Geschrieben am 1. September 2023 von für Crimemag, CrimeMag September 2023

M. Pohlmeyer: Lukrez & Was Atome so alles können

Schönheit als poetische Therapie – Ein Essay von Markus Pohlmeyer

Bertolt Brecht schrieb ein Gedicht, nun ja, das war nicht ungewöhnlich, doch diese ungewöhnlichen Verse blieben Fragment. Für die Ohren Mitte des 20. Jahrhunderts schien das „Lehrgedicht von der Natur des Menschen“[1] zu befremdlich: Teile des Kommunistischen Manifestes in der Metrik eines antiken Poeten?

Ich stamme aus Fulda, einer romantischen und wunderschönen Barockstadt, und möchte im Folgenden Lukrez vorstellen, auf den sich auch Brecht bezogen hat. Lieber Markus, magst du einwenden, doch wie gehört das zusammen? Weil – zumindest in der Lesart von Stephen Greenblatt – die einzige Handschrift des einzigen Textes dieses römischen Dichters in Fulda wieder entdeckt worden sei; und dessen Rezeption habe wesentlich zur Genese der Renaissance beigetragen:

„Möglicherweise war es nur eine einzige, in Norditalien entstandene Handschrift, die über das siebte Jahrhundert hinaus erhalten blieb. Und diese wiederum ist im neunten Jahrhundert offenbar zweimal abgeschrieben worden. Ein Brand, ein zufällige Akt des Vandalismus, auch bewusste Akte der Unterdrückung hätten genügt, um diesen Text für immer zu begraben, und mit ihm ein umfassendes Bild des Universums. Irgendwie aber hat De rerum natura dann doch überlebt, und 1417, völlig unerwartet, wurde das Poem erneut in Umlauf gebracht. Verantwortlich dafür war der päpstliche Schreiber und Humanist Poggio Bracciolini. Poggio war ein außergewöhnlich begabter, ja faszinierender Mann – der größte Bücherjäger einer Epoche, in der wie besessen nach Texten, nach Spuren der klassisch-antiken Vergangenheit gesucht wurde.“[2] 

„Poggio hat nicht näher erläutert, wo genau er die Abschrift von Lukrez’ De rerum natura gefunden hat, vermutlich war es die Bibliothek der Benediktiner-Abtei Fulda.“[3]

De rerum natura, ein Lehrgedicht von einem Autor, über den biographisch sehr wenig bekannt ist – vermutlich hat Cicero das Werk ediert, dessen gängiger Titel so leicht wirkt und zugleich so schwer zu übersetzen ist.[4] Die Natur der Dinge? Über das Wesen der WeltÜber das Werden und Vergehen von allem? Abstrakter: Prozessmonismus? Grundannahmen: Es gebe nur Leere und Atome – einen griechischen Begriff, den Lukrez mit verschiedenen lateinischen Synonymen variiert.

Solche kleinsten Weltbausteine anzunehmen (und Leere als mögliche Bedingung von Bewegung überhaupt), das erweist sich als denknotwendig, damit ein infiniter Regress vermieden wird: „Noch eines. Gäbe es dies Allerkleinste nicht, nicht diesen Grenzpunkt, dann wäre jeder noch so kleine Körper aus unzählbaren Teilen zusammengesetzt, denn jedesmal ließe die Hälfte der Hälfte sich nochmals halbieren; und dies Teilen fände kein Ende. Träfe das aber zu, was unterschied dann das Ganze des Alls vom kleinsten Teil in diesem?“[5] Und: das All immer-seiend, da keine Entstehung aus dem Nichts möglich. Wenige Vorgaben, aus denen buchstäblich alles heraus entwickelt wird. Durch zufällige Abweichung (clinamen) in den konstanten Fallbewegungen der Atome entsteht Welt. Und in der Konsequenz eine zufallsbedingte, nicht-deterministische Ethik – als Garant von Freiheit.[6]

Die Wirkungsgeschichte dieses Lehrgedichts ist kaum auszuloten; nur z.B.: „Auf den Spuren von Karl Marx, der in seiner akademischen Dissertation Lukrez als Hauptquelle benutzt,[7] versucht Bertolt Brecht, das Kommunistische Manifest als lukrezisches Lehrgedicht zu bearbeiten.“[8] Noch etwas zu Brecht: „Aufgrund seiner materialistisch-atomistischen Konzeption der natürlichen Vorgänge, die das menschliche Leben und die Vorstellungen von Göttern, Jenseits und Religiosität  bestimmten, gewann Lukrez Brechts Sympathie in solchem Maße, dass man den Römer als ‚so etwas wie eine Identifikationsfigur‘ für den lehrhaft-engagierten Dichter Brecht bezeichnen könnte.“[9]

