Geschrieben am 16. Oktober 2018 von für Crimemag, CrimeMag Oktober 2018

Exklusiv: Frank Göhre „Das Montage Werk“

Frank-Göhre-_FotoHot Stuff

Wenn das „Sonstige“ zur Hauptsache wird

„Zeitgenosse Göhre“ überschrieb Alf Mayer im Jahr 2013 einen CrimeMag-Essay über die „sonstigen“ Texten eines außergewöhnlichen Autors. Ihm war aufgefallen, wie oft und wie empathisch Frank Göhre sich außerhalb seiner Romane und Erzählungen immer wieder den Werken anderer Autoren nähert. Einige dieser Texte erschienen über die Jahre in Sammelbänden, manche als E-Books oder bei uns, bei CrimeMag, in (nur) digitaler Form. Jetzt hat Frank Göhre es sich kurz vor seinem 75. Geburtstag gegönnt, viele dieser Texte in einem eigenen Band zu versammeln. Sein Titel dafür: „Das Montage Werk“.

CrimeMag ist stolz, Ihnen hier daraus einen Auszug präsentieren zu können. Und noch besser: Zu einem echten Schnäppchenpreis kann der Band über uns bestellt werden. Hierfür erforderlich:
E-Mail mit der Versandadresse an uns: CrimeMag@gmx.de
10 Euro Vorkasse per Überweisung an Frank Göhre, BIC HASPDEHHXXX, IBAN DE98 2005 0550 1281 4400 48.

Frank Göhre DAS MONTAGE WERK

Vorwort von Thomas Wörtche: Gegen die Diktate des Offiziellen
Francesco Rosi: Was für eine Stadt
rgen Roland: Es war einmal St. Pauli
Klaus Lemke: Du fährst nach Hamburg, ich schwör ́s dir
Roland Klick: Die H
ärte, der Reichtum und die Weite
Hark Bohm: Weg aus Wilhelmsburg

Vadim Glowna: Taxi in den Tod
Swinging in the death
Palais dAmour
Hot stuff
Nachts inmitten des Abfalls der Stadt
Hotel Marrakesch
Wenn das Befragen ein Ende hat
Quellennachweise

göhreHier exklusiv für CrimeMag ein Auszug aus „Hot Stuff“:

ABSPANN Jimmy Miller ist ein cleverer und gewitzter Typ aus Brooklyn. Er versucht, als Hotelbar-Sänger groß rauszukommen. Sinatra-Songs und dieses Zeug. Das haut nicht hin. Doch dann trifft er auf die Rolling Stones und wird ihr Produzent. Er hilft ihnen, den Sound aus Schmutz, Gefahr und Sex zu finden, der ihr Markenzeichen wird. Er macht sie zur »größten Rock ’n Roll Band der Welt«. Bei den Aufnahmen zu den Alben »Jumpin Jack Flash«, »Beggars Banquet«, »Sticky Fingers« und »Exile on Main Street« sitzt er nächtelang im Kontrollraum, schlichtet Streit und – sperrt das Heroin weg.

But it’s all right / I’m Jumpin’ Jack Flash, it’s gas! Gas! Gas!Jumpin’ Jack Flash, aufgenommen in Paris, 6. Juni 1976, »Love You Live«, Track 17.

Washington, in diesen Tagen: Die Bürger der Bundesstaaten Colorado und Washington stimmen für Gesetzinitiativen zur Legalisierung von Marihuana.

göhre 200px-The_Power_of_the_DogAn einem unbekannten Ort: Der Mohn steht in voller Blüte. Knallorange. Knallrot.

Yorkshire: Das Wasser ist rot. Der Regen kann das viele Blut nicht wegspülen.

Rom: Er beugte sich über den Kleinen und flüsterte ihm seinen Namen ins Ohr. Der Kleine zitterte. Hast du schon mal was von mir gehört?, fragte er ihn freundlich. Der Kleine nickte. Er lächelte. Vorsichtig legte er ihm den Lauf an die Stirn und schoss ihm zwischen die Augen: Ich bin einer von Libanese!

