Geschrieben am 15. März 2017 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Kino: T2 – Trainspotting von Danny Boyle

“It had better not be shite, Danny.”

Einer der prägendsten Filme der 90er, vergleichbar vielleicht nur mit mit Pulp Fiction, bekommt eine Fortsetzung. Weil das ohnehin niemals im Leben gutgehen kann, regelte Christopher Werth seine Erwartungshaltungen auf Anschlag nach unten. Und siehe da – es tat nur ein bisschen weh.

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Damals Newcomer – heute Hollywoodstar.

Trainspotting 2: Mission Impossible

Trainspotting katapultierte 1996 die Karrieren von Regisseur Danny Boyle, Hauptdarsteller Ewan McGregor und dem Autor der Buchvorlage Irvine Welsh in die internationale Umlaufbahn. Der Soundtrack, die kongeniale Mischung aus alten und neuen Songs, die Bildsprache, die Erzählweise und der poetische Fekal-Realismus setzen bis heute unerreichte Maßstäbe. Noch nie wurden totale Versager so brutal ehrlich und gleichzeitig so unfassbar cool inszeniert. Die Heroinsucht in ihrer ganzen Spannweite zwischen Elysium, Horror und Tod. Bilder wie eine Axt in das gefrorene Meer in uns. (Z.B. die schrecklichste Toilette in Schottland. Oder das tote Baby…). Alles in Allem: Auch retrospektiv wirkt der Film gut gealtert und bleibt nach wie vor als popkulturelles Zeitdokument absolut sehenswert.

Natürlich wussten alle Beteiligten von T2, worauf sie sich bei dem hoffnungslosen Versuch, eine Fortsetzung zu schaffen, eingelassen haben. Respekt, dass sie es trotzdem getan haben. “It had better not be shite, Danny.” Das war der verzweifelte und stumme Wunsch aller Beteiligten, den Danny Boyle zurecht jeden Tag während der Dreharbeiten an ihren Augen ablesen musste …

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Zwischen diese Jungs passt nach wie vor keine Wand, oder?

EDINBURGH, SCOTLAND - JULY 13: Actors Ewan McGregor and Ewan Bremner runs on the set of the Trainspotting film sequel on Princess Street on July 13, 2016 in Edinburgh, Scotland. The long awaited Trainspotting 2 is being filmed in Edinburgh and Glasgow, 20 years after the original was released and it will also see the cast from the first film returning including Ewan McGregor, Jonny Lee Miller and Robert Carlyle. (Photo by Jeff J Mitchell/Getty Images)

Drehen früher: einfach Drogen reinknallen. Drehen heute: einfach knallharter Sport.

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Wie war das noch mit der schlimmsten Toilette von Schottland?

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Friends forever! So war das, oder?

Kalte, harte, digitale Gegenwart

Jetzt aber ran an das Heute! Das digitale Zeitalter der hässlichen, kalten Digitalaufnahmen, in dem jeder Idiot denkt, eine Kamera halten zu müssen. So auch in T2. Auch hier wird am Anfang zu cooler Musik weggerannt – allerdings rennt hier jetzt der etablierte Hollywoodstar Ewan McGregor. Als Mark Renton rennt er diesmal nicht vor der Polizei weg. In der ersten Szene flieht er in einem trostlosen Fitnessstudio auf einem Laufband vor seinen eigenen Wohlstands-Kilos. Mark Renton heute. Genau der, der seine Kumpels vor über 20 Jahren beim Heroin Deal seines Lebens übers Ohr gehauen hat, lebt jetzt gar nicht mal so schlecht im schicken Amsterdam. Aber natürlich kommt der Moment, in dem er nach Hause nach Schottland muss. Der Tod seiner Mutter bringt ihn zurück zu einem Kurzbesuch in die mittlerweile noch hoffnungsloseren Sozialsiedlungen von Edinburgh.

In seinem unveränderten Kinderzimmer mit der Züge-Tapete geht er die Platten durch. Und dann legt er eine auf. Wir erkennen an nur zwei Drumbeats: Iggy Pops Lust for Live. Das reicht Mark schon. Er macht die Anlage wieder aus. Wir atmen durch und erinnern uns mit ihm an früher – aber wir lassen uns noch nicht voll und ganz darauf ein. Danny Boyle gibt uns und Mark Zeit. Zeit, anzukommen, zu akzeptieren, dass da mittlerweile 22 Jahre vergangen sind.