Im April 2023 stand ich in den Uffizien (Florenz) vor Botticellis „Geburt der Venus“ und musste dabei – und immer wieder – an den wunderschönen Anfang von De rerum natura denken: jene Anrufung der Göttin der Liebe (bei Lukrez gibt es Götter und Göttinnen – das Märchen vom vermeintlichen Atheismus dieses Gedichtes konnte schon längst verabschiedet werden.), verbunden mit einer Bitte um Frieden für die von Bürgerkriegen zerfetzte Republik. Wie bezaubernd dieser Anfang, so schier grausam der Schluss des Werkes mit einer Schilderung der Pest in Athen: „Plötzliche Not und Armut trieben sie zu schrecklichen Taten. Mit lautem Geheul legten sie die Leichen ihrer Verwandten auf Scheiterhaufen, die für andere aufgeschichtet waren, entzündeten sie mit Fackeln. Und riskierten oft genug eher blutigen Streit, als dass sie ihre Toten unbegraben ließen.“[10] 

Botticelli © Wiki-Commons

Hier geht es nicht darum, sich um jeden Preis zu retten: selbst in der Katastrophe der Annihilation durch eine Krankheit erhebt sich das Menschliche, denn es sind Menschen, die starben, und selbst die Toten haben ein Recht auf die letzte Ehre. Der Gedanke an Corona liegt nahe.[11]Zu Lukrez’ Gesamtschau gehört immer auch das Schwere, Finstere, Destruktive, aber auch das produktiv Dekonstruktive der Natur – mit weit reichenden theologischen Konsequenzen und einer Umkehrung des Vollkommenheitsargumentes, und von wegen, der Mensch sei das Maß aller Dinge: „Es ist die Welt, so wie sie ist, nicht durch göttliches Wirken und auch nicht für uns geschaffen – zu viele, zu groß sind die Fehler, mit denen sie behaftet ist.“[12] Diesen hell-dunklen Weg wird auch sein ‚Nachfolger‘ Vergil aufgreifen – in jenem Wunder von einem kosmischen Gedicht namens „Georgica“. 

Wie Lukrez übersetzen? Mein Eindruck bei allen großartigen Leistungen der Übersetzungen, die mir vorliegen: Wird der Hexameter im Deutschen gewählt (das schon an sich hochproblematisch), scheint zwar das Dichterische gerettet, aber oft der Sinn geopfert. Steht Prosa um des Sinnes und der Lesbarkeit willen im Vordergrund, vermisse ich das Dichterische, denn genau diese Form war ja eine bewusste methodisch, didaktisch und poetologische Entscheidung von Lukrez:

„Liegt Ärzten am Herzen, Kindern bitteren Wermut zu geben, streichen sie um den Rand des Bechers süßen, gelb fließenden Honig […] – getäuscht werden sie, doch nicht getrogen, denn so, durch dieses Mittel, finden sie erneut zu Kraft und Gesundheit. Das habe ich auch im Sinn. Herb erscheint auch unsere Lehre allen, denen sie nicht im Ganzen entfaltet wurde, zurückschrecken lässt sie das Volk. Darum mein Wunsch, dir meine Gedanken in wohlklingendem Gesang nahezubringen, gleichsam versüßt mit dem Honig der Musen.“[13]

Das Gedicht ist einem Memmius gewidmet, oft im Text adressiert; doch durch dieses „du“ fühle auch ich mich angesprochen. Die Strategie dieser Poetologie hat durchaus Ähnlichkeit mit jener von S. Kierkegaard, nämlich hineinzutäuschen in das Wahre[14]. Die poetische Gestalt von De rerum natura will erkenntnisleitend und durch ihren umfassend Ansatz auch Therapie sein – und weit mehr als nur vom Aberglauben (religio) zu befreien. In einer gewissen Weise konvergieren hier ethos und physis und psyche:

„Denn wie Kinder bangen und alles in der finsteren Dunkelheit fürchten, so finden wir manchmal bei Tageslicht das gruselig, was um nichts furchtbarer wäre als das, vor dem Kinder in der Finsternis Panik haben und sich einbilden, es werde existieren. Daher: solche Bedrohungen und Depressionen der Seele vertreiben nicht notwendigerweise Sonnenstrahlen oder glänzende Speere des Tages, sondern sinnliche Anschauung und methodisches Durchdenken der Natur.“[15] 

