Geschrieben am 1. September 2023 von für Crimemag, CrimeMag September 2023

J. Feldmann: Kleine Krimi-Archäologie – Ullstein-Romane

Verführung in Gelb

Joachim Feldmann blättert in alten Taschenbüchern

Spillane im zeitgenössischen Design 1963

“They found me in the gutter. The night was the only thing I had left and not much of it at that.” So beginnt „The Girl Hunters“, Mickey Spillanes siebter Mike Hammer-Roman aus dem Jahr 1962. Eine deutsche Übersetzung („Die Mädchenjäger“) liegt bereits nach einem Jahr vor. Und sie beginnt so:  „Sie holten mich aus der Gosse. Die Nacht war das einzige, was mir noch geblieben war, und auch davon war nicht mehr viel übrig.“

Nicht schlecht, oder? Selbst der Rezensent der „Zeit“[i] zeigte sich beeindruckt von „der bekannten Kahlschlag-Prosa des Meisters“: „Sicher, das ist Comic-Strip. Aber als Spaß dennoch aus einem Guss.“ Dafür verantwortlich war nicht zuletzt eine Übersetzerin namens Stephanie Hippmann, die wenig später noch einen Roman des englischen Raubeins James Hadley Chase ins Deutsche bringen sollte. Doch das ist auch schon alles, was sich auf die Schnelle im weltweiten Netz herausfinden ließ. Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen ist die stilsichere Frau Lippmann heute vergessen. 

Erschienen sind die beiden Krimis natürlich bei Ullstein, seit den späten 1950er Jahren eine der ersten deutschen Adressen für ausgewählte Pulp-Fiction. Nicht nachprüfen lässt sich, ob alle 240 Seiten des Spillane-Originals ihren Weg in die schmale deutsche Ausgabe gefunden haben. Taschenbuchkrimis rabiat auf ein Standardmaß zurechtzustutzen, war bis in die 1980er Jahre gang und gäbe. Und auch die Übersetzungen erlaubten sich manche Freiheit. So wurden aus „Orthodox Jews in long, black frog coats“ (Ed McBains „See Them Die”, 1960) in der drei Jahre später erschienen Ullstein-Ausgabe („Heißer Sonntagmorgen“, 1963) „Priester in langen dunklen Soutanen“. 

Aber mit dieser eigenwilligen Editionspraxis war der Berliner Verlag nicht allein. Gekürzt wurden auch die seit 1962 vom legendären Richard K. Flesch herausgegebenen rororo-Thriller. Die Martin-Beck-Reihe des  schwedischen Autorenpaars Maj Sjöwall und Per Wahlöö beispielsweise, die in keinem wohngemeinschaftlichen Bücherregal fehlen  durfte, kann man erst seit 2008 ungekürzt lesen.

Ein unverzichtbares Nachschlagewerk

Rowohlt war, wenn ich mich recht erinnere, neben Diogenes auch der einzige „bürgerliche“ Verlag, dessen Kriminalromane im linken Buchhandel zu kaufen waren. Als ich es einmal wagte, in Münsters Rosta-Buchladen nach Ullstein-Titeln zu fragen, wurde mir empört entgegnet, man führe keine Produkte aus dem Axel Springer-Verlag. Ja, es war wohl Pech, dass die gelben Bände im selben Haus erschienen wie die Bildzeitung. Zumindest für Leserinnen, die sich davon beeindrucken ließen. So entgingen ihnen einige der besten Autoren – Autorinnen waren eher spärlich vertreten -, welche die Spannungsliteratur zu bieten hat, von Ed McBain über Donald E. Westlake (aka Richard Stark aka Tucker Coe) bis zu Ross Thomas.

Einen Klassiker des Noir wie Horace McCoy („They Shoot Horses Don’t They“ – dt. Auch Pferden gibt man den Gnadenschuss) gibt es bislang auf Deutsch nur in (lange vergriffenen) Ullstein-Ausgaben. Auch die frühen Romane des literarischen Berserkers James Ellroy erschienen ab Mitte der 1980er Jahre als gelbe Bände.  Allerdings in teilweise gruseligen Übersetzungen, was uns zu einem zentralen Problem der Reihe führt. Nicht immer stimmte das Qualitätsmanagement. Zwar ist die gern kolportierte Legende, dass alle Ross Thomas-Romane nur in verhunzter Form erschienen wären, nicht  ganz richtig, aber selbst die respektablen Übersetzungen eines Routiniers wie Wilm W. Elwenspoek waren vor Kürzungen nicht ganz sicher. Und die deutschen Titel sind von einer ganz eigenen Komik: „Urne oder Sarg, Sir?“ (The Seersucker Whipsaw), „Ein scharfes Baby“ (The Highbinders) oder „Bonbons aus Blei“ (The Brass Go-Between).  

Dass in den achtziger Jahren ziemlich hässliche Fotomontagen die Cover zierten, trug ebenfalls wenig zur Attraktivität der Bücher bei. Dennoch sollte man zugreifen, wenn sie günstig antiquarisch angeboten werden. Und dabei auf Namen wie Robert B. Parker, Loren D. Estleman, Charles Willeford oder L. A. Morse achten. Schon um an die Zeiten erinnert zu werden, als sich in den Regalen des Bahnhofsbuchhandels manch literarischer Schatz heben ließ.

[i] Günther Wolf, „Die neue Welle des Kriminalromans. Detektivgeschichten, Bücher, Reportagen, tiefenpsychologische Studien“. Die Zeit Nr. 32, 1964 (Bei Angabe einer Mailadresse ist der Text hier kostenlos zu lesen)


Bemerkenswert hässliche Charles Willeford-Ausgabe von 1988 © alle Fotos: Archiv Joachim Feldmann
Ross Thomas mit ulkigem Titel
87 Revier Nr. 1 – ein schönes Cover, finde ich. Aus dem Nachlass meine 
Onkels Willi, der ein eifriger Kunde des Bahnhofsbuchhandels war. 
(Ansonsten Finanzbeamter, Zeit-Leser und leidenschaftlicher Schwimmer)
Ed McBains See Them Die
L A Morse – damals meines Wissens auf dem Index. Aus einer 
Ramschkiste.
Carter Brown – echter Schund, Ausgabe von 1971