Die Szene ist ein Beispiel für das raffinierte Zusammenspiel zwischen dem Früher und dem Heute. Dem Gedankenstrom, der sich mal hierhin und mal dorthin verirrt. Wieder zurück in Amsterdam bricht für Mark dann irgendwie alles zusammen, Job weg, Frau weg – ihm bleibt nur noch der erneute Weg zurück nach Edinburgh. Und diesmal lässt er sich voll und ganz drauf ein: Mark hat das Bedürfnis, den Verrat an seinen besten Freunden wieder gut zu machen. An Spud, Sick Boy und Begbie. Denn – so muss man es leider sehen – diesmal bleibt ihm nichts anderes mehr übrig.

Spot auf Spud

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Weil er einfach nicht noch dichter werden kann, fängt Spud an zu Dichten…

Das geheime Zentrum von T2 ist die Figur des Spud. Diese Figur reift erst jetzt im zweiten Teil zu voller Größe und erreicht ihr ganzes Potential. Was auch damit zu tun haben mag, dass Ewen Bremner als gestandener Mittvierziger noch einmal enorme schauspielerische Fähigkeiten dazugewonnen hat, die ihm damals noch nicht zur Verfügung standen. Sein Spud ist heute vollkommen desillusioniert. Er begreift nach endlosen Therapieversuchen und Entziehungskuren, dass er dem Heroin nicht mehr entkommen kann. Er akzeptiert es einfach. “Das Heroin ist einfach mein bester Freund – der einzige, der immer für mich da war.” Spud ist ein Mensch, der sich am Ende seiner Kräfte als so kaputt akzeptiert, wie er auch wirklich ist. Einer, der es aufgegeben hat, vor sich und vor anderen ein Anderer sein zu wollen. Ein Mensch ohne Haut. Ein Mensch, auf den die Realität ungefiltert einwirkt.

Diese brutale Ehrlichkeit und Verletzlichkeit, ist an sich schauspielerisch schon absolut sensationell. Bremner geht aber noch weiter und verbindet sie mit Buster Keaton-haften und grandios-virtuosem Slapstick. In T2 begegnen wir also einem Spud, der mit sich seinen Frieden gemacht hat. Und der gerade mit vollem Schwung dabei ist, sich umzubringen. Aber – das Schicksal will es anders. Der Rückkehrer Mark Renton kommt noch in allerletzter Sekunde dazwischen und wir erleben einen klassischen Spud-Moment, der in seiner physischen Drastik ganz nah an die Szene mit dem Englischen Frühstück aus Teil 1 kommt.

T2: Vollgas auf Leben und Tod

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Begbie – heute ist er sogar noch ein bisschen wütender als damals…

Während im ersten Teil es darum ging, ein großes Ding zu drehen, um das eigenen Leben auf die richtige Spur zu bringen, geht es jetzt darum, das eigene verschissene Leben einfach nur noch zu retten. Egal wie. Mark ist gefeuert und arbeitslos. Spud ist Junkie. Sick Boy ist erfolgloser Kneipenwirt und noch viel erfolgloserer Zuhälter. Und Begbie, das passt jetzt perfekt, der kommt geradewegs mit voller Wut  aus dem Knast …

Die Härte des Lebens prallt voll auf unsere Helden. Abgefedert nur durch EU Zuschüsse und eine intelligente osteuropäische Prostituierte, die den abgefuckten Schotten vormacht, wie es geht. T2 zeigt also Menschen am Rand des Abgrunds ihres Lebens, die nur noch mit aller verzweifelter Kraft um sich selbst kämpfen. Ob das aber wohl gut geht? Und ob das Francis Begbies angestauten Jähzorn bändigen kann …

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Hat so viel mehr drauf als die Jungs – und sieht auch noch so viel besser aus: Anjela Nedyalkova als „Veronica“.

Egal! Dazu spielen die Young Fathers. So schlecht kann es also nicht sein.

Fazit: Als Hommage an einen modernen Klassiker ist das Ganze irgendwie dann doch sehenswert.

Bier auf! Augen zu! Und durch!

KAMERA: Anthony Dod Mantle 

SCHNITT: Jon Harris 

REGIE: Danny Boyle

Full credits hier

Christopher Werth

Zu den CM-Texten von Christopher Werth.

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