Seneca wird diese Textstelle aufgreifen – und radikalisieren: „Wie also? Sind wir nicht törichter als jedes Kind, die wir bei hellichtem Tage in Furcht sind? Aber das ist ein falsches Urteil, Lukrez. Wir sind nicht bei Tageslicht in Furcht. Wir haben uns alles zur Finsternis gemacht. Wir sehen nichts, weder das, was schadet, noch das, was nützt. Das ganze Leben stolpern wir dahin, halten aber deswegen nicht inne […].“[16]

Zur Erläuterung, auch ich muss etwas Licht in eine dunkle Sache bringen: Vorweg hätte schon längst geklärt werden müssen, wie ich ‚Lukrez‘ verwende. Da über den realen Autor kaum Biographisches gesichert ist und ich mich auch keinen plakativen Spekulationen wie Hieronymus[17] hingeben möchte, bleibt nur, ‚Lukrez‘ (so markiert) als impliziten Autor zu verstehen. Der reale Dichter verschwindet – in sein Werk hinein, nur dort begegnen wir ihm. Wäre deren Kenntnis auch wirklich so relevant, um De rerum natura besser zu verstehen? Darum kurz: Lukrez, das ist sein Werk.

Nun zurück, wie also übersetzen? Dieses Lehrgedicht ist einzigartig in der römischen Literaturgeschichte –  neu, experimentierend, eine Transferleistung: denn ein griechisches Gedankengebäude, vor allem das der sog. Atomisten[18] und des Epikur, wird in einen anderen Kulturkreis übertragen.[19] Albert Einstein beispielsweise hat kritisch, aber auch anerkennend über Lukrez geschrieben: „Rührend ist seine Verehrung für Epikur, griechische Kultur und Sprache überhaupt, die er hoch über die lateinische stellt. Es gereicht den Römern zum Ruhm, daß man ihnen dies sagen durfte. Wo ist die moderne Nation, die solch noble Gesinnung gegenüber einer Zeitgenossin hegt und ausspricht?“[20]

Die Sprache: wuchtig, gravitätisch, suchend, säuselnd-umwerbend, bedingungslos, Aufmerksamkeit fordernd, getrieben und treibend, wunderschön und zornig.[21] Weiter, ich weiß ehrlich nicht, wie das adäquat zu übersetzen. Doch vor diesem Problem stand auch Lukrez:

„Nec me animi fallit Graiorum obscura reperta
difficile inlustrare Lainins versibus esse,     
multa novis verbis praesertim cum sit agendum
propter egestatem linguae et rerum novitatem […].“[22]    

„Ich mache mir keine Illusionen über die Schwierigkeit, 
die geheimnisvoll-dunklen Entdeckungen der Griechen mit latinischen Versen zu erhellen,[23]
vor allem da ich vieles mit Wortneuschöpfungen behandeln muss – 
wegen meiner Sprache Armut und der Neuheit der Themen.“[24]

Latein begleitet mich nun seit der 7. Klasse ein Leben lang. Im Studium hab’ ich Den auch mal durchgelesen. Jahre später dann das Buch von Greenblatt. Und 2023 steht nun ganz unter dem Stern von Lukrez. Wie eine Neuentdeckung, als hätte ich zuvor überhaupt nichts begriffen. Interessanterweise führte mich die Übersetzung von Binder zurück zum Original. Und ich staunte. Da schaut und denkt ein Mensch vor über 2000 Jahren – und verbindet in aller Konsequenz Denken und Schauen und Poesie zu einer holistischen Naturbetrachtung: „naturae species ratioque“ (III, 93).

Daher: „Lukrez’ Text lässt uns ahnen, dass wir, um es mit Wolfgang Welsch zu formulieren, keineswegs ‚weltfremd‘ sind und uns die Natur darum zurichten müssen; dass wir nicht Fremde in dieser Welt sind, sondern ‚Weltwesen‘: in und mit dieser Welt geworden, in ihr leben, sie auch wieder verlassen.“[25] In letzter Konsequenz würde ich den letzten Satz abändern: sie wieder verlassen, um doch in ihr zu bleiben – weil: „Kein sichtbares Ding erleidet je völlige Zerstörung, denn die Natur erneuert das eine durch das andere, und nichts lässt sie entstehen, wenn dafür nicht ein anderes vergeht.“[26]

Dieser römische Dichter formuliert Erkenntnisse, die bisweilen seltsam und befremdlich wirken, zum anderen irgendwie sehr modern. Natürlich durchlief das Atommodell viele Wandlungen, die radikalsten in der Quantenphysik. Es war jenseits aller antiken Vorstellung (Wie auch?), dass am vorläufigen Ende ein J. Robert Oppenheimer und die Atombombe stehen würden. Und seit Einstein ist die Kosmologie eine andere.

