Geschrieben am 1. April 2016 von für Kolumnen und Themen, Litmag, News

Kolumne: Frank Göhre: Gelesen. Gehört. Gesehen (6)

Erinnern leicht gemacht.

Ein Blick zurück, auch in eigener Sache.

Eine Schweizer Buchhändlerin und eine deutsche Lektorin kaufen sich einen traditionsreichen Zürcher Verlag. Die eine nimmt dafür das Erbe ihrer Mutter, die andere investiert den großzügigen Bonus für ihre vorherige Verlagstätigkeit und gibt später nach dem Tode meiner Mutter noch ein kleines Stückchen hinzu.

Die eine ist fortan die Zahl, zuständig für die Finanzen, für den Verkauf und die Autorenhonorare, die andere ist das Wort, zuständig für das Programm, die Werbung und die Lizenzen.

Zweieinhalb Jahrzehnte lenken sie die Geschicke des neuen Arche Verlags, Raabe + Vitali, veröffentlichen einige gut und etliche weniger gut verkauften Titel. Wie jeder andere Verlag auch.
Doch 2008 verhökern sie ihn. Sie steigen aus.

Jetzt, zu Beginn dieses Jahres, legt das Wort ein Erinnerungsbuch vor, das nur ein Ziel haben durfte: Es sollte ein Buch gegen das Vergessen sein, indem ich die Geschichten all jener Büchermenschen erzähle – ob Autor, Übersetzer, Vertreter, Buchhändler, Rezensent, Agent, Mitarbeiter, Freund oder Freundin –, die Regina Vitali und mich in unserem 25-jährigen Verlegerinnenleben begleitet haben.

Ein Blick zurück. Auch Du gehörst dazu! ist auf die Beipackkarte meines Exemplars geschrieben.

Das und der hehre Anspruch, die Geschichten sämtlicher irgendwie Beteiligten zu erzählen, stellt sich bereits beim ersten Durchblättern als absoluter Blödsinn heraus. Denn in dem fein gestalteten und mit vielen Erinnerungsbildchen garnierten Büchlein, Fadengeheftet und mit Leseband, geht es ausschließlich um die beiden Damen aus Zürich und um ihre Sicht auf die Dinge. Und das mit einer durch und durch hochherrschaftlichen Haltung und dem entsprechenden Erzählduktus.

Da ist zu lesen, wie es sie fix hinaus treibt aus den alten, engen Verlagsräumen in eine noble Adresse an der Bellevue, wie sie Ballast an Büchern und Belegschaft abwerfen, mit Autoren/innen heiter bei Kaffee, Cognac und Biskuits plaudern, bald schon eigenes Haus erwerben, edel eingerichtet und gerühmt als das derzeit weit herum schönste Verlagsgebäude, sich dann auch noch einen zweiten Verlag zulegen, den renommierten Luchterhand Literaturverlag, und der Autor Peter Härtling alles andere als naiv fragt, ob „die Zahl“ denn noch eine zusätzliche Wiese aus dem Erbe ihrer Mutter habe. Oder wie oder was?

Es ist bezeichnend, dass weder diese noch all die anderen sich angesichts des Luxus und der Launen von Zahl & Wort stellenden Fragen nach Kapital und Kosten auch nur ansatzweise beantwortet werden.

Im Gegensatz zu einem Verleger wie Siegfried Unseld, der in seinen Aufzeichnungen (Chronik 1971, Suhrkamp Verlag, 2014) konkrete Zahlen für Investitionen, Vorschüsse und Darlehen nennt und auch detailliert von Konflikten mit seinen Autoren/innen berichtet, und ganz zu schweigen von den radikalen Enthüllungen des März-Verlegers Jörg Schröder (Siegfried. Jörg Schröder erzählt Ernst Herhaus. Nur noch antiquarisch), ist man sich für all das im gepflegten Schweizer-Deutschen Verlegerinnenleben viel zu fein. Steht man drüber.

Da wird bestenfalls eingestanden, dass sich bei unseren morgendlichen Kaffeerunden in unserer Verlagsküche keine Gesprächskultur entwickelte, nicht aber der zu Arche/Luchterhand-Zeiten katastrophale Umgang mit Autoren/innen, die angesichts ihrer mehrfach angemahnter und dann immens fehlerhafter Honorarabrechnungen Anwälte einschalten mussten. Auch nichts – und das nur kurz in eigener Sache – über den Ver- und Ausverkauf der Romane und Erzählungen Friedrich Glausers (inklusive des Archivs). Ein unvorhergesehener Umsatzträger … ein echter „Exportschlager“, lese ich und frage mich, warum ich das als Herausgeber einiger Titel nie von Wort & Zahl aus dem Verlag gehört habe, sondern, die Lizenzen betreffend, nur während eines Aufenthalts in Palermo (Il sergente Studer, Sellerio Editione, 7. Auflage, 1986).

So bleibt unterm Strich eine alles Heikle und Unangenehme ausblendende oder mit wohlgesetzten Worten umschiffende eigenverfasste Festschrift, eine Lobhudelei im Gala-Stil auf Hochglanz, die alles andere als der – auch im Text so inbrünstig beschworenen – Wahrheit verpflichtet ist.
Das macht schlechte Laune, nicht allein bei mir.

Frank Göhre

Elisabeth Raabe: Eine Arche ist eine Arche ist eine Arche. Verlegerinnenleben. edition Momente, Hamburg 2016. 240 Seiten mit 121 Fotos. 22,00 Euro.

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