Eine Sache der Verhältnismäßigkeit
– Mittwoch, 26. Juni 2013, Zeitungslektüre aus dem Normalwahnsinn. Alles eine Zeitung, die FAZ.
Im Lokalteil ein kleiner Zweispalter: „Ticketfälscher-Ring aufgeflogen. Hehler verkauften Tausende Karten/ Millionenschaden.“ Es geht hauptsächlich um gefälschte DB-Monatsfahrkarten und Tickets im Rhein-Main-Gebiet, mit Fahrscheindruckern der Bahn und auf deren gestohlenen Blanko-Fahrscheinrollen gedruckt. Es gab Bestelllisten mit Namen der Abnehmer, sie alle wird die volle Härte des Gesetzes treffen: banden- und gewerbsmäßige Urkundenfälschung, Hehlerei und Diebstahl. Die Bundespolizei, Achtung Hoheitsdelikte, rückte MIT 500 BEAMTEN an und durchsuchte etwa 100 Wohnungen in der Region.
Wow. Ein deutlich größeres Aufgebot als bei der Durchsuchung bei der Deutschen Bank. Wo es ja auch der hessische Ministerpräsident nicht zu beanstanden fand, dass danach Bankchef Fitschen bei ihm persönlich angerufen und sich über die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes beschwert hatte. Bouffier hatte geantwortet, er als Ministerpräsident könne sich da nicht einmischen, ließ er verbreiten. Nicht etwa, dass solch ein Anruf ebenso unverschämt sei wie der eines kontrollierten Eiscafébesitzers.
Lokalteil dritte Seite: „Schwarzarbeit an der Waffel. Finanzkontrolle prüft 250 Mitarbeiter von Eis-Cafés.“ Mehr als 80 Betriebe und 250 Beschäftigte im Rhein-Main-Gebiet wurden überprüft, 60 Personen verstießen gegen (im Artikel unspezifizierte) Bestimmungen, hauptsächlich wohl Schwarzarbeit und nicht abgeführte Sozialleistungen.
Ebenfalls Lokalteil: FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher diskutiert mit dem FAZ-Wirtschaftsredakteur Rainer Hank über die großflächige E-Mail-Überwachung und muss sich dagegen verteidigen, ein Linksradikaler, Kapitalismuskritiker und Barrikadenstürmer zu sein. Der ganze Text befindet sich vier Kilometer im Hintern aller Obrigkeit, nur die Überschrift ist subversiv und kommt als Zitat daher: „Wir haben die Kontrolle längst verloren.“
Wirtschaftsteil, Aufmacher: „Irische Pleitebanker haben den Staat betrogen. Telefonmitschnitte: Kapitalbedarf von 7 Milliarden Euro frei erfunden/ Sorge um Bank-Altlasten in Europa.“ Ziemlich fassungslos wird von jetzt veröffentlichten Telefonaten der Chefs der Anglo Irish Bank berichtet, die sich vor Lachen in die Hosen pissen, wie die Politik sich an der Nase herumführen lässt. Alleine diese Bank hat bis heute Kapitalhilfen von 30 Milliarden Euro verschlungen.
Polizisten sind dort bisher nicht einmarschiert. Und Eis wird in Banken ja auch nicht verkauft.
Alf Mayer