Geschrieben am 29. Juni 2011 von für Musikmag

Contemporary Noise Sextet / Kilimanjaro Darkjazz Ensemble

Contemporary Noise Sextet: Ghostwriters JokeKlang zu Bild

– Zwei Alben des renommierten Denovali-Labels erzeugen großes Kopfkino mit ihren instrumentalen Räumen, findet Tobi Kirsch.

Die Polen vom Contemporary Noise Sextet arbeiten sich nicht etwa an Noise ab, sie erzeugen zwar mitunter auch vielstimmigen Krach, nur hat das mit dem Genre wenig zu tun. Schon eher mit kurzen Versatzstücken, die sich an Free Jazz orientieren. In der Besetzung Piano, Tenorsaxophon, Trompete, Gitarre, Bass und Schlagzeug erzeugen die sechs Musiker eine ungeheure Dynamik, die über das gesamte Album unterhaltsam durchgehalten wird. Manchmal setzen die Bläser einen harmonischen Satz gegen das frei fließende Klavierspiel, um dann selbst in Soli aus der Einheit kurz auszubrechen.

Insgesamt ist „Ghostwriter’s Joke“ ein spannendes Jazzalbum voller Brüche, dass sich seinem Hörer wahrlich nicht andient, aber ein vielfältiges Bild abliefert. Die Atmosphäre ist mitunter bedrückend und düster, befreit sich aber davon auch schnell wieder. Der Schwere wird nicht selten durch ein raumgreifendes Spiel eines einzelnen Instrumentes die Kraft abgetrotzt, die die Gruppe wie einen Brocken durch die Klanglandschaft zieht. Ein interessantes Album für Menschen, die eigentlich Jazz nicht mögen, aber auf Klänge stehen. Die Gruppe selbst nennt das Album eine musikalische Visualierung von Lebensgeschichten, die einer breiten Masse bekannt sind, aber dennoch dem einzelnen unbekannt. Das lassen wir doch mal einfach so stehen. Die Songtitel bleiben dementsprechend rätselhaft und räumen dem Hörer gehörig Interpretationspielraum ein.

Kilimanjaro Darkjazz Ensemble: FromTheStairwellAlptraumlandschaften

Wesentlich düsterer geht es beim Kilimanjaro Darkjazz Ensemble zur Sache. Ihre Geschichten vom Treppenhaus, aus dem acht verschiedene Türen sich in akustische Welten öffnen, werden in deutlich reduzierterem Tempo erzählt als die ihrer Labelkollegen. Das siebenköpfige Ensemble zaubert eine düstere Alptraumlandschaft nach der anderen in die Vorstellungskraft, die durch Klänge erzeugt werden kann. Besonders herausragend ist das Posaunenspiel, dass sich räumlich voll entfalten kann. Ergänzt wird das ganze durch zwei Streicher, Klavier, Gitarre, Double Bass und Elektronik. Vereinzelt wird sogar gesungen, aber immer so unaufdringlich, dass die Stimme der Gesamtkompositionen genügend Raum lässt.

Diese Musik ist äußerst schwer zu vergleichen, dennoch will ich es versuchen. Eine gewissen Hang zur Schwere haben die Darkjazzer mit „Bohren & der Club of Gore“ gemeinsam, ihre Kompositionen bewegen sich jedoch leichter im Raum. Wo Bohren klingt, als würde sich ein urzeitliches Tier aus einem teerigen Sumpf befreien, zieht dieses Ensemble bisweilen gerade noch ein paar Schlieren der schwarzen Masse hinter sich her. Soll heissen, hier ist man schon am Tageslicht, aber gerade so eben der düsteren Untiefe entflohen. Aber definitiv spielen sie in einer ganz ähnlichen Liga, was die Qualität angeht. „From The Stairwell“ ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven und depressiven Schüben, kann diese Musik doch, im Dunkeln genossen, regelrecht Angst einjagen. Für alle anderen sind Kilimanjaro Darkjazz Ensemble ein wunderbarer Hörgenuss.

Tobi Kirsch

Contemporary Noise Sextet: Ghostwriters Joke;  Kilimanjaro Darkjazz Ensemble: From The Stairwell. Beide Denovali Records (Vertrieb: Cargo).
Die Künstler des Contemporary Noise Sextet auf Myspace und bei Facebook sowie ihre Homepage.
Die Website des Ensembles sowie die Künstler auf Myspace und bei Facebook.