Dennoch scheint beide Autoren etwas zu verbinden: Das Ungenügen an bisherigen Welterklärungen (physikalischer Art) und der Mut, wenige Hypothesen aufzustellen und diese dann mit innerer Stringenz zu entfalten und durchzuführen.[27] Und das vor dem experimentellen Nachweis. Lukrez ist zudem ein monistischer Denker,[28] der das Absolute in aller Konsequenz so beschreibt: „Tatsächlich ist das Ganze des Alls in keinerlei Richtung begrenzt, sonst nämlich hätte es einen äußersten Rand.“[29] (Darum: „Nichts aber kann das All von außen begrenzen. Darum: So groß ist der Raum, die Tiefe, die sich auftut, dass nicht einmal Blitzstrahlen, selbst wenn sie die Ewigkeit der Zeit durchflögen, jene jemals durchqueren könnten.“[30] 

Was ist mit einem Lichtstrahl, der versucht, einem Schwarzen Loch zu entkommen?) Innerhalb dieser Ganzheit ist durchaus Pluralität möglich. Was hier formuliert wird, scheint mehr als nur Science Fiction in antiker Version: „Darum, ich sage es wieder und wieder, musst du zugeben, dass sich auch anderswo hier und da Materie verdichtet, verbunden hat, zu Welten wie der unseren, die, ohne etwas auszulassen, ein Äther umschlossen hält. […] – dann, das wirst du wohl zugeben, gibt es auch in anderen Regionen des Alls andere Welten, andere Menschenvölker und andere Tiergeschlechter auch.“[31] 

Bei aller Zeitgebundenheit hat die Leistung des Lukrez eine Jahrtausende übergreifende Wirkungsgeschichte entfaltet: „Betrachtet man Vorstufen und Grenzen physikalischer Deutung im Altertum, so fällt auf, daß die wichtigsten Denkmodelle – das atomare wie auch das mathematische – und die entscheidenden Erklärungsmethoden – die kausale wie die nichtkausale – in der Antike vorgeprägt sind und daß in der Neuzeit noch zur Berichtigung und Überwindung lukrezischer Vorstellungen lukrezische Bilder verwendet werden.“[32]

Lukrez ist zudem ein aufmerksam beobachtender Psychologe, der mit poetisch-rhetorischen Mitteln therapiert: „eripitur persona, manet res“[33] („Heruntergerissen wird die Maske, es bleibt dein wahres Gesicht.“) Ferner Verdrängungen überall und immer – wir können uns ja so schön mit allerhand Luxus ablenken, nicht wahr? Doch: 

„nequiquam, quoniam medio de fonte leporum
surgit amari aliquid quod in ipsis floribus angat“[34]

„Vergeblich. Denn mitten im Quell jeglicher Annehmlichkeiten erhebt sich eine Art Bitterkeit, die einem selbst zwischen Blumensträußen die Kehle zuschnüren kann …“

Weil wir an unserer Lebensführung, an unserer Ehrlichkeit, an der anderer zweifeln … Und weiter – Habsucht, Rechtsbruch und die nie endende Gier nach (politischer) Macht: 

„[…] haec vulnera vitae
Non minimam partem mortis formindine aluntur.“[35]

„Und die Traumata dieses Lebens werden genährt nicht zu einem geringen Teil von der Angst vor dem Tod.“

Kunst, so die gängige Vorstellung, mache das Unsichtbare sichtbar. Für Lukrez, aber nicht nur für ihn, könnte gelten: Poesie ist lesbare, hörbare Sichtbarkeit des Unsichtbaren. Darum wäre sein Werk auch zu lesen und zu hören als eine contemplatio (eine Rundumschau) über das Wesen der Dichtung, die das Wesen der Welt ist: creatio. Am Anfang des Lehrgedichts wird Venus wie eine Muse angerufen. Sie stellt programmatisch dar, was De rerum natura sein will: ein Weg zum Frieden (in den Bürgerkriegen, in der Religion, in der eigenen Seele) – und das auf den Wegen poetischer Schönheit. Schönheit als literarische Therapie (… ich z .B. habe Lukrez im Rucksack dabei, wenn ich der Universitätsklinik Kiel auf meine Termine warte).  

