Geschrieben am 16. September 2018 von für Crimemag, CrimeMag September 2018

Klaus Theweleit über Friedemann Hahns „Foresta Nera“

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Pechschwarzes Aktionsgelände krimineller soldatischer Männer

Klaus Theweleit über Friedemann Hahns „Foresta Nera“

Dieser Text war/ist eigentlich Teil eines umfangreichen Nachwortes zur 40jährigen Jubiläumsausgabe von Klaus Theweleits „Männerphantasien“, im Verlag Roter Stern, Frankfurt und Basel 1977/78 in zwei Bänden erschienen. Eine Insolvenz wird ein Erscheinen nun mindestens verzögern. Gleichzeitig aber geht Friedemann Hahns „Foresta Nera“ gerade in eine zweite Auflage. Wir freuen uns deshalb, dass Klaus Theweleit seinen Text CrimeMag zur Verfügung stellt. „Männerphantasien unternimmt den Versuch, zu ergründen und zu beschreiben, warum es Körper gibt, überwiegend männliche Körper, die nicht leben können, d.h., die nicht atmen können, ohne irgendjemand oder irgendetwas aus dem Weg zu schaffen; zum Verschwinden zu bringen; zu beschreiben, worin dieser Beseitigungszwang in bestimmten Körpern besteht, wie dieser entsteht und diese Körper dann beherrscht“, heißt es im neuen Nachwort. Das Buch hat Furore gemacht, auch international. Natürlich ist der Kriminalroman ein Hort der Männerphantasien. Nun aber Klaus Theweleit:

Freikorps nach Weltkrieg II. Gerade eben, im Jahr 2018, hat der Maler Friedemann Hahn, lange Zeit Bewohner des Schwarzwalds, kürzlich umgezogen nach Schleswig-Holstein, seinen ersten Roman veröffentlicht (Gedichtbände von ihm gibt es schon einige). Es ist ein Kriminalroman mit dem Titel Foresta Nera; und so ist er gemeint: als der finstere Wald, als der Film Noire des deutschen Nachkriegs; diesmal von Weltkrieg II – heutzutage eins der beliebtesten innerdeutschen Touristenziele. In Hahns Krimi erscheint der Schwarze Wald als pechschwarzes Aktionsgelände krimineller soldatischer Männer, die, so ging mir beim Lesen auf, als Freikorpssoldaten nicht nur bezeichnet werden können, sondern müssen. Deren einschlägiges Freikorps nach Weltkrieg II war allerdings kein deutsches; soviel militärische Freiheit zum Wüten wie nach Weltkrieg I stand keiner deutschen Truppe nach 1945 zu. Es gab keine. Jene Sorte thewe 9783499172991-de-300soldatischer Mann, für die »der Krieg nicht zu Ende war«, für die der Krieg nie-zu-Ende-ist,ehe sie nicht »gewonnen« haben, hatten keine Aktionsmöglichkeit auf deutschen Böden. Ihr Freikorps war zunächst ein französisches: die Légion étrangères, die Fremdenlegion. Diese hätte nie und nimmer funktioniert ohne das soldatische Strandgut aus Deutschland, das sich nach Krieg und Männerhorde sehnte: Sozialformen, die in Deutschland (für einige Jahre) nicht zu organisieren waren. (Siehe dazu auch auch das Nachwort von Alf Mayer: „Schwärzer kann der Tann nicht sein“, hier bei CrimeMag.)

