Geschrieben am 15. November 2016 von für Crimemag, Kolumne

Kolumne: Frank Göhre: Gelesen. Gehört. Gesehen (12)

Frank-Göhre-_FotoEin Sonntagabend: Sie hat gesagt, er hat gesagt, und einen herzlichen Dank an uns alle.

Mein Leben mit Allah – Warum radikalisieren sich immer mehr junge Menschen? Die Moderatorin blickt mit hoch erhobenen Kopf (sprich: selbstbewusst) in die Kamera: Guten Abend, meine Damen und Herren, willkommen zu unserer Sendung. Auch wir haben gemeinsam den ‚Tatort‘ gesehen  –  der kein klassischer „Tatort“ war, eher ein Thesenfilm, aber gut, warum nicht? Aufgrund eines SZ-Artikels von der knallhart auf Quote getrimmten NDR-Redaktion Fernsehfilm an die Dienstleister Buch & Regie in Auftrag gegeben, heißes Thema, voll krass – haben ihn gesehen unter anderem mit dem Vater einer zum Islam konvertierten und nach Syrien gegangenen Tochter, der Frauenbeauftragten des „Islamischen Zentralrats der Schweiz“ (vollverschleiert), dem Imam der Dar-as-Salam Moschee in Berlin-Neukölln, einem Islamismus-Experten und Psychologen und dem hinlänglich bekannten Innenexperten der CDU herzlich willkommen Ihnen allen. Ich freue mich, dass Sie da sind.

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Die Moderatorin ist wie immer gut gekleidet, hat in der rechten Hand die Karten mit den Redaktionsinfos und vorbereiteten Fragen, die linke Hand liegt gelegentlich auf der Hüfte oder stützt leicht das Kinn oder unterstreicht gestisch die Bedeutung ihrer ein und anderen Frage: Erkennen Sie Ihre Tochter in dem ‚Tatort‘ den wir eben gesehen haben wieder? – Mit keck geneigtem Kopf: (Nein, nicht so?) Was denn?Und die Veränderungen Ihrer Tochter, sind die einigermaßen gut abgebildet? – Der Vater gibt zu bedenken, dass der „Tatort“ ein Fernsehspiel ist und es im wirklichen Leben schon etwas anders zugeht und alles auch sehr viel länger dauert.

Das ist natürlich nicht die gewünschte Antwort, und die Moderatorin hebt an: Versuchen wir mal nachzuvollziehen … Ihre Redaktion hat recherchiert: Die Tochter war 16 als sie anfing, sich für den Koran (stark betonend) zu inter-essie-ren … Dann Kopftuch und kurz darauf die Niqab, die Burka: Haben Sie da verstanden, warum sie das machte? Was waren die Beweggründe Ihrer Tochter?

Woche für Woche eine neue Sau durch´s Dorf treiben

Der Vater (verkürzt zusammengefasst): Wir vermitteln der Jugend keine Werte mehr. – Gar keine Werte? Das klingt jetzt schon ein wenig angepisst. Der Vater fährt unbeirrt fort: Wenn Gemeinschaften wie Europa die Dritte Welt ausbeuten, indem sie Fangflotten in ihre Fischgebiete schicken, oder Shell und BP finden riesige Ölvorkommnisse in Nigeria und vertreiben die Leute dort, und das findet ja weltweit statt. Überall werden Menschen ausgebeutet. Die Jugendlichen sehen das … – Ihre Tochter auch? –  Ja, natürlich. – Das hat sie gesagt? Die Moderatorin macht deutlich, dass sie dem Vater das nicht abkauft: Eine 16jährige, die gerade mal ein bisschen im Koran geschmökert hat soll sich Gedanken über die Ausbeutung der Dritten Welt gemacht haben? Ha-ha-ha! –

Doch der Vater bleibt bei seiner Argumentation: Die Jugendlichen sehen das, und sehen aber auch diese Menschen, deren Lebensraum wir zerstören, wenn die aus ihren Ländern zu uns flüchten, dann nennen wir sie Wirtschaftsflüchtlinge, obwohl wir die gesamte Infrastruktur dort zerstört haben.Und was hat Ihre Tochter, denn das habe ich noch nicht verstanden, dann im Islam gesucht? Eine leichte Gereiztheit vermittelt sich und die Ahnung, dass die Moderatorin möglicherweise talkmäßig überfordert ist, klar, Woche für Woche eine neue Sau durch´s Dorf treiben (Georg Schramm), das hinterlässt Spuren. Aber nichts da. Sie lässt es erst einmal nur so laufen, wie es gerade läuft, als längeren Disput annewill3zwischen dem Islamismus-Experten und dem vollverschleierten dunklen Wesen, das als Frauenbeauftragte des „Islamischen Zentralrats“ in der Schweiz vorgestellt wurde.

