sich erarbeiten, dann öffnen sie sich auch, wenn auch nicht immer Richtung Himmel, sondern auch mal ins Bodenlose.

Radiohead: The King Of Limbs. Als Download erhältlich unter http://www.thekingoflimbs.com/. Das Album soll im März erscheinen, im Mai gibt es dann eine Offline-Deluxe-Newspaper-Version bei XL mit umfangreichem Artwork – und komplett biologisch abbaubar.
Die Homepage der Band. Radiohead auf Myspace sowie bei Facebook.

The Streets: Computers And BluesUngerührt

Ungeheuer aufgeräumt – das ist der Höreindruck, der nach der Verköstigung des neuesten und gleichzeitig letzten The Streets-Album „Computers And Blues“ überwiegt. „Packing up my desk, put it into boxes/ knock out the lights, lock the locks and leave“, singt Mike Skinner auf dem die Platte beschließenden „Lock The Locks“, und er klingt dabei unglaublich erleichtert. Dabei funktioniert der Nu-Hip-Hop-Sound der Band auch mit dem fünften Album, acht Jahre nach dem musikhistorisch bahnbrechenden „Original Pirate Material“, immer noch wunderbar, und auch textlich ist Skinner ganz auf der Höhe seiner Zeit; wenige andere Musiker können in ihre Raps so scheinbar mühelos unser ganzes digitales Leben – von Computerspielen über pixelige Bilder bis hin zu Facebook-Statusmeldungen – einfließen lassen. Geradezu grandioses Textkino ist der Song „ABC“, in dem Skinner die Reime buchstäblich von A bis Z durchdekliniert. In „Try To Kill M. E.“ beschreibt er dagegen ziemlich genau, was ihn vor kurzem ins Krankenhaus und an den Rande des Todes brachte. Und was man ja immer wieder gern vergisst: Mike Skinner kann auch ganz wunderbare Balladen schreiben. Auf „Computers And Blues“ sind das Songs wie „Soldiers“ und „We Can Never Be Friends“, Songs, die im besten Sinne des Wortes Bluesstücke sind, auch wenn sie als Hip-Hop daherkommen. Wenn er jetzt also geht, unser liebster Geezer, dann winken wir ihm ein wehmütiges „Dry your eyes, mate“ zu, wischen uns selbst die letzte Träne aus dem Augenwinkel und hoffen, dass wir Skinner bald als Filmemacher oder Buchautor wieder begegnen. Beides sind Projekte, die er für die Zukunft geplant hat.

The Streets: Computers And Blues. Warner Music.
Die Homepage des Musikers. The Streets auf Myspace und bei Facebook.

Mogwai: Hardcore Will Never Die, But You WillUnsterblich

Auch die Post-Rocker von Mogwai erfreuen uns mit einem neuen Album, ihrem siebten mittlerweile. „Hardcore Will Never Die, But You Will“ ist ein schöner Titel, weil er sowohl als selbstbewusstes Von-oben-Herabschauen als auch als bescheidenes memento mori verstanden werden kann. Die Stücke der Platte allerdings sprechen natürlich wieder einmal eine eindeutige Sprache, und die ist alles andere als unterwürfig. Die Band aus Glasgow baut gewohnt makellose Wände aus Sound, und das wirkt so kinderleicht und ist doch so filigran gearbeitet, dass einem schonmal die Spucke wegbleiben kann. Seit Jahren immer wieder diese Veröffentlichungen auf extrem hohem Niveau – wie lange wollen die Jungs das noch weitermachen? Etwa bis sie sich zu langweilen beginnen? Laut vs. leise, minimal vs. orchestral, es ist mal wieder alles auf den Punkt. Dazu sehr verhaltener Einsatz von Stimme, die, wenn überhaupt, dann nur verzerrt erklingt. Das Schöne ist: man kann hier in das Mogwai-Universum einsteigen oder bei einer ganz anderen ihrer Platten, man wird immer direkt im hardcore landen. Willkommen in der Unsterblichkeit.

Mogwai: Hardcore Will Never Die, But You Will. Rock Action/PIAS (Rough Trade).
Die Homepage der Band. Mogwai auf Myspace und bei Facebook.

Seefeel: ditoUnited

Es ist die vielleicht überraschendste Reunion dieses Jahres: Seefeel, gegründet von Mark Clifford und Sarah Peacock, war 1994 die erste Band auf dem Warp-Label, die zwischen all der Elektronik, für die dieses Label berühmt war, auch mit Gitarren arbeitete. Schnell wurden sie zur Kultband für Fans des elektro-pop-minimalistischen Rockersound, bis sie 1997 bereits wieder getrennte Wege ging. Auf ihrem nun erschienenen selbstbetitelten Album, das erste nach 14 Jahren, arbeiten Seefeel sehr stark mit Percussions, was auch daran liegen mag, dass Drummer Iida Kazuhisa (Boredom) jetzt zur Band gehört. Unter all den Klicks und dem elektronischen Gewaber sind aber auch immer wieder Stimmen zu entdecken, wie bei „Dead Guitars“ etwa. Songs wie die Single „Faults“ könnten sogar auf der Tanzfläche nachts um halb zwei funktionieren – schön, wie sich hier afrikanische Rhythmen und europäischer Minimalismus treffen. Aber auch die eher atonalen Experimente sind nach wie vor hörenswert. Bald soll es wieder auf Tour gehen, und es wird interessant sein zu sehen, wie sich die Band auch in ihren Live-Improvisationen weiterentwickelt hat.

Seefeel: dito. Warp (Rough Trade).
Die Band auf Myspace und bei Facebook.

Tina Manske

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