In Hahns Roman Foresta Nera sind diese deutschen Fremdenlegionäre im Lauf der 50er und frühen 60er wieder zurückgekehrt in ihr Stammland. Und wo arbeiten sie dort? In der südwestdeutschen, das heißt der schwarzwälderischen Polizei. Jeder der Polizisten in Friedemann Hahns Roman hat eine Vergangenheit in der Fremdenlegion. Dort, in Indochina und vor allem in Nordafrika, hatten sie das Morden aus den Ostfeldzügen der Wehrmacht zügig fortgesetzt; elf Andeutungen von Erschießungen von 200 Zivilisten hier oder 20 Kindern in einem anderen Dorf, Massakern an algerischer Zivilbevölkerung, die (nehme ich an) im Kopf von Hahn alle ihre historischen Orte und Daten haben; daruntergemischt die zugehörigen (unvermeidlichen) Verrätereien von sog. »Kameraden« untereinander, spielen fort im Foresta Nera, wo sich, im weitgehend unkontrollierten Grenzgebiet Deutschland/Frankreich/Schweiz die französisch-korsische Mafia, die Mafiosi der Schwarzwaldpolizei, der Bundesgrenzschutz und deutsche Nachrichtendienste undurchsichtige Gefechte liefern, in deren Zentrum – neben allerlei Schmuggelaktivitäten – die organisierte Prostitution steht; d.h. Mädchenhandel großen Stils mit den zugehörigen Mädchenmorden, also in Planen eingewickelten Ophelias, herumtreibend im Grenzfluss Rhein – dem im Nachkriegsdeutschen besonders enthusiastisch besungenen wunderschönen deutschen.

Gewesene Profikrieger, ob Weltkrieg oder Fremdenlegion, bevorzugen, sagt Hahn, im späteren Zivilleben zwei Berufe: Metzger oder Polizist. Die anfallenden Leichen werden entsorgt im Grenzfluss. Und große Metzgerei-Feste werden gefeiert auf schwarzen Waldwiesen von den deutschen wurstverzehrenden und über das Schweinefett philosophierenden Bullen-Kohorten an Orten, wo zweieinhalb Jahrzehnte zuvor der schwarzwälder (Freikorps)Philosoph M. H. seine Freiburger akademischen Unitruppen zusammenzog zur Einschwörung auf das deutsche Führerleitwesen.

thewe Bundesgrenzschutz-LBIn einer Art innerem Monolog lässt Friedemann Hahn – der längere Zeit nicht weit entfernt von Heideggers Todtnauberg-Hütte mit Frau und Hund lebte – einen seiner Protagonisten; einen der etwas Nachdenklicheren aus seiner schwarzwaldigen Killerbande, halluzinieren:

…»ich bin der Kommandant von Rohlingen, der Anführer eines Haufens von Grobianen ohne militärische Ausbildung…auf beiden Seiten des Stromes…du solltest den Hut vor mir ziehen, fünf lange Jahre einen grausamen Haufen von Rohlingen zusammenzuhalten, weißt du, das ist nicht leicht, das kannst du mir glauben…wir sind nicht unverantwortlich, wir respektieren die zehn Gebote, meine Männer haben mich respektiert…wenn wir Krieg führen, töten wir den Feind und häuten ihn…man hat ihm in den Rückengeschossen: eingetreten, ausgetreten…ohne Fetische wäre er tot…du solltest eins wissen:…dieser Fetisch setzt alles außer Kraft, wenn wir in den Kampf ziehen…sobald wir einen Schuss hören, werden wir zu wilden Hunden…dieser Fetisch hilft uns zu kämpfen…ist der Krieg zu Ende, sind wir nicht ganz zurechnungsfähig…es kann passieren, dass jemand eine Frau vergewaltigt, er kann sich da nicht zurückhalten, das passiert, weil dich der Fetisch verwandelt…was man auch tut, man wird sehr bösartig. Mädchen wurden vergewaltigt, noch nicht einmal sechs, sie wurden den Armen ihrer Mütter entrissen…sie wurden auf unvergleichliche Weise vergewaltigt…es ging um Zerstörung, nicht um Bedürfnisse zu befriedigen…aufgespießt, das heißt, nach dem sexuellen Akt benutzen sie Eisenteile, Eisenstangen oder Holz, die sie in die weiblichen Geschlechtsteile hineinzwängen…von Zeit zu Zeit bin ich mir wie fremd12…die Erinnerung ist dein Feind…dein wahrer Feind. Du hast nie- manden, dem du deine Ängste anvertrauen kannst…willst du auch nicht…du musst es mit dir ausmachen13…und deine Qual ist deine Qual…ist für dich bestimmt…du nimmst es als Buße…du hast es ja so gewollt…du siehst zwanzig Kinder vor der Wand knien, mit durchgeschnittenen Kehlen und abgehackten Händen, du siehst das getrocknete schwarze Blut…an anderen davor wie bei einer Wolfsmeute…alle, die einmal dabei waren und zurückgekehrt sind, haben eine große Angst, eine Todesangst…ja, so ist es…sie haben Todesangst«…

