Geschrieben am 1. September 2023 von für Crimemag, CrimeMag September 2023

Frank Rumpel: Der neue Heinrich Steinfest

Vom Verschwinden

Wombat und Weltverschwörung zusammen zu spannen ist eine der leichteren Übungen für Heinrich Steinfest. In seinem aktuellen Roman sind gleich zwei Strippenzieher, die sonst weltweit für Chaos sorgen, dem Charme jener stoischen Tiere mit kuriosen Eigenheiten verfallen. In einer Branche, in der es um Manipulation, Machtinteressen und das ganz große Theater geht, ist der friedliche australische, Würfelchen kackende Beutelsäuger eben das perfekte Gegenstück.

Seinen chinesischstämmigen einarmigen Wiener Detektiv Markus Cheng hat Steinfest zuletzt elegant in die zweite Reihe bugsiert. Er hat mit seiner Sekretärin Frau Wolf die Plätze getauscht. Sie ermittelt, er arbeitet nur noch zu, bleibt aber im Fokus des Erzählers. Die beiden sollen nach einem verschwundenen Zoologen suchen, der sich in Australien der Wombatforschung verschrieben hat. Im Zuge ihrer Ermittlungen stellt sich heraus, dass der Gesuchte eigentlich ein anderer ist. Er gehört zu einer Gruppe, die, über eine Agentur vermittelt, Unfrieden stiftet in der Welt. Staaten nehmen ihre Dienste in Anspruch, aber auch Unternehmen, Oligarchen, wer  immer eben seine Interessen gewahrt wissen will. Es ist eine PR-Agentur für politische Verhältnisse, eine Agentur, die alles im Angebot hat: „Eine moderne Form von Spionage und Gegenspionage, Werbung und Gegenwerbung, Düngung und Gegendüngung, Gift und Gegengift, wobei es schon lange nicht mehr Geheimdienste sind, die in der Lage waren, all den Dünger und all das Gift zu versprühen.“ 

Und diese Leute mischen mit, schaffen hier jemanden aus dem Weg, sorgen dort für eine Provokation und helfen damit, die Verhältnisse im Sinne ihrer Auftraggeber zu verschieben. Das ist längst auf vielen Ebenen Realität, denkt man etwa an die Rolle der Firma Cambridge Analytica vor der Brexit-Abstimmung oder das israelische Unternehmen „Team Jorge“, das unter anderem Wahlmanipulationen im Portfolio hat und schon etliche Wahlen im Sinne seiner Auftraggeber manipuliert haben will. Bei Steinfests lange unterschätzter Frau Wolf klingt das so: „Das hat die Wirklichkeit so an sich ein wenig unglaubwürdig zu sein. Dass es sich bei einigen Politikern um eingesetzte Schauspieler handelt, den Eindruck hat jeder schon mal gehabt, oder man traut es sich nur nicht zu sagen, wie man sich nicht traut, zu sagen, man habe einen Geist gesehen, aber der Eindruck ist da.“

Es ist eine für Steinfest’sche Verhältnisse geradlinige Geschichte, die er da zwischen Südaustralien, Hamburg und Wien aufspannt, eine irrwitzige Geschichte, der das Flirrende, das Zuviel, das stets Filmhafte bewusst eingeschrieben ist, die gekonnt hin und her balanciert zwischen philosophischen Abschweifungen und etwas artifiziell anmutender Action. 

Der erste Cheng-Roman erschien 1999, seinerzeit bei Bastei-Lübbe. Damals wollte Steinfest seinem Detektiv einfach nur zusetzen, ihn nach und nach verschwinden lassen. Der aber erwies sich als zäh, drängte wieder und wieder nach vorne. In den vergangenen gut 20 Jahren schrieb Steinfest gleich  mehrfach den allerletzten Cheng-Roman – mittlerweile den siebten. 

Nun aber wird es eng für den gewesenen Detektiv, für den Ermittlungen seit je eine Suche nach gut verborgenen Zusammenhängen waren, über die er stets zufällig stolperte. Weil er selbst aber nicht an Zufälle glaubt, sind es für ihn eher Hinweise, die ihn aufsuchen, sich ihm in den Weg stellen. Inzwischen bedrängt diesen Cheng jedoch eine ernsthafte Krankheit, die er zwar mit eleganter Nonchalance nimmt, mit der er sich aber dennoch dem Tod näher fühlt, als dem Leben, auch weil seine Erinnerungen immer blasser und durchlässiger werden, bevor sie sich unbemerkt auflösen. Und so arbeitet Steinfest weiter am Verschwinden seines Detektivs. Wer weiß, ob er nicht bald schon, wie sein Hund Lauscher, den viele noch sehen, obwohl ihn längst das Zeitliche gesegnet hat, nur noch ein Eindruck, eine Erinnerung ist, eine Ahnung, als habe da eben ein einarmiger Detektiv gestanden

Heinrich Steinfest: Gemälde eines Mordes. Frau Wolf und Cheng ermitteln. Piper Verlag, München 2023. 281 Seiten, 18 Euro.

Die Cheng-Reihe:
Cheng: rabenschwarzer Roman um einen Wiener Chinesen. Bastei-Lübbe, 1999
überarbeitete Neuausgabe: Cheng: Sein erster Fall. Piper, 2007
Ein sturer Hund. Piper, 2003
Ein dickes Fell. Piper, 2006
Batmans Schönheit: Chengs letzter Fall. Piper, 2010
Der schlaflose Cheng: Sein neuer Fall, Piper, 2019
Die Möbel des Teufels – Frau Wolf und Cheng ermitteln, Piper, 2021
Gemälde eines Mordes. Frau Wolf und Cheng ermitteln. Piper, 2023.

Außerdem gibt es 14 weitere Kriminalromane und zehn andere Bücher von Heinrich Steinfest.

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