Geschrieben am 1. Februar 2023 von für Crimemag, CrimeMag Februar 2023

TW zur neuen CD von Danny Dziuk

Unterm Radar

„Unterm Radar“ heißt das neue Album von Danny Dziuk, und manche Vorlagen kann man sich einfach nicht entgehen lassen. Unterm Radar fliegen fiese Killerdrohnen, abscheuliche Marschflugkörper und anderes ekles Kriegszeug, übler Cyberkram sowieso. Unterm Radar bleiben mal schnell auch exzellente Kunstwerke, kreative Menschen und kluge Ideen, wenn sie nur ein bisschen von den Trampelpfaden des Mainstreams abweichen.  Unterm Radar passieren Dinge, die den offiziellen Wachsamkeitssystemen entwischen wollen, im Bösen und im Guten.  

Singer/Songwriter Danny Dziuk sieht sich zwar selbst, glaubt man dem „Ich“ des Titelsongs (wir glauben nicht immer 1:1, was in literarischen Texten so alles behauptet wird, nur manchmal), unterm Radar der Wahrnehmung oder des Kulturbetriebs positioniert, und findet das „gar nicht so schlecht“, aber das ist Dziuk´sches Understatement und zudem recht vorteilhaft: „… ich komm ja klar/mit niemandem im Bett/auf diesem unfassbar/schmierigen Parkett“.  So ist das mit der Introspektion, die sich mit einem großartig versaubeutelten Reim: „Unterm Radar/ist man ja so frei/doch hat man leida/manchmal auch kein Geld“ von jedem Larmoyanz-Verdacht freidichtet.

Aber sich mokieren, sich ärgern, sich lustig machen und den kleinen und großen Ärgernissen ein paar auf die Ohren geben, ist schon sehr sinnvoll: Das Geplapper im Netz: „Alle reden durcheinander“ und „Don´t feed the trolls“ (Troll = „ein garstig Ulf“), „Wer dein Freund ist“,  die seltsamen politischen Wandlungen bei Leuten, von denen man es nicht gedacht hätte: „Falscher Feind #3“, am schlimmsten noch mit Antisemitismus: „Wieso immer nur Israel“ (an dieser Stelle gibt Danny Dziuk ein explizites, klares politisches Statement ab, well done) sind Themen, die sich während der Corona-Zeit aufgetan haben und der Verarbeitung zugeführt werden mussten.  

Der Tod von Wiglaf Droste (im Mai 2019), ein langjähriger Weggefährte und Freund von Danny Dziuk, ist Anlass für eine Hommage an das enfant terrible: „W.enn, D.ann“, und „Wintertelegramm“, Dziuks Vertonung eines der eher sensibleren Gedichte von Droste. Und wo wir bei Hommagen sind: In „W.enn, D.ann“ taucht das ehemalige Café Kreuzberg auf, das Carsten Klindt gehörte, genau der Carsten Klindt, dessen wunderbare Fotos unsere „Crime Scenes“ ergeben. Ach, ja, Rio Reiser ist auch dabei – Dziuk hat dessen „Menschenfresser“ neu arrangiert und daraus einen virtuosen politischen Zungenbrecher gemacht. 

Und wo bleibt das Private? Da ist zunächst einmal die zusammen mit Antoine Villoutreix getextete, komponierte und vorgetragene Hymne „Tempelhofer Feld“, die, wäre ich der Berliner Tourismusverband, längst als offiziellen Song eingekauft hätte (naja, vielleicht besser doch nicht) – ein herzzerreißend schönes Lied.  Auch zusammen mit Antoine Villoutreix ein ein wenig rätselhaftes Porträt von Berlin bei Nacht, sehr atmosphärisch: „Nacht, die nicht schläft“; und ein Song, dessen Tendenz ich total unterstreichen möchte: „Komösche Clowns“, über ein Kind, das sich zurecht vor Clowns gruselt. Tu ich immer noch. Und „komösch“ klau ich, wenn ich „lustisch“ meine.

Bleibt noch: „Goldene Tage“ – wie Danny Dziuk im schön gemachten Booklet in der Anmerkung (alle Songs haben Anmerkungen) schreibt: „- einer der wenigen Songs, die bis auf die ersten drei Wörter ausschließlich einer Musik folgen“.  Der Text ist Lyrik pur, mit einem leichten Anklang an Leonard Cohens „Famous Blue Raincoat“ („I´m glad, you stood in my way“), und die Musik tatsächlich mit einem Touch Randy Newman. 

Kann sein, dass ich mich irre – natürlich hört man bei Danny Dziuk immer und auch hier, Echos von Bob Dylan, Tom Waits, Nick Cave & Co., auf Augenhöhe sowieso.  „Unterm Radar“ aber scheint mir ein bisschen mehr Randy-Newman´sch, mit einem dash Kurt Weill (wobei mich eine Winzigkeit irritiert: Irgendwo vermeine ich eine Trompete zu hören, aber im Line Up stehen nur zwei Posaunisten. Synthi? Oder meine Ohren?) Das Album hat, bei allem drive und triplewumms, nicht durchgehend diesen leicht knarzenden Dziuks-Küche-down-to-the-ground-sound/groove, sondern wirkt „brüchiger“ (DDs eigenes Wort), fragiler, eher „crisp“ (mir fällt kein besseres deutsches Wort ein). Eine neue Facette des „Großen aus dem Hintergrund“ (die FAZ über Danny Dziuk), der vielleicht unter dem Radar des Charts-Publikums bleibt, aber nicht unter dem Radar der Leute, die Ohren haben zu hören und Hirn zu verstehen. 

Zur Berlin-Premiere hier. Dany Dziuks Jahresrückblick 2022 „Ich hätte es bereut“ bei uns hier.

Die CD lässt sich auch ganz einfach über den normalen Buchhandel bestellen.

© 03/2023 Thomas Wörtche

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