thewe med_weltkrieg_freikorps_013xxlEin Fetisch, lässt Hahn diesen nachdenklicheren seiner Killer sagen, der sie töten, der sie vergewaltigen, der sie Kinderkörper zerfetzen lässt; »Fetisch« als Wort für den eigenen Körper, für dessen Unerklärlichkeit im Angesicht der eigenen Taten; Ungeheuerlichkeiten, selbstverständlich vollzogen immer in Übereinstimmung mit allen zehn (katholischen) Geboten.

Eine universelle Typologie? »Ja«, sage ich mehr denn je. Bloß ist »Typologie« nicht das richtige Wort. Es handelt sich um vergleichbare Phänomene zerstörter Körperlichkeit, die – in allen Kulturen, die wir kennen – männliche Körper (insbesondere jüngere männliche Körper zwischen etwa 15 und 35) – dazu bringt, im Zustand eigener Erregung, für die sie keine zivilisatorisch gewachsenen Abfuhr- oder Umwandlungsmöglichkeiten haben, die eigenen (unerträglichen) Spannungen dadurch zu löschen, dass sie die Körper anderer zerstören, in Blut ertränken, mit Sperma salben und mit Scheiße bedecken, um in solcher Abfuhr den eigenen fragmentierenden Körper, dessen rasende Emotionen sie zu verschlingen drohen, daraus zu retten als Überlebenden; als Ü-Figur, die im Tötungsakt eine momentane, erlösende Ganzheit erfährt; ihr vorübergehendes Heil-Sein. Überlebensakt, der auf Wiederholung angelegt ist bis hin zur Süchtigkeit. Nicht Todessehnsucht, sondern Sucht des Tötens.

Friedemann Hahn ist eng an dieser Wahrnehmung, wenn er mehrmals in seinem Buch das Gefühlsleben dieser Männer zusammenfasst in der Formel: sangue et merde. Blut und Scheiße: eben der Formel, die sich mir aufdrängte zur Bezeichnung des Innenlebens der killenden deutschen Freikorpssoldaten um 1920.

In einer weiteren Passage, die die Situation im Nachkrieg von Weltkrieg II beschreibt, findet Hahn zu einer Spezifizierung dieser Sorte notdürftig sozialisierten Killermanns, gültig besonders für dessen »süddeutschen« Typus:

Die Moral war auf den Hund gekommen. Die Politik bis ins Mark verdorben. Aus regionalen Schwarzmärkten hatte sich ein Schlaraffenland des Verbrechens entwickelt. Frankreich schwemmte seinen Abschaum ans deutsche Ufer. Glücksspiel und Prostitution blühten, die Gewinne wurden in der nahen Schweiz angelegt. In diesem Land aus Mist, Unrat und Jauche, diesem Sumpf der Korruption und Gier, war der Bundesgrenzschutz-Süd, wenn man mal von einigen, wenigen moralischen Verfehlungen absah, durchaus anständig geblieben. Mit Anstand strafen, mit reinster Seele richten, töten, ohne schwach zu werden. Sie waren deutsch geblieben. Zum großen Teil wenigstens, da war sich Krüger sicher, lag es in der Natur des süddeutschen Menschenschlags, selbst in der dunkelsten Mordnacht ein reines Gewissen zu bewahren.

Unbedingt zu ergänzen wäre dies mit der Feststellung, dass diese Sorte des »Immer-anständig-geblieben-Seins« – in der Hahn »zynisch« die Formel Himmlers zur Arbeitsweise der deutschen SS in den 1940er Jahren zitiert – für die norddeutsche wie ostdeutsche Körperlichkeit wohl nicht weniger gelte. Für die westdeutsch-ruhrgebietliche, soweit ich sie kenne, vielleicht ein bißchen weniger. Selbst in der dunkelsten Mordnacht ein reines Gewissen bewahren – anständig geblieben sein – das kann durchgehen als Definition »des Deutschen«, so man diesen Typus mordender Männlichkeit einer bestimmten Region (und einer bestimmten Nationalität) überhaupt zuordnen kann und will. Denn:

