Geschrieben am 4. März 2019 von für Crimemag, CrimeMag März 2019

Robert Rescue und der Krimiwettbewerb

Schreib doch, was du willst

Robert Rescue überlegt, sich am 2.Tambach-Dietharzer Wunderwasser-Krimipreis 2019 zu beteiligen

Ich hätte in den letzten fünfundzwanzig Jahren viel mehr schreiben müssen, thematisch breiter aufgestellt schreiben müssen. Nicht nur über Arbeitslosigkeit, den Wedding, eigene Befindlichkeiten, Arztbesuche, Wohnungsbaupolitik, komische Leute um mich herum oder sentimentale Betrachtungen über vergangene Zeiten, als ich jung, ansehnlich und sexuell aktiv war, sondern auch mehr Krimi, Science-Fiction, Phantastik, historische Stoffe, die Natur, den Börsenmarkt, Baumärkte, Verschwörungstheorien und hin und wieder eine klitzekleine Betrachtung über Ausgrabungsfunde aller Art. Königsgräber, untergegangene Städte oder Saurierfunde. Mit Letzterem Thema wäre ich jetzt ideal aufgestellt für die Teilnahme am 2.Tambach-Dietharzer Wunderwasser-Krimipreis 2019. Vielleicht wäre ich content-mäßig sogar so gut aufgestellt, dass ich mit ein paar Überarbeitungen gleich drei Texte einreichen könnte und mangels Konkurrenten alle drei Preise und insgesamt 2000 € Preisgeld absahnen würde. Ich könnte meiner recht trostlosen Vita diese Erfolge hinzufügen und damit bei Bewerbungen um Stipendien keinen Eindruck schinden. 

Aber offen gesagt hätte ich mir bis vor kurzem nicht vorstellen können, dass es einen Literaturwettbewerb gibt, der Kurzkrimis zum Thema Saurier verlangt, obwohl ich wusste, dass es inzwischen Literaturwettbewerbe zu jedem erdenklichen Thema gibt, aber offensichtlich habe ich das Thema Saurier als wirklich zu speziell betrachtet oder um es anders auszudrücken: Krimis zum Thema Saurier, habt ihr sie noch alle?

Die Verwaltung der thüringischen Stadt Tambach-Dietharz macht es potentiellen Teilnehmern nicht einfach. Mal schnell einen Text über den letzten Besuch beim ALDI zu nehmen, irgendwo Saurier reinzuschreiben und in zwei Sätzen einen Mord zu erwähnen, nein, das kann man mit Tambach-Dietharz nicht machen. Verlangt wird die literarische Beschäftigung mit dem „Tambacher Liebespaar“ einem sensationellen Saurierfund am Bromacker in, genau, Tambach-Dietharz. Wenn auch nur „im weitesten Sinne“, wie die Ausschreibung versucht, den letzten, potentiell interessierten Autor zu motivieren.

Was soll ich machen? Vielleicht ein poetisches Gedicht über die Liebe und Schöpfung, wenn ich mir im Netz Bilder von den zwei nebeneinanderliegenden Skelettresten der vor 290 Millionen Jahren lebenden Saurier betrachte und dazu mein lyrisches Ich sprechen lasse. Nur blöd, dass mein lyrisches Ich vor vielen Jahren an seinem Erbrochenen erstickt ist.

Außerdem ist ein Kurzkrimi gefragt. Warum ein Krimi? Wie kann man Krimis mit Sauriern zusammenbringen? Gibt es bereits Saurierkrimis und spielen die Urviecher darin eine aktive Rolle? Sind die Jurassic Park Stoffe strenggenommen Krimis? 

Wer schreibt in Deutschland, Österreich oder der Schweiz Saurierkrimis? Gibt es ausgerechnet in Tambach-Dietharz einen Hobby-Schreiber, von dem die Stadt weiß, dass er seit mehr als 30 Jahren Krimis über das „Tambacher Liebespaar“ schreibt und will ihn jetzt für sein Lebenswerk ehren und kleidet das ganze in eine öffentliche Ausschreibung, im Wissen, das niemand außer Karl-Heinz Krellkamp einen Text einreichen wird.

Hat Krellkamp auch den 1. Tambach-Dietharzer Wunderwasser-Krimipreis gewonnen oder erhielt er nur den 3. Preis und hat daraufhin beim Bürgermeister Beschwerde eingelegt? Wer waren die anderen Preisträger, wenn ich behaupte, dass nur Krellkamp das literarische Genre des Saurierkrimis mit dem Regional-Bezug Thüringer Wald und Großraum Gotha, nun ja, „beackert“? Warum schreibt er keine „normalen“ Krimis? Vermutlich, weil Tambach-Dietharz mit seinen knapp 5000 Einwohner nicht so viel an krimitauglichen Themen hergibt und jeder Autor wünscht sich ja insgeheim ein Alleinstellungsmerkmal in seiner Arbeit.

