Geschrieben am 1. Februar 2021 von für Crimemag, CrimeMag Februar 2021

Playing Video Games (4): „Virtual Virtual Reality“

Management, schwarzer Humor und Künstliche Intelligenz – willkommen bei Virtual Virtual Reality von Indie Game Studio Tender Claws aus Los Angeles! Der Titel bezieht sich auf die Spielmechanik. Die erscheint zunächst völlig durchgedreht – ist aber total logisch: In diesem Spiel, bei dem man ja ohnehin schon ein VR Headset trägt, geht es darum, immer wieder neue virtuelle VR Headsets virtuell aufzusetzen, um in die unendlich verzweigten Schichten eines geheimnisvollen KI Systems einzudringen. So wie im Film Inception von Traum zu Traum gesprungen wird, springt man hier in immer tiefere Ebenen von virtuellen virtuellen Realitäten. Nicht doppelbödig sondern 1000-bödig. 

Und warum das Ganze? Die Spieler:in befindet sich in einer fernen Zukunft, in der alles in den Händen von sich selbst immer weiter optimierenden künstlichen Intelligenzen liegt. Die sind sogar so weit entwickelt, dass ihnen bei aller Perfektion ab und an langweilig wird. Dann lassen sie sich zur Ablenkung ein bisschen Entertainment kommen. Was wäre da schöner als ein unberechenbarer, triebgesteuerter, unlogischer Mensch? Die Firma Activitude – The Virtual Labor System hat genau das zum Geschäftsmodell erhoben. Sie stellt Menschen ein, die dann an gut zahlende KIs vermittelt werden. Genau da steigt man im Spiel auch ein, als Mensch am ersten Tag bei einem der letzten Jobs der Welt, für die überhaupt noch Menschen benötigt werden. 

Das Spiel beginnt am ersten Arbeitstag mit Coaching und der Job Description. Dann geht es auch schon direkt los mit den ersten Kunden sowie ihren delikaten Vorlieben und Wünschen, die so gut wie möglich befriedigt werden müssen. Nach jedem Job kommt man zurück in die Zentrale zum persönlichen KI-Manager, der die Kundenbewertungen checkt, Tipps gibt und natürlich ein ausgewiesener Experte in moderner Menschenführung und der Kunst der Motivation ist. 

Die Story nimmt allerdings erst so richtig Fahrt auf, wenn die Spieler:in von einer verbotenen Gewerkschaft von ausgebeuteten Menschen kontaktiert wird. In einem abhörsicher isolierten virtuellen Raum bekommt man den Auftrag, hinter die Kulissen zu schauen und das sagenumwobene Human Recources Department zu finden. Ziel: das System zu infiltrieren, um bessere Bedingungen für die menschlichen Arbeitskräfte durchzusetzen. Der Kampf gegen die geheimnisvolle Firma beginnt. Und besonders gegen den persönlichen KI-Manager, der immer wieder die Versuche, in unbefugte Bereiche einzudringen, vereitelt.

Die tolle Grafik macht jeden neuen Raum, den man betritt, zum Erlebnis. Die Limitierungen der Rechenleistung in VR Headsets werden ästhetisch genutzt, das Ganze kommt in einem sehr cleanen, reduzierten Comicstyle daher, der Spaß macht und immer wieder neue atmosphärisch spannende Räume ermöglicht. Die Texte der Charaktere sind hervorragend geschrieben und stimmlich mit viel Liebe zum Detail eingesprochen.

Virtual Virtual Reality ist eine heiter bis düstere Reise in eine ad absurdum geführte Arbeitswelt der Zukunft. Mit schrägem Humor, einer frischen Ästhetik, verrückten Überraschungen, durchgedrehten Charakteren und atmosphärischen Settings. Ein perfektes Spiel im Spiel und ein beißend komischer Kommentar zu unserer auf Messbarkeit getrimmten Leistungs-, Performance- und Selbstoptimierungs-Gesellschaft.

Erhältlich auf folgenden Plattformen: PlayStation VR, Oculus Rift, Oculus Quest, Oculus Go, Gear VR Daydream, Vive.

Zum Trailer

© der Bilder und mehr Informationen: Tender Claws

Christopher Werth bei uns hier.
Seine Kolumne:
Playing Video Games (3): „Through the Darkest of Times
Playing Video Games (2): … mit Shakespeare
Playing Video Games (1): „Firewatch“

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