Geschrieben am 29. Juni 2011 von für Musikmag

Interview mit Chilly Gonzales: The Unspeakable Chilly Gonzales

Chilly GonzalesImmer besser werden

– Mit seinem neuen Album findet Jason Beck aka Chilly Gonzales zu seinen Rap-Wurzeln zurück – aber er macht vieles anders als damals, und anders als irgendjemand sonst. Per E-Mail hat er Tina Manske ein paar Fragen beantwortet.

Der Kanadier Chilly Gonzales ist ja immer für eine Überraschung gut – immerhin ist er Rekordhalter in der Kategorie Dauerklavierkonzert (über 27 Stunden) und vor nicht allzu langer Zeit mit Helge Schneider auf der Bühne gestanden. Als klassisch ausgebildeter Pianist frönt er sowohl elektronischen Beats als auch Hip-Hop. Gonzo lotet also sehr gerne musikalische Grenzen aus – so auch mit seinem neuen Album „The Unspeakable Chilly Gonzales“, mit dem er beweist, dass Rap auch anders kann. Auf der neuesten Platte arbeitet er mit einem Orchester zusammen, es erklingen Geigen, wo ansonsten die harten Beats regieren.

Aber mal ehrlich: Wie viele Journalisten trauen sich denn, zu einem Face-to-face-Interview mit Chilly zu erscheinen, wenn er ihnen schon im Opener „Supervillain Music“ entgegenschmettert: „You ask dumb questions, cause the song has it all answered“? „Na ja, es hat ja schon funktioniert, denn du hast mir gerade eine Frage gestellt, die ich noch nie gehört habe“, sagt Chilly. „Diese Songzeile soll also Journalisten daran erinnern, dass wir alle jeden Tag besser werden müssen in dem, was wir tun!“

Das neue Album wirkt ein wenig wie ein Durchbruch zur Vergangenheit, zu den ruppigen Rapgesten von Songs wie „Take Me To Broadway“ zum Beispiel. „Damals hab ich ja auf Beats gerappt. Jetzt mit Orchester zu rappen war eine Möglichkeit, das Ganze in die Zukunft zu führen. Aber ja: Ich fühle mich ein bisschen wie 2002 – ich habe eine Menge zu sagen und eine Menge zu geben.“

Zum Beispiel den packenden Song „Party In My Mind“, bei dem Chilly jede Zeile auf das Wort „tonight“ enden lässt: „I’m on strike tonight/ gonna skype with Feist tonight/ Watch Southpark tonight/ I knew life starts tonight“ … Worüber reden er und Feist denn, wenn sie sich auf Skype treffen? Sind neue Kollaborationen in Sicht? „Ihr neues Album kommt im Oktober raus, es wird gerade gemixt. Ich fungiere mal wieder als Co-Produzent, zusammen mit Mocky und Feist selbst. Aber wenn wir skypen ist das eher wie wenn Bruder und Schwester sich treffen, wir tratschen und machen Quatsch.“

Chilly Gonzales: The Unspeakable Chilly GonzalesDer nächste Einstein

In „Rap Race“ heißt es: „I believe the next Einstein will write rhymes“, und Chilly zeigt sich geschmeichelt, aber wenig überrascht, als ich meine Überzeugung äußere, dass jemand wie Shakespeare von Chilly-Reimen wie „I’m not a has been, but a has beans/ and that means being beanless is bad dream“ begeistert wäre. Es ist also ziemlich offensichtlich, wen er selbst für den nächsten Einstein hält. „Rap is a meritocracy“, schreibt Chilly auf seiner Website. „The best ones are the most successful ones.“ Darüber kann man bestimmt trefflich ein paar Stunden streiten, fürs Erste aber klingt diese Theorie – auch wenn sie nicht jedem behagen mag – ziemlich plausibel. Welche Rapper bewundert Chilly selbst? „Ich liebe jeden Rapper, der was aus sich gemacht hat. Aktuell mag ich French Montana. Natürlich liebe ich Ricky Ross, Drake, Pusha T, Juicy J, Gucci Mane …“ Von sich selbst sagt er, er sei lediglich ein musikalisches Genie und als Rapper vielleicht sogar ein Totalausfall (s. sein an sich selbst verliehener Titel ‚The worst MC‘, man bemerke das mild lächelnde Understatement).

Warum denn überhaupt Rap? „Weil Rap die einzige Neuerfindung in der Musik ist, seit ich auf der Welt bin. Und ich möchte gern ein Mann meiner Zeit sein, auch wenn ich Pianist bin. Also versuche ich das Pianospiel in die neue Zeit zu transferieren – eine schwierige Aufgabe, aber befriedigend.“

Und warum die symphonische Instrumentierung auf der neuen Platte? „Als ich aufwuchs, hatte ich keine Sampler, Beats, Breaks und Drummachines um mich herum. Ich habe Musik ganz altmodisch gelernt. Als ich mich jetzt also dazu entschloss wieder zu rappen, zwang ich mich dazu eine andere musikalische Begleitung zu finden, eine, die meine wahre musikalische Kultur reflektiert.“

Tina Manske

Chilly Gonzales: The Unspeakable Chilly Gonzales. Gentle Threat (Edel). Die Website des Künstlers. Chilly Gonzalesauf Myspace sowie bei Facebook.