
Der wohl einflussreichste deutsche Comicverleger
Zur Kauka-Biografie von Bodo V. Hechelhammer
Verkehrspädagogisch innovativ geben sich die „Fix und Foxi-Nachrichten“ der 335. Ausgabe von „Pabels großer europäischer Jugendzeitschrift“, so die Eigenwerbung im Untertitel des 30 Seiten starken Comicheftes, im Oktober 1962. In „einigen amerikanischen Städten“ seien Gerichte dazu übergegangen, „vor allem jugendliche Verkehrssünder dazu zu verurteilen, in ihrer Freizeit beim Roten Kreuz Dienst zu tun“. Sie müssten in den „Sanitätswagen mitfahren, die die Opfer von Verkehrsunfällen abtransportieren“. Die Wirkung sei so durchschlagend, heißt es weiter, dass „diese Strafpraxis ruhig übernommen werden sollte“.
War es Absicht oder Zufall, dass sich direkt unterhalb dieser Nachricht die Mitteilung findet, aufgrund eines Autounfalls von Rolf Kauka werde sich das Jubiläumsheft zum 10jährigen Bestehen von „Fix und Foxi“ verzögern. Dies sei allerdings von Vorteil, denn nun erscheine die Ausgabe in vier Wochen und biete 48 Seiten zum Preis von nur 60 Pfennig. Tatsächlich lag das annoncierte Heft pünktlich am 6. November des Jahres an den Kiosken.

Nicht allen wird sich die Logik dieser, als „Tip des Tages“ überschriebenen, Meldung auf Anhieb erschlossen haben, doch in ihrer Mischung aus Unschuld und Chuzpe ist sie typisch für den Erfinder des zeitweise erfolgreichsten deutschen Comics, dem der Historiker Bodo V. Hechelhammer unter dem Titel „Fürst der Füchse“ eine umfangreiche Biografie gewidmet hat. Dort kann man von einem Unfall lesen, den der Liebhaber PS-starker Fahrzeuge mit einem BMW 507 bei der schnellen Fahrt durch die Serpentinen in den Schweizer Alpen erlitt. 15 Meter stürzte der Wagen in die Tiefe, doch Kauka und seine frisch angetraute (zweite) Ehefrau blieben „wie durch ein Wunder“ unverletzt. Von nun an verzichtete der Comic-Pionier auf Sportwagen und „begnügte“ sich mit einem Mercedes 220S. Und dies ohne Zwangsdienste beim Roten Kreuz.
Rolf Kauka, 1917 im sächsischen Markranstädt geboren, war, um es milde auszudrücken, ein widersprüchlicher Charakter. Den „hohen moralischen Ansprüchen“, die er wöchentlich in seinen Heften „an sich und seine Leserschaft stellte“ konnte und wollte er nicht genügen. Das zeigen nicht nur seine vier Ehen und zahlreichen Affären, die so gar nicht in das konservative Familienbild der Adenauer-Republik zu passen scheinen. Vor allem Kaukas Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, macht ihn zum Repräsentanten jener Doppelmoral, wie sie typisch für die bundesdeutsche Nachkriegszeit bis in die späten sechziger Jahre ist. Da wurde aus einem überzeugten Nazi rasch ein „Mitläufer“. Und Rolf Kauka war nicht der einzige, der nach 1945 mit einer komplett neuen Lebensgeschichte aufwarten konnte. Dass sich an seiner stramm nationalen Gesinnung viel geändert hatte, lässt sich allerdings bezweifeln. Skandale wie die Umgestaltung der Asterix-Comics zu germanischen Heldenepen mit politisch zweifelhafter Aussage Mitte der sechziger Jahre („Siggi und Babarras“), sprechen für sich.
Hechelhammer gelingt ein facettenreiches, penibel recherchiertes Porträt des wohl einflussreichsten deutschen Comicverlegers. Scharfe, politisch akzentuierte Kritik mischt sich mit unverhohlener Bewunderung für Kaukas Findigkeit und Geschäftsgeist. Dabei geraten die Comics selbst ein wenig aus dem Blickfeld. Lesenswert ist diese Biografie aber allemal, zeigt sie doch plastisch und beispielhaft, wie es um die politische Kultur der alten Bundesrepublik bestellt war.
Joachim Feldmann
Bodo V. Hechelhammer: Fürst der Füchse. Das Leben des Rolf Kauka. Langen-Müller, München 2022. 392 Seiten, 25 Euro. – Siehe auch den Textauszug hier nebenan in dieser Ausgabe.