Kühl kalkuliert auf einen einzigen spektakulären Punkt hin ausgerichtet

Auch der CDU-Innenexperte darf sich ereifern, wer radikalisiert wen und wo, und warum und wozu, und dann greift auch wieder die Moderatorin ein und holt den Imam in die Runde: Können wir mal bei dem Gedanken bleiben, und die Frage interessiert mich wirklich, was sagen Sie einer jungen Frau, die in Ihre Moschee kommt und sich augenscheinlich radikalisiert hat? – Da gibt es keine klare Antwort, nur etliche Missverständnisse: Das habe ich anders verstanden – Ich habe verstanden – Das habe ich auch verstanden – Da sind wir bei einem erheblichen Problem – Da bin ich gern bereit, es zu korrigieren – Ich würde aber einhaken bei – und dann, ja dann endlich, wird schlagartig klar, dass die Sendung, der 60-minütige Talk am Sonntagabend nach dem „Tatort“, gezielt und kühl kalkuliert auf einen einzigen spektakulären Punkt hin ausgerichtet war, auf einen medienwirksamen Skandal nämlich: Wir reden noch einmal über die Repression, die Frau Illi – das dunkle Wesen – angesprochen hat. Warum kann ein  junger Mensch sich soweit radikalisieren, dass er in den ‚heiligen Krieg‘ zieht?

Eingeblendet und aus dem Off zitiert wird die Homepage des Schweizer Vereins (hier in Stichworten) … weltweit massive Repressionen … aus dem Elend ausbrechen … ins gelobte Syrien … gegen die Schergen Assads und für Gerechtigkeit kämpfen … muss als Zivilcourage hochgelobt werden … doch der Krieg ist eine bitterharte Langzeitprüfung mit ständigen Hoch und Tiefs … (Dauer 1:09 Minuten).

In den nächsten knapp 2 Minuten fasst die Moderatorin das soeben Gehörte noch einmal eins zu eins zusammen – für die letzte Bank sozusagen – und die Frauenbeauftragte des „Islamischen Zentralrats“ sagt auch nichts Neues und wiederholt das gelobte Land Syrien. Der Islamismus-Experte: Was ist gelobt in Syrien? – Die Frauenbeauftragte: Wie in dem Bericht erwähnt wird … Der Islamismus-Experte: Also bitte, hören Sie auf! Das geht gar nicht! Das ist Propaganda! – Die Frauenbeauftragte: Ich hab ja auch erwähnt, dass nach kurzer Zeit diese Teenager aufwachen und merken, dass sie nicht im Gelobten Land sind, sondern in der brutalen Kriegsrealität. – Die Moderatorin: Verniedlichen Sie das aber nicht wenn Sie am Schluss sagen, dies sei eine bitterharte Langzeitprüfung mit ständigen Hoch und Tiefs …Warum schreiben Sie nicht ‚Geht auf keinen Fall in diesen Krieg‘. Zack, aus, Ende. Das wäre nur ein Satz. – Die Frauenbeauftragte: Wir raten, dass die Eltern mit den Kindern in Kontakt bleiben. Sie sollen Verständnis zeigen für ihre Intention … Der Islamismus-Experte: … das ist Propaganda. Das ist ein ganz klarer Ruf, nach Syrien zu gehen. Das kann man im öffentlichen Fernsehen nicht machen. – Der CDU-Innenexperte: Ich verstehe das nicht, das ist jetzt nicht persönlich gemeint. Es wird zu Recht gesagt, müsste der Staat nicht mehr tun, um das zu verhindern, und dann läuft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so ein Text. – Die Moderatorin: Sie haben schon verstanden, dass das nicht unser Text ist. – Der CDU-Innenexperte: Aber das haben jetzt Millionen gesehen. Es ist keine bitterharte Langzeitprüfung, es ist eine barbarische Terrorarmee. –  Die Moderatorin: Es geht darum, das ins Verhältnis zu setzen. Das machen wir jetzt … Es gehört zu unseren Werteverständnis, sich mit den Meinungen anderer auseinanderzusetzen. Und das tun wir hier. – Sie hat dann noch so einen Gedanken, dass nämlich auch Deutschland am Kampf gegen Assad beteiligt ist, aber eigentlich ist es Zack, aus, Ende, bestens gelaufen, ordentlich Zoff in der Bude, und die Reaktionen in den nächsten Tagen sind auch nicht ohne: scharfe Kritik an der Sendung in SZ, FAZ, Welt und Bild, eine Rechtsanwältin stellt Strafanzeige gegen die Moderatorin und die weiteren verantwortlichen Entscheidungsträger und der Journalist Henryk M. Broder kündigt an, ab sofort keine GEZ-Gebühren mehr zu zahlen, was will man mehr?

Ach ja, und der Rundfunkrat des zuständigen NDR will sich Anfang Dezember mit der Sendung befassen – garantiert nicht öffentlich, also bis dann, Tschüss und auf Wiedersehen.

Frank Göhre

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