Geschrieben am 28. März 2012 von für Musikmag

Blitzbeats

Neue Platten von und mit Pinkunoizu, Aretha Franklin, Lonely Drifter Karen und Vadoinmessico, gehört von Tina Manske (TM) und Christina Mohr (MO).

Pinkunoizu: Free Time! Post-apokalyptisch

(TM) Pinkunoizu ist japanisch und bedeutet soviel wie ‚pinkfarbener Lärm‘. Pinkunoizu allerdings sind halb deutsch, halb dänisch, und multipel ist auch die Musik der Band – der Waschzettel spricht von einer Mischung aus „Lo-Fi, High-Life und Nu-Folklore, 60er-Asia-Pop und post-apokalyptischem Future-Rock“, und irgendwie ist das, was man sich unter solch einem Geschwurbel vorstellt, dann doch nah dran am tatsächlichen Sound von „Free Time!“.

Pinkunoizu arbeiten gern mit repetitiven Rhythmen, psychedelischen Harmonien und Reverbs. Dass die Platte trotzdem nicht retromanisch, sondern sehr modern und zeitgenössisch klingt, mag auch an den Texten liegen, die sich u. a. mit Feminismus und Cyborgs beschäftigen. „Parabolic Delusions“ ist dabei noch der hitverdächtigste Song: mit japanisch anmutenden Harmonien, einem Kinderchor und einem Refrain, den man tatsächlich beim zweiten Mal mitsingen kann. „The Abyss“ dagegen mutet gleich im Anschluss schon wieder sehr viel hermetischer an, beginnt ganz ruhig mit schwer definierbarem Takt und mündend in ein schön kakophonisches Krautrock-Gewitter. So abwechslungsreich ist das gesamte Album, was man nur begrüßen kann.

Pinkunoizu: Free Time! Full Time Hobby (Rough Trade). Zum Video von „Parabolic Delusions“.

I Knew You Were Waiting: The Best of Aretha Franklin 1980 - 1998Noch gut bei Stimme

(MO) Als Aretha Franklin 1980 einen neuen Plattenvertrag bei Arista Records unterschrieb, war sie 38 Jahre alt, hatte sich mit Hits wie „Respect“ unsterblich gemacht und musste wahrlich niemandem mehr etwas beweisen. Aber die Achtziger standen vor der Tür und auch die Soulqueen aus Memphis, Tennessee verspürte das Gefühl, dass sie sich neuen musikalischen Entwicklungen öffnen sollte – was Aretha ohne Imageverlust gelang.

Die Alben aus den 1980er Jahren wie „Jump to It“, „Who´s Zoomin‘ Who“ und „A Rose Is Still A Rose“ gehören zu ihren Erfolgreichsten; in Kooperationen mit Producern wie Luther Vandross und Narada Michael Walden frischte sie ihren Sound gehörig auf. Die Achtziger waren aber auch das Jahrzehnt der Duette: Aretha Franklin sang „Jumpin‘ Jack Flash“ mit Keith Richards, „Through the Storm“ mit Elton John – und schließlich sind zwei ihrer größten Hits ebenfalls Star-Kollaborationen: „I Knew You Were Waiting (For Me)“ mit George Michael und natürlich die Emanzipationshymne „Sisters Are Doin‘ It For Themselves“ mit Annie Lennox von den Eurythmics.

Eine aktuell erschienene Best-of-Compilation versammelt Aretha Franklins erfolgreichste Singles von 1980 – 1998 und sollte in keinem Haushalt fehlen. Glücklicherweise endete Aretha Franklins Karriere nicht in den 2000er-Jahren: auch mit 70 Jahren ist Franklin noch gut bei Stimme und wenn sie nicht gerade bei Präsidenten-Amtseinführungen singt (2009/Barack Obama), veröffentlicht sie weiterhin Platten auf ihrem eigenen Label Aretha´s Records.

I Knew You Were Waiting: The Best of Aretha Franklin 1980 – 1998. Arista Legacy (Download-Album).

Lonely Drifter Karen: PolesSurreal-entrückt schweben

(MO) Sie verspüren so ein sehnsuchtsvolles Drängen, ein süßes, ahnungsvolles Frühlingsgefühl? Dann ist „Poles“ genau das richtige Album: die aus Österreich stammende Sängerin Tanja Frinta und ihre Band Lonely Drifter Karen (benannt nach einer Figur aus Lars von Triers Film „Idioten“) werfen auf ihrer dritten Platte die Folkelemente der Vorgängeralben „Grass Is Singing“ und „Fall Of Spring“ fast vollständig über Bord und schwelgen in Pop aller Couleur.

Weniger akustisches Klavier, dafür mehr analoge Elektronik, funky Beats, asiatisch angehauchte Harmonien und chansoneske Anmutung – das könnte ein ziemliches Durcheinander werden, aber Frau Frinta und ihre Kollegen Marc Sobrevias und Giorgio Menossi verbinden alle Zutaten zu perfekt arrangierten Songs, ganz abgesehen davon, dass Tanja Frintas Gesang viel  selbstbewusster rüberkommt als noch vor zwei Jahren. Manche Stücke erinnern an die Frühphase Goldfrapps, als diese sich der ganz großen Breitwand-Filmmusik widmeten, aber auch Fans von Feist dürften mit „Poles“ sehr glücklich werden.

Träumerisch und ein ganz klein wenig surreal-entrückt schweben die verführerisch leichten Melodien durch das Sonnenlicht: Songs wie „Soul Traveler“, „Three Colors Red“ und „Traffic Lights“ machen gute Laune und man kann sogar tanzen dazu. In „Velvet Rope“ oder „Hunters To Heaven´s Wild“ wagt das Trio Ausflüge ins kantig-avantgardistische Fach, was dem Album gut tut, denn sonst wäre es fast ein bisschen zu schön. „Poles“ ist eine dieser ‚kleinen großen‘ Platten, die man im hektischen Takt neuer Veröffentlichungen leicht übersehen könnte – was ein echtes Versäumnis wäre!

Lonely Drifter Karen: Poles. Crammed Discs (Indigo). Zur Homepage

Vadoinmessico: Archaeology Of The FutureHübsch zusammengewürfelt

(TM) Vadoinmessico (dt: Ich gehe nach Mexiko) aus London sind in ihrer Zusammensetzung hübsch global zusammengewürfelt: die Mitglieder stammen aus England, Italien, Mexiko und Österreich, und so hübsch zusammengewürfelt ist auch ihr Sound. Afrikanische und lateinamerikanische Rhythmen treffen auf sehr gut gemachten bodenständigen Folk-Pop.

Überragender Song der Platte ist allerdings „Pepita, Queen Of The Animals“ – hier stimmt alles, von den infizierenden afrikanischen Rhythmen über die ansteckende Gitarrenmelodie im Hintergrund bis zum angenehm zurückgenommenen Gesang von Sänger Giorgio. Paul Simon hätte es nicht besser machen können. „Teeo“ war im Dance-Mix der Crystal Fighters bereits Nr. 1 der Hype Machine Twitter Charts, es sollten also schon jede Mange Leute vom Songwriting- und Arrangement-Talent der Band gehört haben.

Jeder Song birgt Überraschungen, bei „Notional Towns“ werden Vadoinmessico sogar ein klein wenig härter und düsterer, was ihnen sehr gut steht, und auch wenn bisher nichts an „Pepita…“ heranreicht, so ist „Archaeology Of The Future“ doch ein leichtes, flockiges Frühlingsalbum.

Vadoinmessico: Archaeology Of The Future. PIAS (Rough Trade). Free Download hier.

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