Gibt es noch irgendwelche Hinweise, die mich kreativ beeinflussen könnten? „Eine Rolle spielen kann Pittsburgh in den USA oder die Verbindung von Tambach und Dietharz 1919 zu einer neuen Gemeinschaft: Tambach-Dietharz.“ 

Natürlich, die Vereinigung der beiden Ortschaften Tambach und Dietharz zur Stadt Tambach-Dietharz im Jahre 1919. Das ist natürlich ein großes Thema, das leider zu wenig Beachtung findet und da ist natürlich das 100. Jubiläum ein wunderbarer Aufhänger, um über den Wettbewerb möglichst viele Menschen dazu zu nötigen, sich damit zu beschäftigen. Ich habe da auch gleich eine Idee zu: SPIEGEL TV dreht seit kurzem Dokumentationen für Infarkt Patienten, die sich beim kleinsten interessanten Thema aufregen und einen Kollaps kriegen. Speziell für diese Zielgruppe wurde die 90 Minuten Dokumentation über die Bildung von Tambach-Dietharz im Jahre 1919 gedreht.

Und was soll das mit Pittsburgh? Häh? Was zum Teufel hat Pittsburgh mit Tambach-Dietharz oder dem Tambacher Liebespaar zu tun?

Aha, das NaturhistorischeMuseum von Pittsburgh kümmerte sich im Jahr 2000 um die Freilegung der Saurier, die vor Millionen Jahren auf Nahrungssuche zufällig aneinander vorbeigelaufen und kurz irritiert stehengeblieben sind, bevor irgendetwas auf sie drauf fiel und sie in den Saurierhimmel schickte. Auf jeden Fall ist Pittsburgh ein guter Aufhänger, um mir einen Kurzkrimi auszudenken. Wenn er nur in Pittsburgh spielen würde, käme vermutlich ein recht interessantes Manuskript dabei heraus, aber nein, es muss ja auch noch die kleine, beschauliche Stadt im Thüringer Wald mitspielen:

Bill Clayton, der härteste Cop von Pittsburgh, erschießt bei einem Barbecue seine Frau Linda, seinen Partner Daniel, den Polizeipräsidenten Fuller und den Hund Babsi. 

Er hat Burn-out, aber die Diagnose kam zu spät. Linda hatte ihm mangelnde Mitarbeit im Haushalt vorgeworfen, Daniel fand sein Lieblingscomputerspiel doof, Fuller empfand sieben Tote bei der Aufklärung eines Handtaschenraubes als unverhältnismäßig und Babsi klaute ihm das Steak vom Tisch. Gebrochen vom Tod des Hundes zieht sich Clayton in die Kleinstadt Tambach-Dietharz im Thüringer Wald zurück, um auf den Spuren seiner Uroma Hannelore Krellkamp zu wandeln, die 1919 Tambach verließ, weil sie gegen die Zusammenlegung der Ortsteile Tambach und Dietharz war. Sie wanderte in die USA aus und machte Karriere als Agentin beim Geheimdienst. Clayton lernt die junge Wissenschaftlerin Eva Krellkamp kennen, die ihm das „Tambacher Liebespaar“ in zweifacher Hinsicht näherbringt. Unterdessen plant der finstere Max Pollock, ein Darknet-Hacker aus Erfurt, den Raub der Saurierfunde, um aus den gemahlenen Resten eine Art Super-Viagra herzustellen. Clayton greift wieder zur Waffe, bringt Pollock zur Strecke und deckt nebenbei die Machenschaften eines globalen Geldwäsche/Glücksspiel/Prostitution-Kartells auf, das von seiner Uroma gegründet wurde.

Das wäre jetzt alles, was mir auf Anhieb einfällt. Noch ein paar Sätze dazwischen und schon habe ich die geforderten maximal zehn Normseiten voll. Klingt etwas an den Haaren herbeigezogen, aber vielleicht kriege ich bei der Überarbeitung noch etwas hingebügelt, was die Geschichte authentisch macht. Vielleicht lasse ich das mit der Uroma und dem Kartell weg, das klingt irgendwie nicht so überzeugend.

Doch eine Sache bleibt mir nach Stunden der Recherche rätselhaft. Nirgendwo finde ich etwas zu dem Begriff „Wunderwasser“, der ja eigentlich Ausgangspunkt für eine mythische Fantasygeschichte um die goldenen Drachen Pamfir und Samfir sein könnte, eine Sagengeschichte aus dem Thüringer Wald. Selbst der Wikipedia-Eintrag zur Talsperre Schmalwasser bei Tambach-Dietharz bringt kein Licht ins Dunkel. Ich glaube, der Wettbewerb ist nur für Leute gedacht, die aus dem Kaff kommen oder da Verwandtschaft haben.

Robert Rescue

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