Vintage outlook – crispy sound
– Ende der 70er Jahre tanzten die pubertierenden Jugendlichen in Diskotheken sogar auf dem Land zu der neuen aufkommenden Punk- und New-Wave-Musik. Ein Song bei dem die Tanzfläche, zumindest in der Diskothek meines Vertrauens, der Scheune in Höhr-Grenzhausen, stark bevölkert war, hieß „Hey Lord Don’t Ask Me Questions“ und war von Graham Parker and The Rumor. Das war eine Band aus England, die aber sehr amerikanisch klang und zwischen 1976 und 1980 sechs Studioalben und eine Live-LP veröffentlichte.
In Deutschland wurden sie in erster Linie bekannt durch einen Auftritt in der Rockpalast-Nacht zusammen mit den zu dieser Zeit mega-erfolgreichen The Police. Dieses Konzert begleitete mich einige Jahre auf einer C-90 BASF Chromdioxid-Cassette. Die Musik war auf der einen Seite geprägt von britischen New-Wave-Künstlern wie Elvis Costello, Joe Jackson oder Nick Lowe, der auch produzierte, und klassischen amerikanischen Songwritern wie Bruce Springteen oder Bob Dylan auf der anderen Seite. Die bekannteste Platte war 1979 „Squeezing Out Sparks“.
1980 trennte sich The Rumor und Graham Parker veröffentlichte als Solo-Künstler weiter Platten, die aber nur einem kleinen Insider-Publikum vertraut waren, zu dem ich mich all die Jahre nicht gerechnet habe.
In 2012 kam es dann völlig überraschend zur Veröffentlichung eines neuen Albums von Graham Parker and The Rumor in Originalbesetzung. Sehr gute Reviews und die alte Verbundenheit weckten mein Interesse und kurze Zeit später ging die Platte „Three Chords Good“ bei mir auf Rotation.
Bereits “Snake Oil Capital Of The World”, die erste Nummer, ist ein typischer Graham-Parker-Song. Irgendwie Reggae, verschlepptes Tempo, eingängiger Hook im Refrain und die etwas angekrächzte Stimme von Mister Parker. Das hätte auch auf einem Album aus den 70ern sein können. Weiter geht es mit einer Mischung aus Up-Tempo-Nummern und behäbigeren Schleppern. Alles klassisch arrangiert mit zwei gut hörbaren Gitarren, einer stoischen Rhythmussektion und einem tollen Vintage-Keyboard. Röhrende, fauchende Orgeln und ein klimperndes Honky-Tonky-Piano hört man leider allzu selten auf den oft vor Technik strotzenden, überproduzierten Platten unserer Tage. Die Orgel kling wie früher bei „Der Kommissar“, wenn Erik Ode wieder in einem zwielichten Beat-Schuppen unter langhaarigen Hippies ermitteln musste.
Highlights der Platte sind der sich langsam aufbauende Titelsong, der völlig entspannte Bar-Stomper „Old Soul“ – hier faucht die Orgel besonders wild – oder der solide Rocker „Coathangers“.
Der Platte hört man die Abgeklärtheit der handelnden Akteure in jedem Moment an – keiner der Musiker dürfte unter 60 sein. Völlig unaufgeregt spielen sich Graham Parker und seine Mannen durch zwölf abwechslungsreiche Nummern zwischen Rhythm’n’Blues, Reggae, Folk mit dezenten New Wave-Anklängen.
Schöne Geschichten weiß Graham Parker obendrein zu erzählen, beispielsweise beim Abschlusssong der Platte „Last Bookstore In Town“. Wer eine Zeitreise in die Musik der späten 70er machen will, trotzdem aber einen völlig zeitgemäßen Sound haben möchte, der zu keiner Zeit auch nur im Ansatz verstaubt klingt, der ist hier gut bedient. Jetzt fehlen nur noch ein paar Konzerte in unseren Breiten.
Wolfgang Buchholz
Graham Parker and The Rumor: Three Chords Good. Emm/Primary Wave Records. Zur Homepage.