Geschrieben am 25. Oktober 2014 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Hinter der Linie, vor dem Spieltag (9)

Mara Braun_neuHinter der Linie, vor dem 9. Spieltag

– Eine Fußballkolumne von Mara Braun.

Wenn Spieler und Vereinsverantwortliche des FC Bayern am Tag nach dem 7:1-Sieg in der Champions League eine Audienz beim Papst haben, so kann man sich dazu sicherlich viele Fragen stellen. Beispielsweise, ob das nun wirklich sein muss, was genau es bringen soll oder warum der Papst so was eigentlich macht. Wenn man sich dann zurückerinnert, dass der auch schon Sepp Blatter empfangen hat, ist ein Kaffeekränzchen mit den Bayern gleich weniger abwegig, zumal, wenn die zumindest per Ankündigung 1 Million Euro für karitative Zwecke im Gepäck haben. Und dem einen oder anderen Spieler dürfte das Treffen im Vatikan sogar tatsächlich etwas bedeuten, also sei’s drum: Zurück zur Tagesordnung – könnte man meinen. Wäre da nicht die Tatsache, dass die brutale Dominanz dieses Teams den einen oder anderen offenbar nicht nur langweilt, sondern derart fuchst, dass er auf billige Rache sinnt.

Oder wie ist es anders zu erklären, dass die FAZ ihrem Korrespondenten für Italien und den Vatikan ernsthaft einen Artikel abnickt, in dem der sich hämisch über Fehler auslässt, die der Presseabteilung des Rekordmeisters bei einem Onlineartikel unterlaufen sind, der den Besuch im Vatikan thematisiert? In dessen Originalfassung war zu lesen, jedermann habe „ein kleines Kreuz an einer Kette“ geschenkt bekommen, schreibt Jörg Bremer und spottet: „Gemeinhin nennt man das Rosenkranz.“ Offenbar gab es im Text weitere Ungenauigkeiten, weshalb der Journalist frohlockt: „Und das war längst nicht der einzige Fehler.“ Ja Kruzifix! Es gibt also tatsächlich Menschen, die nicht sauber recherchieren, bevor sie Artikel verfassen und ins Netz stellen? Davon hat man ja bei der FAZ oder dem Rest der Journaille noch nie etwas gehört!

Bitte echauffieren Sie sich jetzt

Und während die Kolumnistin Ihres Vertrauens, der man sicher einiges vorwerfen kann (auch gelegentliche Fehler in ihren Artikeln), aber gewiss nicht eine irgendwie geartete Nähe zum FC Bayern, sich fragt, ob es eigentlich hackt, sprechen im Netz bereits die ersten von einem Rosarygate. Daran ist nicht nur peinlich, wie reflexhaft viele Menschen sich auf vermeintliche Skandale stürzen, sondern auch die Verniedlichung von Watergate, die der Begriffsfindungen automatisch innewohnt. Aber hey, es ist natürlich viel einfacher, sich über eine PR-Panne der Münchner zu echauffieren, als darüber, dass beispielsweise vor Europas Küsten nach wie vor Menschen absaufen beim Versuch, sich vor katastrophalen Zuständen in ihren Heimatländern zu retten, über das, was in Kobane passiert, oder dass gerade wieder ein Klimagipfel ansteht, der vermutlich nur eines erreichen wird: in seiner absoluten Nutzlosigkeit die Vorgänger zu übertreffen. Aber dafür müsste man sein Gehirn benutzen, sich informieren, Empathie zeigen und Interesse – Dinge, die dem reflexkläffenden Troll nie passieren würden.

Wer sich jetzt fragt, was all das noch mit Fußball zu tun hat, der sei erinnert an die allererste Kolumne, die in dieser Reihe erschienen ist und die eingeleitet wurde mit der so schnöden wie wahren Feststellung, dass nun mal alles mit allem zusammenhängt. Will heißen, es ist immer einfach, mitzuplärren in einer Blase aus Meinungsgleichen. Aber man sollte doch ab und zu innehalten und überlegen, ob man sich an der richtigen Stelle erzürnt, oder ob einem gerade künstliche Aufreger die Sicht verstellen auf die wirklich wichtigen Themen. Und man muss die Bayern wahrlich nicht mögen – ich tue das auch nicht – genauso wenig wie früher den nervigen Klassenprimus. Dennoch ist es eher lächerlich als heldenhaft, eine fehlerhafte Seite aus dessen Mathearbeit zu reißen und ans Schwarze Brett zu pinnen, damit andere sich daran ergötzen können. Dabei macht es im vorliegenden Vergleich mit dem Fußball durchaus einen Unterschied, ob besagte Schadenfreude von den gegnerischen Fans kommt, wo sie eindeutig dazugehört, oder aus den Medien, wo sie ebenso eindeutig unpassend ist.

Und jetzt, endlich: Bundesliga.

Die Ergebnisse im Überblick:

Bremen – Köln 1:3
Dortmund – Hannover 2:1
Augsburg – Freiburg 2:3
Hoffenheim – Paderborn 2:2
Hertha BSC – Hamburger SV 1:2
Frankfurt – Stuttgart 2:0
Leverkusen – Schalke 2:3
Wolfsburg – Mainz 05 3:4
Mönchengladbach – Bayern 1:0

Mara Braun

Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog.

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