Dunkle Schönheit
– Sein erstes Solo-Album seit 2004 veröffentlicht in diesen Tagen Mark Lanegan. Der Mann mit der Whiskey-Stimme hat seit den Grunge-Jahren einen Output, der kaum zu toppen ist. Thomas Backs genießt „Blues Funeral“ und empfiehlt für den nächsten Party-Besuch den „Lanegan-Test“.
Musikliebhaber sind Partygäste, die gerne auch mal Plattensammlungen checken. Wenn die Gastgeber nicht zu der Spezies gehören, die ihre gesamten Alben ins MP 3-Format gezogen und auf den Dachboden gebracht haben. Oder sowieso nie Tonträger in physischer Form besessen haben. So etwas soll es mittlerweile tatsächlich auch geben. Jedenfalls: Ein durchaus interessante Variante kann der „Lanegan-Test“ sein. Die Aufgabenstellung ist dabei ganz einfach: „Untersuche die Sammlung in diesen Räumlichkeiten auf den Anteil an Tonträgern, die unter Beteiligung eines Musikers namens Mark Lanegan aus Seattle/ USA aufgenommen wurden.“ Die Kategorien:
a) Rocker: Besteht den „Lanegan-Test“ in der Regel mit Bravour. Leicht zu erkennen an den Queens Of The Stone Age-Alben. „Rated R“ (2000) und „Songs For The Deaf“ (2002) zählen für sie/ ihn vielleicht zu den besten Longplayern aller Zeiten. Wenig verwunderlich: Mark Lanegan war auch an diesen beiden Alben der Band von Josh Homme beteiligt, am letzteren sogar als offizielles Mitglied von QOTSA.
b) Genießer: In dieser Sammlung steht mindestens eines der drei Alben, die Mark Lanegan von 2006 bis 2010 mit Isobel Campbell aus Glasgow veröffentlicht hat. Oft genug vollzog dieses Duo einen Rollentausch. Campbell (früher: Belle & Sebastian) übernahm dabei den Part von Serge Gainsbourg und Lee Hazlewood als Songwriterin, Lanegan haucht Country-Rock und Balladen mit seiner Whiskey-Stimme und im Duett mit der „Elfe“ Leben ein.
c) Alte Schule: Gastgeber, in deren Kollektion hinter Mudhoney, Nirvana und vor Temple Of The Dog auch noch die Screaming Trees zu finden sind, die waren Anfang der 1990er wahrscheinlich mittendrin, als Grunge beinahe zeitgleich mit LoFi eine neue Zeitrechnung in der Musikwelt einleitete. Mark Lanegan-Faktor: hoch.
d) Completists: Krasse Typen. Neben Scheiben von den Screaming Trees, Queens Of The Stone Age und den Duetten mit Isobel Campbell enthält dieser Plattenschrank auch noch „Saturnalia“ (2008) , ein Album der Gutter Twins. Das war Lanegans Duo mit seinem alten Kumpel Greg Dulli (The Afghan Whigs). Womöglich sind hier auch noch einige der Solo-Alben und Projekte wie Soulsavers und The Twilight Singers zu finden. Abendfüllendes Programm.
Allzu ernst ist diese Untersuchung nicht gemeint, schließlich gibt es ein Leben jenseits der Plattensammlung. Fest steht: Wer Herrn Lanegan und seine Werke aus den letzten zwei Jahrzehnten mag, der wird auch Solo-Album Nummer 7 genießen. Produziert wurde es in den Studios von Alain Johannes (Queens of the Stone Age, Eagles of Death Metal) in Hollywood, neben anderen haben mit Josh Homme, Greg Dulli, Jack Irons (Red Hot Chili Peppers, Pearl Jam) viele prominente Weggefährten mitgewirkt. Namen, die mit dem Opener „The Gravedigger`s Song“ scheinbar auf klassischen Wüstenrock einstimmen:
Dieser Einstieg täuscht dann aber doch ein wenig. Wild und rockig ist der folgende Trauermarsch auf voller Albumlänge nicht, Tempo nehmen die Herren kaum mal auf. Es ist eher das folgende, morbide „Bleeding Muddy Water“, das die Grundstimmung des Longplayers vorgibt. Eben: der Blues. Genauer geschrieben: Electro-Blues, der wie so oft bei Lanegan eben ziemlich düster („Riot In My House“) daherkommt. Poppig und beinahe tanzbar wird der Soulsaver zwischendurch auch mal, zum Beispiel bei den elektronischen Beats von „Gray Goes Black“ und „Ode To Sad Disco“. Eine edle Scheibe mit vielen Facetten, die Lanegan und Co. da geschaffen haben. Dunkel und schön.
Thomas Backs
Mark Lanegan Band: Blues Funeral. 4AD/Beggars Group (Indigo). Zur Website, zur Facebook-Seite.
Mark Lanegan Band live 2012:
14.03.: Köln – Luxor
15.03.: Hamburg – Gruenspan
18.03.: Berlin – C Club
22.03.: Wien – Arena