Rom in den Jahren 1977–1992 auf 558 Seiten; Yorkshire 1974–1983 auf 1.735 Seiten; sechzig Jahre Washington, D. C., auf 1.348 Seiten; und New York, Mexiko und Lateinamerika in den Jahren 1975–2004 auf 680 Seiten.

Und die Stones proben in einem Londoner Studio Sympathy for The Devil. Jimmy Miller hört sich die ersten Aufnahmen an. Wo ist der Groove? fragt er. – Es gab keinen, erzählt Keith Richards: Der Song verwandelte sich durch eine Rhythmusänderung im Laufe mehrerer Takes von einem dylanesken, ziemlich pathetischen Folksong in einen rockenden Samba und damit von einem Flop in einen Hit.

göhre 41uIBBOtzVL._SX324_BO1,204,203,200_Don Winslow landet mit »The Power Of The Dog« einen Hit. Giancarlo De Cataldo gelingt mit »Romanzo Criminale« der Durchbruch. David Peace hat mit seinem »Red Riding Quartet« großen Erfolg auf dem Kontinent und George mit seiner »Washington Noir«-Serie … nun ja, für David Peace ist es eine Ehre, mit George P. Pelecanos auf einer Verlagsliste zu stehen. Don Winslow, Giancarlo De Cataldo, David Peace und George P. Pelecanos erzählen die Geschichte eines halben Jahrhunderts. Sie erzählen Geschichte in Geschichten. In der Geschichte einiger zu allem entschlossenen Jungen aus den Vorstädten Roms die Geschichte politischer Morde und Attentate. In der Geschichte eines rotblonden Iren aus Hell’s Kitchen die lange Geschichte des »War on Drugs«, die Geschichte der heimlichen Waffen-Drogen-Deals. In der Geschichte einiger getriebener Polizisten und Reporter die Geschichte einer von Furcht und Schrecken beherrschten Region Nordenglands. Und im Spiegelbild eines griechischstämmigen Rhythm-&-Blues-Fans die Geschichte vom Wandel Washingtons.

göhre red-riding-trilogy-afmVier Autoren. Vier große Epen. Viermal Zeitgeschehen in Europa und in den Staaten. Großformatige Panoramabilder, flackernd, aber auch und voller Sprünge. Brutal und blutig streckenweise, rau und ungeschliffen wie der Soundtrack der Rolling Stones jener Jahre: Hot stuff, hot stuff, can’t get enough. Süchtig machend also.

Ich bin darüber ein anderer geworden, sagt Don Winslow. Und David Peace muss erst einmal weit weg, um sich mit dem Grauen seiner Jugendjahre konfrontieren zu können. Giancarlo De Cataldo blickt auf eine Skulptur von Karl Marx: Der Kopf ist von einem goldenen Sowjetstern gespalten. Und George P. Pelecanos sagt: Es kommt meiner Meinung darauf an, jeden zu respektieren, über den man schreibt.

Und voll aufgedreht wird die unbestritten ultimative Version von Sympathy for The Devil auf »Love You Live«: Gestatten, dass ich mich vorstelle, bin ein Mensch mit Geld und Kultur, ich bin schon viele Jahre in der Gegend, hab manchen um Seele und Glauben gebracht, ich war dabei, als Jesus Christ seinen Auftritt hatte, voll Zweifel & voll Schmerz, ich hab verdammt dafür gesorgt, dass Pilatus sich die Hände wusch und sein Geschick erfüllte … (Die Übersetzung von Helmut Salzinger).

(c) Frank Göhre

Frank Göhres Texte bei CrimeMag hier
Seine Internetseite hier.
Gerade abgeschlossen: das zusammen mit Alf Mayer entstandene Elmore-Leonard-Lesebuch „Be Cool“; erscheint im Frühjahr 2019 bei CulturBooks.
„Zeitgenosse Göhre“ – Alf Mayer über die „sonstigen“ Texte, CrimeMag Dezember 2013.

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