Geschrieben am 16. Dezember 2017 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2017, Kolumnen und Themen, Litmag

Essay: Markus Pohlmeyer: Reise ins Multiversum! – Reisen im Multiversum.

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Gedanken zu Blake Crouch: Dark Matter. Der Zeitenläufer.[1]

Von Markus Pohlmeyer

Angenommen, es gäbe ein Multiversum (was theoretisch plausibel, aber experimentell schwer zu beweisen ist), und angenommen, ein Wissenschaftler könnte eine Vorrichtung finden, in die verschiedenen Universen/Multiversen zu wechseln. Das ist der quantenmechanische Minimalbauplan von Dark Matter. (Tun wir so, als ob!) Hieraus entwickelt sich die ethische Grundfrage des Romans: nach der (Un)Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Warum habe ich diese und nicht andere Entscheidungen getroffen? Wäre ich jetzt glücklicher, was habe ich aufgegeben, wen gewonnen und verloren wen?

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Was, wenn ich zwar ICH bliebe, aber in unendlichen Multiversen unendliche Lebenswege einschlagen könnte – und vielleicht in die Lage versetzt würde, die unglücklichen, gescheiterten zu korrigieren. Bin ich einer, eine, eins? Was, wenn wir uns begegneten: du-ich, wir-ich, er/sie-ich, ich-ich? „Ich werde den Gedanken nicht los, dass wir mehr sind als die Summe unserer Entscheidungen, dass gerade all die Wege, die wir hätten einschlagen können, ein Teil unserer Identität sind.“[2] All die Geschichten, die wir erzählt haben, die aber nie Wirklichkeit wurden? Der umstrittene Begriff von Identität zerbricht hier komplett. Woher weiß ich denn, dass ich ich bin?

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Es liegt mit diesem Roman aber nicht so sehr eine Reise in der Zeit oder in den Raum vor, sondern in die Zeiten und Räume nebenan, in die unendlichen Variationen des Multiversums. Die Imagination schafft eine Möglichkeit, jene alte Geschichte, jene alte Zeit, jenen alten Raum zu wechseln.

Dark Matter Der Zeitenlaeufer von Blake Crouch

Die Effekte sind manchmal erschreckend, fast horrormäßig, manchmal faszinierend, oft anrührend, so voller Schmerz und Trauer. Dieser Roman selbst ist sein eigenes Multiversum.

 

Markus Pohlmeyer lehrt an der Europa-Universität Flensburg

[1] Dieser Untertitel ist irreführend und sachlich nicht richtig.

[2] Blake Crouch: Dark Matter. Der Zeitenläufer. Roman, übers. v. Klaus Berr. Goldmann Verlag, München 2017, Seite 401. Dieses Zitat ist auch eine Anspielung auf den Physiker R. Feynman.

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