„Schöpferin der Römer und Römerinnen,
Der Menschen, der Göttlichen Lust,
Gütige Venus, die du unter den wandernden Zeichen des Himmels
Das Schiffe tragende Meer, die du Frucht tragende Gefilde 
Festlich belebst; denn durch dich wird alles Leben empfangen
Und es sieht, ist’s entstanden, die Strahlen der Sonne.
Dich, Göttin, dich fliehen Stürme, dich und dein Kommen
Geballte Wolken, dir schenkt die erfinderische Erde
Süß duftende Blumen, dir lächeln die Meeresflächen zu 
Und es glänzt der friedliche Himmel in einem Lichte, das sich
Überall hin ergießt […] 
Ich wünsche, dass du Gefährtin beim Schreiben meiner Verse bist, 
Die ich über Wesen und Werden von allem (de rerum natura) zu verfassen suche.“[36]

Wenn Sie einmal in Fulda sind, gehen Sie doch bitte durch den Schlosspark, durch die barocke Altstadt mit ihren romantischen Gassen, besuchen Sie die Fasanerie etwas Außerhalb – vielleicht stellt sich ein Staunen darüber ein, was Quantenphysik, Relativitätstheorie und ‚Atome‘ … und Dichtung so alles schaffen können. Und schauen Sie sich die verschiedenen Bäume an, wie z.B. Brechts Feldherr Lukullus, der aus Asien einen Kirschbaum importiert habe. Was denn als Ruhm bleibe? Darauf Lukrez:

„‘Aber der Kirschbaum: einige werden es vielleicht doch noch wissen, daß du ihn gebracht hast. Und wenn nicht, wenn alle Trophäen aller Eroberer zu Staub zerfallen sein werden, wird diese schönste deiner Trophäen im Frühjahr als die eines unbekannten Eroberers noch immer im Wind auf den Hügeln flattern, Lukullus!‘“[37]

Markus Pohlmeyer, Dichter und Essayist, lehrt an der Europa-Universität Flensburg. Seine Essays und Gedichte bei uns hier.


[1] Ein Hinweis: diese Verse nicht lesen, sondern in einer Hörbuchfassung hören. Meiner Meinung nach schlichtweg beeindruckend. Gefällt mir ästhetisch besser als Marx und Engels. 

[2] S. Greenblatt: Einführung, in: Lukrez:  Über die Natur der Dinge, übers. u. kommentiert v. K. Binder, m. e. Einführung v. S. Greenblatt, München 2017, 11 f. Siehe dazu Ders.: Die Wende. Wie die Renaissance begann, übers. v. K. Binder, 3. Aufl., München 2012.

[3] Greenblatt: Einführung (s. Anm. 2),12. Vgl. dazu aber L. Carus T., in: Der Neue Pauly, Bd. 7, hg. v. H. Cancik – H. Schneider, Darmstadt – Stuttgart 2003/2012, 475. Vgl. dazu auch die Einleitung von M. Deuferts textkritischer Edition (Teubner 2019).

[4] Vgl. dazu auch das Kapitel: „Das Glück der Verzweiflung: Lukrez“, in: O. Seel: Weltdichtung Roms. Zwischen Hellas und Gegenwart, Berlin 1965.

[5] Lukrez: Über die Natur der Dinge, übers. u. kommentiert v. K. Binder, m. e. Einführung v. S. Greenblatt, München 2017, 56.

[6] Zu dieser Problematik siehe auch Cicero: De fato.

[7] Siehe dazu K. Marx: Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie (1840/41). Doktordissertation, Berliner Ausgabe, 3. Aufl. 2014, bearbeitet v. M. Holzinger.

[8] M. v. Albrecht: Große römische Autoren, Bd. 3: Von Lukrez und Catull zu Ovid, Heidelberg 2013, 34.

[9] M. Janka: Literarischer Metamorphosen epikureischer Philosophie in Lukrez’ De rerum natura und Brechts Lukullus-Texten, in: M. Mayer (Hg.): Der Philosoph Bertolt Brecht, Würzburg 2011, 39-65,  hier 43.

[10] Lukrez: Natur (s. Anm. 4), 246.

