Geschrieben am 15. Juni 2011 von für Litmag, Porträts / Interviews

Ein Nachruf auf Patrick Leigh Fermor

Byron und Bond

– Er war Spion, Reiseschriftsteller und Kulturträger beim British Council – vor allem aber war er ein kultivierter Abenteurer: Peter Münder zum Tod von Sir Patrick Leigh Fermor, der am 10. Juni mit 96 Jahren in Worcestershire verstorben ist.

Als Kreuzung von Indiana Jones, James Bond und Graham Greene bezeichnete die BBC Patrick Leigh Fermor, als er 2004, im Alter von 89 Jahren, zum Ritter geschlagen wurde. Als Leser weiß man kaum, was man mehr bestaunen soll: seine grandiosen Erzählungen oder die abenteuerliche Biographie dieses Draufgängers, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs  als britischer Spion die griechische Widerstandsbewegung unterstützte und einen Nazi-General auf Kreta entführte. Der Sohn des berühmten, in Indien tätigen Geologen Sir Lewis Leigh Fermor hatte ein großes Faible für die griechische Sprache und die Antike und lebte mit seiner Ehefrau Joan lange auf der griechischen Insel Mani. Zweifellos ist der abenteuerlustige Hellas-Freund Fermor  irgendwo zwischen dem griechischen Freiheitskämpfer Lord Byron und James Bond anzusiedeln.

Fermor war als 17Jähriger von der Schule geflogen, weil er sich nach mehreren Disziplinlosigkeiten auch noch erdreistet hatte, mit der Tochter eines Gemüsehändlers Händchen zu halten. Prompt beschloss er, erst mal den europäischen Kontinent per pedes zu durchwandern – bis nach Konstantinopel (heute Istanbul).

Seine Wanderung begann er im Winter 1933, zwei Jahre später  war er am Ziel. Mit einem Pfund Bargeld, den Oden von Horaz und dem „Oxford Book of English Verse“ im Rucksack, wanderte er wenige Monate nach Hitlers Machtübernahme durch Deutschland und begegnete dem gerade erwachten teutonischen Nationalismus mit bewundernswerter  Souveränität. Begeistert registrierte der Autodidakt mit der immensen Sprachbegabung auch, wie gut das deutsche Bildungsbürgertum mit den Werken von Ovid und Plato, von Horaz und Aristoteles vertraut war.

Fermor notierte seine Erlebnisse in unzähligen Tagebüchern, veröffentlichte seine Aufzeichnungen jedoch erst über zwanzig Jahre nach seiner Wanderung. „Zwischen Wäldern und Wasser“ und „Zeit der Gaben“ beschrieb seinen Weg durch Ungarn und das märchenhafte Transsylvanien nach Konstantinopel mit einer geradezu lyrischen Intensität und einer überschwänglichen Offenheit für alles Neue und Fremde. Aufgrund seiner vielen Empfehlungsschreiben konnte er Kontakte zu schrulligen Aristokraten in märchenhaften Schlössern, zu neureichen Großbürgern, aber auch zu verknöcherten Klerikalen und genügsamen Schäfern und ausgemergelten Landarbeitern knüpfen.

Seine wunderbaren Bücher –auch der Karibik-Band „Der Baum des Reisenden“ und „Drei Briefe aus den Anden“ – sind einerseits ein Fest für Nostalgiker auf der Suche nach einer verlorenen, immer noch halbwegs konfliktfreien Zeit, andererseits auch ein faszinierendes kritisches Lehrstück zu Nationalismus, Balkanisierung und Kleinstaaterei.

Unersättlich war der Lern-Furor dieses hochbegabten, an allem interessierten Autodidakten: Er vertiefte sich in deutsche Grammatiken, las Wilhelm Busch und Thomas Mann, studierte ungarische und rumänische Geschichte, beschäftigte sich mit Ornithologie, Architektur und Kirchengeschichte und genoss nebenher noch einige aufregende Romanzen.

Ohne den Hauch einer snobistischen Attitüde, mit einer kräftigen Prise wunderbarer Ironie, beschrieb Fermor seine Aufenthalte in hochherrschaftlichen Schlössern und Burgen, aber auch in billigen Kaschemmen oder im Stroh. Er präsentierte ein aufregendes, nostalgisch anmutendes Panorama, das wie ein Kapitel aus Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ wirkt.

Bezeichnend für diesen bescheidenen Abenteurer war auch, dass er seine spektakulärste Aktion während der Besetzung Kretas durch die Nazis nicht selbst in einem Tatsachenbericht  beschrieb: „Ill Met by Moonlight“, der Augenzeugenbericht des Hauptmanns und Freundes  Stanley Moss, beschreibt die  gegen das deutsche Militär  verübten Sabotage-Akte des britischen Spezialkommandos SOE,  zu denen auch  die 1944 durchgeführte aufsehenerregende Entführung des Nazi-Generals Heinrich Kreipe gehörte.

Kreipes Entführer: Jorgis Tirakis, Stanley Moss und Fermor in Uniformen der deutschen Militärpolizei, Manolis Paterakis und Leonidas Papaleonidas

Kreipes Entführer: Jorgis Tirakis, Stanley Moss und Fermor in Uniformen der deutschen Militärpolizei, Manolis Paterakis und Leonidas Papaleonidas

Fermor  hatte sich mit griechischen Partisanen verbündet, war als Schafhirte verkleidet und wurde nach dem erfolgreichen Kidnapping wochenlang von seinen griechischen Helfern in Höhlen versteckt.  Für seine tollkühnen Aktionen wurde Fermor mit dem DSO-Orden ausgezeichnet, Michael Powell verfilmte (mit Dirk Bogarde in der Hauptrolle) 1957 „Ill Met by Moonlight“.

Der unangepasste, wagemutige, sympathische Autor arbeitete bis zuletzt an neuen literarischen Projekten und stürzte sich sogar noch auf das letzte große Abenteuer, das er schon seit Jahrzehnten angehen wollte: Er lernte das Tippen auf einer Schreibmaschine.

Peter Münder

Der Schweizer Dörlemann Verlag/ Zürich hat Patrick Leigh Fermors Bücher in liebevoll gestalteten und von Manfred Allie und Gabriele Kempf – Alle einfühlsam übersetzten Bänden herausgegeben:
Die Zeit der Gaben, 2005
Zwischen Wäldern und Wasser. , 2006
Drei Briefe aus den Anden, 2007
Der Baum des Reisenden. Eine Fahrt durch die Karibik, 2009
Im Frühjahr 2012 soll Rumeli. Reisen in Nord-Griechenland erscheinen.
Mehr zu Fermor finden Sie hier.