Plakat (schwarz/ weiß/ rot) mit Aufruf zum Beitritt in Freikorps im Zusammenhang mit den Aufständen in Oberschlesien in den Jahren 1919- 1921 Folgender Text (auszugsweise): "Freiwillige für Grenzschutz! Der deutsche Osten in schwerer Gefahr! Bolschewistische und polnische Armeen bedrohen unsere Grenzen, polnische Banden plündern bereits deutsches Land. Unser einst so blühendes Wirtschaftsleben geht dem Untergange entgegen. Herbei deutsche Männer! Schützt deutsches Land, Weib u. Kind ! Offiziere, Unteroffiziere, Mannschaften folgt dem Rufe der deutschen Republik!

Leider ist diese Sorte »Anstand« – unter entsprechend gegebenen Bedingungen – auch amerikanisch, russisch, japanisch, britisch, französisch, indonesisch, chinesisch, kongolesisch, türkisch, arabisch (und so weiter rund um den Erdball); nur dass sie woanders ein anderes Wort dafür haben als gerade »anständig«. Das ist allein unseres – für die erfolgreiche Ermordung von sechs Millionen Juden und zwanzig Millionen darüber hinaus angerichteter, überwiegend russischer, Weltkriegstoter. Mordakte, die in Deutschland einsetzten als eine Art Dauertätigkeit im Nachkrieg 1919ff.

Vorläufer: die Ermordung der Hereros in »Deutsch-Südwest« vor WK I. Deren Helden reüssierten nach WK I erneut als Kommandeure der Ermordung deutscher Arbeiter-Eingeborener; besonders der vom Kohleabbau geschwärzten Wilden der Ruhrregion; Essen, z.B., war schwärzestes (bolschewistisches) Afrika; Hamborn eine Höhle polnisch-westfälischen Misch-Ungeziefers, das 1919 frech aus seinen schwarzen Gruben kletterte und – nun im Licht! – Forderungen stellte im Namen einer Internationale des Menschenrechts! – (Komplette Irre!)

***

thewe Einmal_Grenzschutzer-Immer_GrenzschutzerUnter der Kapitelüberschrift Lustmorde sind einige solche beschrieben im 1. Band der Männerphantasien. Diese Überschrift kann in die Irre führen, wenn man die Lust darin auf Sexuelles bezogen versteht. Mir ist es wichtig zu betonen, dass diese Mordakte mit Sexualität eher nichts zu tun haben. Dies haben insbesondere Jessica Benjamin und Andy Rabinbach erfasst, wenn sie im Vorwort zu Bd. 2 der amerikanischen Ausgabe das faschistische Morden als anti-erotisch bezeichnen: Despite it’s sexually charged politics fascism is an anti-eros. »Sexuell codiert, aber anti-erotisch« – was soll das heißen?

Ein zentraler Punkt der gegenwärtigen Gewalt-Diskussionen ist hier berührt. Nahezu flächendeckend hat sich die Formel »sexualisierte Gewalt« eingebürgert für alle Formen von Übergriffen, wo die Gewalt unter Beteiligung bzw; Zuhilfenahme von Geschlechtswerkzeugen »ausgeübt« wird; insbesondere für Vergewaltigungen also und alle Formen von Übergriffen auf dem Weg zu Vergewaltigungen.

Mir erscheint diese Formel – so zwingend einleuchtend sie dem spontanen Empfinden ist – doch nicht ganz zureichend. Warum? Weil sie, finde ich, die Felder von »Sexualität« und »Gewalt« so miteinander verkoppelt, als bestünde zwischen ihnen so etwas wie ein möglicher »genuiner« Zusammenhang. Dies ist jedoch im Feld des Tatsächlichen – d.h. im Feld tatsächlich existierender Körper – nicht der Fall. Sexuelles Verhalten respektiert den Körper des/der Anderen; Gewalt tut dies nicht. Gewaltverhalten unter Gebrauch von Genitalien tut dies ebenfalls nicht. Es hat somit die begriffliche Verbindung mit dem Sachverhalt und Terminus „Sexualität“ nicht verdient. Das Verhalten der deutschen Freikorpssoldaten 1919ff belegt (»unfreiwillig«) diesen Punkt. Unter ihren Gewaltakten gegen den erotischen Frauenkörper, gegen die sog. »rote Frau«, also Arbeiterfrauen, Kommunistinnen, Jüdinnen, spielten Vergewaltigungen kaum eine Rolle; die Tötungsakte aber wurden als exzessiv lustvolle erlebt. Die »Lust« in all diesen Fällen liegt im Genießen des Tötungsakts selber. Er wird kein sexueller Akt dadurch, dass u.U. ein männlich-soldatisches Glied daran beteiligt ist. Dieses Glied wird benutzt zur Gewaltausübung; es verlässt damit das Feld des Sexuellen.

