Geschrieben am 1. April 2023 von für Crimemag, CrimeMag April 2023

Sonja Hartl zu Riku Onda

Eine letzte gemeinsame Nacht verbringen Aki und Hiro in Riku Ondas „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ in ihrer gemeinsamen Wohnung in Tokio. Danach werden sich ihre Wege trennen. Und in dieser Nacht wollen sie herausfinden, was genau auf ihrer letzten gemeinsamen Bergwanderung passiert ist, auf der ihr Bergführer unter mysteriösen Umständen gestorben ist. Aki ist sich sicher, dass Hiro den Mord gestehen wird. Aber Hiro ist überzeugt, dass Aki ein Mörder ist.

Also setzten sich Aki und Hiro zusammen, trinken etwas, reden miteinander, umkreisen und belauern einander. Riku Onda baut die Spannung und die Beziehung langsam – sogar einen Tick zu langsam – auf, indem sie zunächst einmal diese Situation etabliert. Die Kapitel wechseln perspektivisch zwischen Aki und Hiro, die Erzähler und Erzählerin sind. Dadurch verändert sich mit jedem Kapitel der Blick auf das Geschehen, ihre Beziehung, ihre Vergangenheit und sie selbst. Zumal es nach 50 Seiten eine weitere Information gibt, die dem gesamten Setting noch einmal eine andere Fallhöhe gibt.

Zu dieser Anlage passt der poetische und leicht sperrige Titel des Romans sehr gut: wie Fische in Sonnensprenkeln immer wieder ihr Aussehen ändern, verändern sich Aki und Hiro – und wie sich je nach Lichteinfall verändert, was die Fische sehen, verändert sich auch die Perspektive von Aki und Hiro auf ihre Beziehung und die damaligen Ereignisse.

Dieses Herantasten an einen geheimnisvollen, möglicherweise verbrecherischen Vorfall erinnert an Riku Ondas „Die Aosawa-Morde“, mit dem sie im vorherigen Jahr sehr erfolgreich war. Jedoch ist „Fische, die Sonnensprenkeln schwimmen“ reduzierter in der Form und den Perspektiven. Riku Onda spielt souverän mit bekannten Krimi-Elemente: Ist Hiro wirklich eine manipulierende, kalte Frau, die einen Mord begangen hat? Ist Aki ein düsterer Held, der seiner Liebe entsagt – oder eher ein Mann, der vorgibt, schwach zu sein, dem Hiro aber verfallen ist? Manipulieren die beiden nur einander? Oder manipulieren sie auch mich?

Wer sie eigentlich sind und warum sie handeln, wie sie handeln, sind weitaus spannendere Fragen als die nach dem Tod des Bergführers. Dieses Rätsel ist nur der Aufhänger – und es ist letztlich auch gar nicht so wichtig, was damals passiert ist. Die Beziehung zwischen Aki und Hiro fasziniert – aber auch, wie es Onda gelingt, dass sich das Misstrauen, das zwischen ihnen besteht, nach und nach beim Lesen überträgt. Dieses Spiel, das Aki und Hiro auf engstem Raum miteinander und mit ihren Lesenden treiben, ist faszinierend – zumal beide Hauptfiguren einen Hang zu Pathos und Dramatik haben, der sich auch im Stil ausdrückt. Sie verhandeln in diesem kleinen Rahmen die ganz großen Themen des Lebens: Nähe, Vertrauen, Liebe, Angst und Tod. Leider findet Riku Onda aus dem Dilemma, in das sich Aki und Hiro manövriert haben, einen allzu einfachen Ausweg mit einer Wendung, die zu viel ist. Aber abgesehen davon beweist Riku Onda mit diesem Buch abermals ihr Gespür für psychologische Spannung.

Riku Onda: Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen. Aus dem Japanischen von Nora Bartels. Atrium Verlag, Hamburg 2023. 256 Seiten, 22 Euro.

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