Keine seichte Esoterik
– Diminishing length of light; kammermusikalische Stimmungen von Jessica Pavone, gehört von Tina Karolina Stauner.
Saiteninstrumentalistin und Komponistin Jessica Pavone formierte die Bands Army of Strangers und The Pavones und spielte bereits mit Ensembles von Anthony Braxton und Henry Threadgill, um nur zwei von vielen zu nennen, und ist in diversen musikalischen Kollektiven. Nun hat sie mit „Hope Dawson Is Missing“ einen Songzyklus veröffentlicht, der sich mit Zerstörung und Wiederaufbau, Migration, Falschheit, Irrtum, Unrichtigkeit und unstrittigen Wahrheiten befasst.
Dieses kammermusikalsche Projekt von Pavone mit dem Toomai String Quintet in Besetzung Violine, Viola, Cello, Kontrabass vertärken Perkussionist Tomas Fujiwara, Vocals von Emily Manzo und die Gitarristin Mary Halvorson. Trotzdem hat dieses acht Kapitel umfassende Werk eine etwas übergewichtig wirkende lyrische Schwere in Kombination mit immer wieder süßlich anmutendem Gesang. Mehr Dominanz der oft kantigeren Jazzgitarristin Mary Halvorson könnte sein, denke ich.
Und dann aber weiter: Das Hören von „Hope Dawson Is Missing“ sollte vielleicht zelebriert werden wie eine Séance bei Kerzenlicht, um die Möglichkeit von etwas Übersinnlichem heraufzubeschwören: Darf man an Geister und Nachrichten von anderswo glauben? Welch Schemenhaftes findet sich in Trance? Dann kann die CD zum Hörgenuss werden. Kann Wirkung entfalten. Aber nur kann. Wie parapsychologisch Experimentelles. Wie merkwürdig Sakrales gegen allzu Profanes. Wie beargwohnt Geheimes gegen ständig allgegenwärtiges Gelaber. Seichte Esoterik ist die CD jedenfalls nicht: „Dawn to dark / increasing length / of night / dawn to dark / diminishing / length of light“.
Tina Karolina Stauner
Jessica Pavone: Hope Dawson Is Missing. Tzadik (SunnyMoon). Zur Homepage von Jessica Pavone, zur Website des Toomai Quintets und zur Homepage von Mary Halvorson.