Die Formel »sexualisierte Gewalt« nimmt nicht zur Kenntnis, was in den gewaltausübenden Körpern tatsächlich passiert ist und beim lustvollen Mordakt immer weiter ausgebaut wird: das ist die physische Verwandlung dessen, was in anderen Körpern die Sexualität ist, in Formen der Gewaltausübung. In den Körpern der killenden Männer lebt das, was einmal auch bei ihnen Sexualität gewesen sein mag, nur noch in Formen von Gewalt; zugespitzt: in Formen des Tötens. »Sexualität«, die diesen Namen verdient, ist das Gegenteil davon. Sexualisierte Gewalt gibt es nicht. Es gibt vielmehr Körper, die das, was in glücklicheren Körpern als »Sexualität« vorliegt, nur ausleben können in Form von Gewaltakten. Sexuelle Vollzüge als Gewalt. Ihre Lust daran ist Lust aus dieser Gewalt. Sexuell lustvoll ist daran Nichts.

Theweleit_Das Lächeln der TäterIm Buch Das Lachen der Täter aus dem Jahr 2015 (CrimeMag-Besprechung hier), das in vieler Hinsicht eine Art Fortsetzungsbuch der Männerphantasien ist, habe ich den weitgehenden Universalismus dieser Tötungsformen der nicht-sexuellen Lust, sondern der Dominanz der Tötungslust in mordenden soldatischen Männergruppen in vielen weiteren Weltregionen bestätigt und breit belegt gefunden: Guatemala, Indonesien, Zerfallskriege Jugoslawiens, Ruanda, Kongo, Zentralafrika, Naher Osten, deutsche SS, britische und amerikanische Truppen im Irak, Afghanistan etc. etc. – überall, wo soldatische Horden, aber auch unsoldatisch organisierte Männergruppen, ausgestattet mit der Lizenz zum straflosen Töten, weitgehend unkontrolliert agieren können, finden sich genau diese Formen exzessiver Lust an Tötungsvorgängen, mit oder ohne Gebrauch von »Geschlechtswerkzeugen«; exekutiert in tranceähnlichen Zuständen, wie ich sie in Männerphantasien Bd.2 unter den Formen »Leerer Platz«, »Blutiger Brei« und »Black Out« bei deutschen Soldaten dargestellt habe.

Die tötenden Männer handeln in genau dem Zustand, den ich als denZentralkitt im Innern aller Männerbünde ansehe: in der offenen, erlaubten Übertretung ins Kriminelle; die nur deshalb nicht als »kriminell« erscheint im Moment der Übertretung, weil sie von offiziellen Autoritäten gedeckt oder sogar gewünscht ist. Der Mord wird nicht als »Mord« wahrgenommen, weil er genehmigt ist; er kann als Urlaubsfoto nach Hause gehen oder neben die Familienbilder ins Portemonnaie geraten; wie die Fotografien deutscher Soldaten aus WK II, wie J.P. Reemtsma und Hannes Heer sie in der ersten Version derWehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung gezeigt haben. Fotos, die das eigene (Mord)Leben im Zustand krimineller paradiesischer Freiheit zeigen, das sich dabei gefällt, die Erde von Ungeziefer zu befreien. »Strafe«? Keine zu erwarten. (Wir werden gesiegt haben!)

Klaus Theweleit

Friedemann Hahn: Foresta Nera. Mit einem Nachwort von Alf Mayer. Polar Verlag, Hamburg 2018. 212 Seiten, 16 Euro.

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