Geschrieben am 21. September 2011 von für Musikmag

Berlin-Festival 2011, die zweite

Aus den Fehlern gelernt: das Berlin-Festival übersteht mit vielen Altgrößen die Reifeprüfung, findet Tobi Kirsch.

Eigentlich fast ziemlich gut

Mit dem ersten Schritt aus dem Gebäude und dem Blick aufs Gelände kommt erst mal Erleichterung auf: Die Absperrungen zum Flugfeld sind weiter weggerückt und kaum zu sehen am Anfang. Vor zwei Jahren fühlte ich mich noch wie eingesperrt, und das absurderweise vor einem großen Rollfeld eines ehemaligen Flughafens. Da wurde an der richtigen Stellschraube gedreht. Die zweite Verbesserung: Die Hangars werden durch die breitere Seite betreten, sind also zum Flugfeld hin offen. Auch kein unwesentlicher Fakt, der zu einem besseren Klang und vor allem zu einem besseren Zugang zur Bühne für das Publikum sorgte. Soviel zu den Aufbauten.

Als etwas saturierter und in die Jahre gekommener Musikhörer konzentrierte ich mich auf die persönlichen Highlights. Gerade noch so zeitig aufgetaucht, dass ich mich vor der Show von Primal Scream etwas umschauen konnte, bekam ich das Ende von Clap Your Hands Say Yeah im Hangar hinter der Hauptbühne mit. Die Band machte einen soliden Eindruck vor einem recht verhaltenen Publikum.

Primal Scream

Photo: Geert Schäfer

Primal Scream wurden vom anwesenden Publikum freudig begrüßt, offensichtlich hatte die Ankündigung einer kompletten Live-Umsetzung ihres Albums „Screamadelica“ gezogen. Am Anfang fehlte der Show der Band ein wenig Esprit, „Higher Than The Sun“ kam doch etwas behäbig daher. Spätestens mit „Loaded“ jedoch kam sowohl Band als auch Publikum endlich in einen euphorischeren Zustand, was am Ende sogar mit längeren Mitsingaktionen der Zuschauer belohnt wurde. Bobby Gillespie wurde von einer äußerst stimmgewaltigen Backgroundsängerin unterstützt, die mit ihren Einlagen der Show zusätzlich Frische und Lebendigkeit verlieh. Zusammengefasst war ich zufrieden mit der Show.

Ich bekam dann noch etwas vom Auftritt von Apparat mit, die Publikumsreaktionen waren aber auch hier nicht sonderlich begeistert. Ob es am frühen Anfang des Festivals oder am etwas schmuddeligen Wetter lag? Jedenfalls kam den ganzen Abend keine sonderliche Freude auf, sieht man mal vom Ende der Primal Scream-Show ab.

Das sollte sich bei Suede leider fortsetzen, zwar schienen auch diese Briten einige Fans auf das Festival gezogen zu haben, aber die kollektive Ekstase blieb auch hier aus. Das mag am Anfang auch am ziemlich matschigen Sound gelegen haben, gegen den Brett Anderson in den Songpausen anschimpfte. Ansonsten jedoch zog er tapfer ein Set durch, das die alten Hits routiniert abspulte. So richtig Freude kam allerdings erst bei „Beautiful Ones“ auf, obwohl frühe Smasher wie „Animal Nitrate“ oder „We are the Pigs“ durchaus schmissig dargeboten wurden. Insgesamt okay, leider brauchen Suede für ihre ganze Schlagfertigkeit einen deutlich klareren Sound. Jedenfalls machten die Unzulänglichkeiten hier einen guten Anteil am Spaß zunichte.

Nach der Show ließ ich mich von einem Freund zu einigen Tischtennisrunden an der Platte eines ortsansässigen Magazins überreden, sodass ich zu etwas mehr Bewegung kam. Das Gelände wurde aber dann doch ziemlich bald geräumt, was einen ungemütliche Stimmung erzeugte. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ging es dann in die Arena, wo Kruder & Dorfmeister gerade spielten. Das Publikum tanzte begeistert und schien auch von den Visuals von VJ Fritz Fitzke recht angetan.

Suede (Photo: Geert Schäfer)

Suede (Photo: Geert Schäfer)

Diplos Set war dann für meinen Geschmack nichts mehr und ich machte mich auf den Weg in einen kleinen Club, um diese rauschende Nacht in kleinem Kreis ausklingen zu lassen. Abschließend läßt sich festhalten, dass das Konzept der zwei Veranstaltungsorte (Tempelhofer Flughafen und Arena-Gelände) gut aufgegangen ist. Jedenfalls war am Freitag die Arena gut gefüllt und vom Samstag wurde mir ähnliches berichtet. Beim Auftritt von Skrillex soll heftig gepogt worden sein. Das freut das Rockerherz, schließlich fehlte es bis dahin an Publikumsbegeisterung.

Der Samstag wurde ausgiebig zur Regeneration genutzt, wodurch ich erst zu den Hauptacts Beginner und Mogwai wieder in Tempelhof auftauchte. Schade, aber nach der vierten Konzertnacht in Folge nicht zu ändern. Bei den Beginnern ging ich nur kurz vorbei, meine absoluten Favoriten waren Mogwai, denn ihre Shows sind dafür bekannt, immer Qualität zu liefern. Ekstase schien mir die Beginnershow auch nicht wirklich auszulösen, aber ich sah zu wenig für ein gelungenes Urteil. Mogwai konnten sich der Aufmerksamkeit der Zuschauer sicher sein, auch wenn manche Besucher sichtlich geschlaucht nach zwei Tagen Festival auf dem Boden saßen. Die Schotten spielten sich solide durch neueres wie älteres Material und wurden für ihre gekonnten Spiele zwischen Laut und Leise frenetisch gefeiert. Gott sei Dank stimmte hier der Sound, denn anderes mag man sich beileibe nicht vorstellen.

Das Berlin-Festival hat bewiesen, dass es aus der Vergangenheit gelernt hat. Die Besetzung des Line-Ups war von Größen bestimmt, die ihre größte Schaffensphase einige Zeit hinter sich haben. Hier wäre in den nächsten Jahren etwas mehr Mut angebracht, doch nach dem letztjährigen Debakel war es hier die pragmatische Lösung, auf Publikumsmagneten zu setzen. Und dem Publikumszuspruch nach zu urteilen ist diese Rechnung aufgegangen.

Tobi Kirsch

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