
„Seifenblasenmaschine“
Liebeslieder, die so anfangen: „Ich bin Rotz an deinem Ärmel, der Fleck auf deinem Hemd/der Kaugummi unter deinem Schuh …“, packen einen gleich mal bei den Ohren.
Politische Songs, die so anfangen: „Bonjour, die Party ist aus – schau mal raus: da steht Krieg vor der Tür/der war doch eben noch weit weg, und hier war auch nie wer dafür/doch jetzt gibts Krieg gegen den Krieg, gegen Gewalt und Gier/und wenn du nicht hingehst, kommt der Krieg zu dir“ (Krieg) ziehen einen sofort rein, magnetisch gar. Souverän und autoritativ.
Womit drei wichtige Elemente von Krazys neuem Album „Seifenblasenmaschine“ schon mal da sind: Die zehn Songs changieren zwischen Privatem und Öffentlichem, alle leben von der textlichen und musikalischen Souveränität, mit der sie daherkommen. Chris Albertson, der Biograf von Bessie Smith, hat einmal beschrieben, mit welcher magischen Autorität die „Empress of the Blues“ ihr musikalisches Material anpackte, ohne das geringste Zögern in der Stimme, als absolute Herrscherin über Worte und Töne. Dieses Prinzip kann man mit Fug und Recht auch hier hören: Krazy singt zwar keinen Blues, rein formal gehört, und die Frage, was sie denn da stilistisch so genau macht, ist womöglich völlig irrelevant, weil die Tracks sich sowieso jeder (Marketing-)Schublade verweigern. „Seifenblasenmaschine“ ist ein Krazy-Album, dessen musikalische Diversität verblüffend ist.
Das wiederum liegt auch an den klugen und virtuosen Arrangements von Danny Dziuk (der das Album produziert hat), die zwei „Handschriften“ in einer wunderbaren Balance halten. „Für Nüsse“, zum Beispiel, ein sehr relaxter und tourneeerfahrungsgesättigter After Show Blues à la Billie Holiday mit Speak Easy Atmosphäre, in die plötzlich eine barocke Klavierpassage hineinexplodiert – Bach auf Speed oder so? – und für eine sinnvolle Brechung sorgt, die auch musikalisch voll aufgeht, erstaunlicherweise.
Überhaupt Element vier: Brechungen. Liebeslieder ja, aber immer skeptisch: „Was ich wissen will: bist du die Liebe meines Lebens/oder ´n gut aussehender Idiot?“ (nur ne Idee); existentielle Thematik ja, aber garantiert keine Antworten:“ Ist jeder der versucht zu leben nur einfach noch nicht tot?/Ist jede Bewegung zu viel, wenn man grade so steht?/Ist jeder, der es ernst mit was meint, n trauriger Idiot?/Ist jeder, der irgendwas für dich tut einfach nur blöd?“
Krachende gute Laune: „Seifenblasenmaschine“ mit Jahrmarktsatmo und Quetschorgel, und ein schönes, melancholisches Sterbelied: „weg“. Grundsätzlich sind Stimmungen und Nuancen von Stimmungen nicht nur auf die einzelnen Titel verteilt, sondern oszillieren subtil in den einzelnen Tracks. Droht der Text eindimensional zu werden, konterkariert ihn die Musik; denkt man, die Musik dominiert voraussehbar, grätscht der Text dazwischen. Krazy ist nicht auf einen Nenner zu bringen, bleibt aber immer Krazy, komplex, total klischeefrei, absolut eigenständig, irritierend, von samtpfötiger bis offener Kratzbürstigkeit. Das ist schon ziemlich genial.
Außerdem kann man sich, wenn mal will (man soll!) an Details begeistern: An sehr geschickten Binnenreimen (in „Herz klopft“, zum Beispiel, der einzige Song, den Krazy und Danny Dziuk zusammen geschrieben haben), wie überhaupt die hohe Qualität der Lyrics (als reinen Text betrachtet) durchweg auf das schriftstellerische Talent von Krazy hinweisen, die in ihrer anderen Persona als Uta Titz einen wunderbaren Roman, „Stella Runaway“ geschrieben hat, der dringend neu aufgelegt werden sollte. Man kann sich auch an dem perfekten Timing der Songs erfreuen, an den genau gesetzten ein, zwei Takte-langen Pausen, an dem manchmal Tom-Waits-affinen Schlagwerk (Achim Färber), den bratzenden Bläsern (Achim Fink, Ebasa) oder den Miniaturen, die Gitarren (Karl Neukauf, Danny Dziuk) und Tasteninstrumente (Danny Dziuk) im Hintergrund zaubern, und die, ohne solistisch den dicken Max zu machen, viel zur Substanz des Albums beitragen.
Sorry für den Ausflug in die Wortspielhölle, aber man könnte glatt krazy about …. werden.
Hier kann man die CD kaufen.
Hier gibt’s Downloads.
Und siehe auch unser Krimi-Gedicht für diesen November.