[11] Siehe dazu Die schwarze Grippe. Das kleine Corona-Weltuntergangs-Lesebuch, hg. v. J. Körber, Leck 2021.

[12] Lukrez: Natur (s. Anm. 4), 76.

[13] Lukrez:  Natur (s. Anm. 4), 65.

[14] Siehe dazu S. Kierkegaard: Über meine Wirksamkeit als Schriftsteller, in: Ders.: Die Schriften über sich selbst, übers. v. E. Hirsch, in: S. Kierkegaard. Gesammelte Werke und Tagebücher, Bd. 23, Simmerath 2003, 1-17, hier 6.

[15] Lukrez II, 55 ff. Diese sehr ‚ausfaltenden‘ Übers. von mir. Lat. Text nach der Edition Lucreti de rerum natura libri Sex v. C. Bailey, 2. Aufl., Oxford 1967 (1922). So auch im Folgenden.

[16] Seneca: Epistulae Morales ad Lucillium. Liber XIX, lat./dt., übers. u. hg. v. H. Gunermann, Stuttgart 1999, 7 (110. Brief).

[17] Siehe dazu L. Carus T., in: Der Neue Pauly, Bd. 7, hg. v. H. Cancik – H. Schneider, Darmstadt – Stuttgart 2003/2012, 472.

[18] Siehe dazu auch mit Blick auf die Rezeptionsgeschichte, z.B. bei Leonardo da Vinci, Giordano Bruno, Galilei oder Newton: Antike Atomphysik, gr./lat./italien./dt., hg. v. A. Stückelberger, München 1979.

[19] Zur möglichen Vorlage siehe Epikur: Briefe – Sprüche – Werkfragmente, gr./dt., übers. u. hg. v. H.-W. Krautz, Stuttgart 2017, 4-41 („Brief an Herodot“).

[20] Geleitwort von Albert Einstein zur Erstausgabe Berlin 1924, in: Lukrez: Von der Natur, übers. v. H. Diehls, München 1991, 42 f., hier 43.

[21] Siehe dazu G. Maurach: Lateinische Dichtersprache, 2. Aufl., Darmstadt 2006.

[22] I, 136 ff., lat. Text nach der Edition Lucreti de rerum natura libri Sex v. C. Bailey, 2. Aufl., Oxford 1967 (1922).

[23] Fett markiert, um die Antithese zu verdeutlichen.

[24] Kursivierung und Unterstreichung, um den Chiasmus zu verdeutlichen

[25] K. Binder: Warum Lukrez lesen und wie, in: Lukrez:  Über die Natur der Dinge, übers. u. kommentiert v. K. Binder, m. e. Einführung v. S. Greenblatt, München 2017, 18-35, hier 21.

[26]  Lukrez: Natur (s. Anm. 4), 46.

[27] Siehe dazu A. Einstein: „Die folgenden Überlegungen stützen sich auf das Relativitätsprinzip und auf das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit […].“ In: Ders.: Zur Elektrodynamik bewegter Körper, in: Einsteins Annus mirabilis. Fünf Schriften, die die Welt der Physik revolutionierten, hg. v. J. Stachel, übers. v. A. Ehlers, 2. Aufl., Hamburg 2005, 141-178, 146.

[28] „Nicht der neue Tag, sagt Lukrez, allein das Studium der Natur kann uns das Wissen geben, das aufgestörten Seelen Ruhe, Befreiung bringt. Und ‚Natur‘ ist hier alles, umfasst auch die Welt der Menschen und der Moral. Wir müssen sehen lernen.“ K. Binder: Warum Lukrez lesen und wie, in: Lukrez:  Über die Natur der Dinge, übers. u. kommentiert v. K. Binder, m. e. Einführung v. S. Greenblatt, München 2017, 18-35, hier 24.

[29] Lukrez: Natur (s. Anm. 4), 66.

[30] Lukrez:  Natur (s. Anm. 4), 67.

[31] Lukrez:  Natur (s. Anm. 4), 100 f. 

[32] M. v. Albrecht: Rom: Spiegel Europas, Heidelberg 1988, 143.

[33] III, 58 (Übers. von mir)

[34] IV, 1133 f. (Übers. von mir)

[35] III, 63 f. (Übers. von mir)

[36] I, 1 ff. (Übers. von mir)

[37] B. Brecht: Die Trophäen des Lukullus, in: Ders.: Prosa, Berlin 2013, 1547.